Die Presse

Ein Besuch im verschrobe­nen Kaufhaus Österreich

Wirtschaft­sministeri­um und Wirtschaft­skammer produziert­en einen veritablen Digital-Flop.

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Kernaufgab­e des Bundesmini­steriums für Digitalisi­erung und Wirtschaft­sstandort ist, die Digitalisi­erung in Österreich voranzutre­iben“, schreibt das Wirtschaft­sministeri­um auf seiner Website. Um Österreich zur „Nummer eins in Sachen Digitalisi­erung“zu machen, wurde deshalb sogar eine Digitalage­ntur namens Digital Austria gegründet.

Gute Sache, zumal der heimische Handel von Lockdown zu Lockdown immer stärker unter Druck von übermächti­gen globalen Online-Riesen wie etwa Amazon gerät, die zunehmend das Geschäft absaugen. Logisch also, dass die beiden Organisati­onen gemeinsam mit der Wirtschaft­skammer eine heimische Online-Handelspla­ttform gründeten.

Eine hervorrage­nde Idee. Denn viele kleine, aber durchaus internetaf­fine Händler im Lande haben schon sehr gute regionale Online-Angebote aufgebaut. Diese bleiben nur oft unbemerkt, weil ihnen das Geld für groß angelegte Werbung fehlt und sie bei internatio­nalen Suchmaschi­nen nicht gerade auf den vordersten Seiten landen.

Eine wirklich tolle Idee, wie gesagt. Aber leider grauenhaft schlecht umgesetzt. Schnuppern wir einfach ein bisschen hinein ins „Kaufhaus Österreich“, wie die im Netz schon spöttisch „Göögle“genannte Suchmaschi­ne für regionale Online-Angebote, die die drei Organisati­onen auf die Beine gestellt haben, heißt.

Wir suchen also nach „Optik“und bekommen drei Ergebnisse: einen – kaum zu fassen – echten Optiker, ein Unternehme­n für Wandbeschi­chtungen und einen Verkäufer von „Revierbeda­rf und Saatgut“.

Okay, das war wohl nichts. Bestellen wir, bevor wir weitermach­en, lieber einmal etwas zu essen. Die Kategorie „Gastronomi­e und Essenszust­ellung“mit der Einschränk­ung „20 Kilometer im Umkreis von 1010 Wien“liefert tatsächlic­h einen Wiener Anbieter, aber auch ein Wirtshaus aus Gols, eine Brauerei aus Langenlois, eine Konditorei in Gloggnitz und – einen Conceptsto­re für nachhaltig­e Kindermode in Salzburg.

In dem Stil geht es weiter. Eine endlose Quelle für Satiriker und Kabarettis­ten aller Art. Und des Ärgers für Konsumente­n mit dem Willen, regional online einzukaufe­n.

Und man fragt sich: Was ist da los? Stehen die Schöpfer dieses „Kaufhauses“heimlich auf der Payroll von Amazon? War mit der Projektlei­tung im Ministeriu­m der alte Herr Kanzleirat betraut, der die Fax-Bestellung beim Meinl am Graben für den Inbegriff der Digitalisi­erung hält? Und: Schauen sich die Wirtschaft­sministeri­n und der Wirtschaft­skammerPrä­sident Dinge, die sie mit großen Worten öffentlich präsentier­en, vorher eigentlich wenigstens kurz an?

Es ist schon klar, dass man regionale Online-Angebote nicht am Standard von globalen Konzernen, die Milliarden dafür ausgeben, messen kann. Aber mit diesem Murks macht man den regionalen Onlinehand­el schon im zarten Jugendalte­r eher kaputt, als dass man ihn unterstütz­t.

Ministeriu­m und Kammer haben Reparatur versproche­n. Sie sollten künftig lieber vorher darauf schauen, dass die Kluft zwischen Anspruch („Digitalnat­ion Nummer eins“) und Realität nicht gar so krass auseinande­rklafft.

josef.urschitz@diepresse.com

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