„Wir bekennen uns zur Dekarbonisierung“
Die Amag recycelt wertvollen Schrott und trägt damit auch zur Versorgungssicherheit in Europa bei, betont Amag-Chef Gerald Mayer. Diese Unabhängigkeit habe sich in der Krise als Vorteil in der Zulieferkette erwiesen.
Die Presse: Noch im August meinten Sie, es gebe „keinen Grund zu zittern“für die Amag. Gilt der Satz noch?
Gerald Mayer: Tendenziell liegen wir jetzt noch besser, als ich im August für möglich erachtet habe. Die Auftragseingänge haben unsere Erwartungen übertroffen.
Sie beliefern viele Industrien, darunter auch die gebeutelte Luftfahrtindustrie.
Die Probleme in der Luftfahrt werden uns sicher noch mehrere Jahre lang beschäftigen. Im zweiten Quartal brachen dann die Auftragseingänge aus der Auto- und Luftfahrtindustrie richtig weg. Mittlerweile sind wir mit den Aufträgen aus der Autoindustrie wieder gut unterwegs, was man vom Luftfahrtbereich nicht sagen kann. Es fliegt derzeit keiner.
Die Frage wird sein, ob nach der Pandemie genauso viel geflogen wird wie vorher.
Ich denke, dass mit der Impfung auch wieder das Vertrauen zurückkommen und mehr geflogen werden wird. Aber die Digitalisierung hat uns gezeigt, wie viel auch ohne fliegen möglich ist.
Die Amag ist ein Unternehmen, das in einer Zulieferkette steckt. Welche Auswirkungen und welche Erkenntnisse gibt es?
Unsere Strategie fußt auf zwei Säulen, auf Innovation sowie auf Recycling. Und beim Recycling geht es jetzt nicht nur um den Aspekt der Nachhaltigkeit, sondern auch um die Verfügbarkeit des Vormaterials. Wir haben in Europa nicht die großen Rohstoffvorkommen. Was wir allerdings ausreichend haben, ist wertvoller Schrott. Wir sind weltweit Benchmark im Recycling von Aluminium und können damit Produkte anbieten, ohne beim Vormaterial von Asien oder anderen Regionen abhängig zu sein. Diese Unabhängigkeit hat sich besonders in der aktuellen
Krise als Vorteil unserer Zulieferkette erwiesen.
Sie haben also die Wertschöpfungskette in Schwung gehalten. Wir konnten die zeitgerechte Belieferung unserer Kunden durchgehend sicherstellen. Die Versorgung mit Vormaterial aus Europa war dabei jedenfalls ein wesentlicher Aspekt.
Aber die Amag ist ein energieintensives Unternehmen, für das es in Europa wohl schwieriger wird. Wir sind ja bekanntlich an einer großen Elektrolyse in Kanada beteiligt, und diese ist natürlich sehr energieintensiv. Wir sind dort, weil wir Strom aus Wasserkraft nutzen, also erneuerbare Energie. Dieses Thema ist nicht erst seit der Klimadebatte Teil unserer Unternehmensstrategie. Der Standort in Ranshofen braucht deutlich weniger Energie als die Primäraluminium-Erzeugung. Dennoch zählen wir uns zur energieintensiven Industrie. Wir bekennen uns zur Dekarbonisierung und sind auf diesem Gebiet gut unterwegs. Wir haben vieles umgesetzt, lang bevor man uns gesetzlich dazu verpflichtet hat. Wir haben in eine Wärmerückgewinnungsanlage investiert.
Wir bauen gerade die größte AufDach-Fotovoltaik-Anlage in Österreich.
Die geplanten Gesetze – etwa das Energieeffizienzgesetz – sind für Sie kein Problem?
