Das letzte Geduldsspiel und seine Lehren
Analyse. Erst im Februar werden die ÖFB-Frauen erfahren, ob ihnen der direkte Weg zur EM-Endrunde 2022 in England gelungen ist. Wie haben sich Team und Leistungen seit der jüngsten Qualifikation vor vier Jahren entwickelt?
Wien. Für Österreichs Fußballerinnen ist die EM-Qualifikation eine Hängepartie geworden, in der sie nun nur zuschauen können. Nach dem mühevollen 1:0 über Serbien sind die ÖFB- Frauen aktuell zweitbester Gruppenzweiter und wären fix 2022 in England dabei. „Es war sicher nicht unser bestes Spiel, aber so ein Spiel muss man auch erst einmal gewinnen“, resümierte Teamchefin Irene Fuhrmann.
Drei Tickets werden an Zweitplatzierte vergeben, die anderen sechs erwartet im April das Playoff. In Nachtragsspielen im Februar könnten Italien (mit einem Sieg mit mindestens sechs Toren Unterschied gegen Israel; Hinspiel 3: 2) sowie Finnland bzw. Portugal noch vorbei ziehen. Letztgenannte haben noch zwei Partien offen, darunter das direkte Duell.
Auch wenn diese Qualifikation also noch nicht entschieden ist: Wo steht Österreich vier Jahre nachdem die erste EM-Teilnahme besiegelt wurde, die 2017 den sensationellen dritten Platz brachte?
Trainerteam: Bewährtes neu
Nach dem Abschied von Erfolgscoach Dominik Thalhammer (Lask) folgte im Sommer mit Irene Fuhrmann erstmals eine Teamchefin nach. Die 40-Jährige war als CoTrainerin schon seit der EM 2017 mit dabei, kennt also Spielerinnen, System und Vision. Fuhrmann ist ebenso akribische Arbeiterin und eher ruhig denn impulsiv.
Obgleich das Personal an der Seitenlinie (Teamchefin, Assistenten, Videoanalyst) also in den vergangenen Monaten gewechselt hat, wird der grundsätzliche Weg weiter verfolgt. Dieser hat laufintensives Pressing und taktische Flexibilität als oberste Prinzipien.
Kader: Qualität fehlt Breite
Durch die Rücktritte von Nina Burger und Nadine Prohaska fehlen zwei etablierte Spielerinnen aus dem EM-Kader. Mit Julia Hickelsberger-Füller (21, St. Pölten) und Marie-Therese Höbinger (19, Potsdam, beide zuletzt verletzt) schafften zwei Youngster den Sprung in den Stamm, auch Barbara Dunst (23) blüht in Frankfurt auf. Zudem drängen Laura Wienroither (21), Katharina Naschenweng (23, beide Hoffenheim) oder Yvonne Weilharter (19, Leipzig) nach.
22 Legionärinnen allein in Deutschland, England und Frankreich (im EM-Kader 2017 standen 15) unterstreichen, dass der ÖFBAusbildungsweg der richtige ist. Trotzdem ist der Spielerinnenpool nach wie vor zu klein, wiegen Ausfälle wie zuletzt von Kapitänin Viktoria Schnaderbeck schwer.
Spiel: Offensives Potenzial
Die Variabilität ist die große Stärke der ÖFB-Frauen, gleichzeitig auch Konsequenz des limitierten Personals. So sollte dieselbe Startelf den Abwehrriegel in Frankreich wie auch ein Offensiv-Feuerwerk gegen Serbien tragen. Seit der EM 2017 ist die Defensive Österreichs Prunkstück, die Weiterentwicklung in Ballbesitz das erklärte Ziel. Sowohl die Abwehrschlachten gegen den Gruppenfavoriten (0:0, 0: 3) als auch die knappen Duelle mit dem nominell zweitstärksten Gegner, Serbien (1:0, 1:0), sind also als Arbeitsauftrag zu verstehen.
Im Vergleich zu 2016