Wir unterstützen all diese Maßnahmen grundsätzlich. Aber dennoch ist Vorsicht geboten. Die Wirtschaft ist bekanntlich ein sehr sensibles Gebilde. Das haben wir während des Lockdowns gesehen. Und die Amag steht im globalen Wettbewerb. Die härtesten Wettbewerber sind in Asien. Wir dürfen also nicht den Fehler machen, dass der europäische Standort an Wettbewerbsfähigkeit verliert. Dekarbonisierung braucht auch Ausgleichsmechanismen.
Aber die Politik meint, dass die neuen Technologien, wie Wasserstoff, quasi vor der Tür stehen. Wir beschäftigen uns mit diesen Technologien nicht erst seit gestern. Wir überlegen natürlich, womit wir Erdgas ersetzen können. Derzeit ist aber Biogas dreimal so teuer. Beim Wasserstoff sind wir lang nicht so weit. So etwas kann man nicht übers Knie brechen. Denn es geht ja nicht nur darum, ob Wasserstoff verfügbar ist.
Sondern?
Es geht auch darum, das Ganze prozesstechnisch über die Bühne zu bringen. Wenn man etwa zum Schmelzen von Aluminiumschrott Wasserstoff einsetzt, entsteht Wasser, das die Aluminiumschmelze verändert. Um allein dieses Problem zu lösen, ist noch viel Forschung notwendig. Unser Geschäftsmodell beruht auf Langfristigkeit. Es dauert beispielsweise meist Jahre von der Produktentwicklung bis zum Einsatz bei einem Flugzeughersteller oder Autobauer. Gerade deshalb befassen wir uns bereits jetzt intensiv mit der dekarbonisierten Zukunft.
Sie haben jüngst in Ranshofen das neue Forschungszentrum eröffnet.
Wer in Österreich produziert, muss sich mit Spezialitäten, mit innovativen Produkten beschäftigen. Wir können nicht mit Massenprodukten mit Billigländern konkurrieren. Wir haben in den vergangenen Jahren mehr als eine Milliarde Euro in diesen Standort investiert, auch in eine starke Forschungsabteilung.
Und diese klugen Köpfe finden Sie in Österreich?
Wir finden sie auch in Österreich. Wir arbeiten mit namhaften Universitäten im In- und Ausland zusammen. Beispielsweise mit der Montan-Uni in Leoben, mit der ETH Zürich, mit den Technischen Universitäten in Graz und Wien. Wir bekommen diese klugen Köpfe durch unsere Kooperationen mit den Hochschulen. Uns ist klar, dass das Innviertel nicht das Zentrum der Welt ist. Aber wenn die Leute mit uns hier arbeiten und forschen, bleiben die meisten auch da.
Was hat das Innviertel von der Amag?
Von 2012 bis 2019 haben wir rund eine Milliarde in den Ausbau des Standorts investiert. Im selben Zeitraum haben wir Bestellungen über 700 Millionen Euro in Oberösterreich getätigt. Davon 430 Millionen allein im Innviertel. Das sagt genügend über die Rolle eines Leitbetriebes aus, denke ich. Als wir hier ausgebaut haben, waren bis zu 1000 werkfremde Personen gleichzeitig auf der Baustelle. Sie haben hier gegessen, gewohnt, eingekauft. Bei uns im Werk gibt es tagtäglich irgendwelche Wartungsarbeiten, die in der Regel von Unternehmen aus der Region gemacht werden. Die Bedeutung eines Industriebetriebs für eine Region wird meiner Meinung nach ähnlich unterschätzt wie eine stabile Eigentümerstruktur.
Die war ja bei der Amag auch nicht immer in Stein gemeißelt. Ich bin seit 2007 im Vorstand. Ich weiß, wie es ist, wenn man eine US-amerikanische Investmentgesellschaft als Großaktionär hat. In dieser Zeit hätten wir derartige Großinvestitionen niemals stemmen können. Erst durch den Börsengang und durch starke Kernaktionäre wie die B&C Holding gibt es bei uns die Ruhe und Stabilität, um derartige Strategien zu entwickeln und Investitionen zu tätigen.
sErIE tEIL 3: LEITBETRIEBE Entscheidung in Österreich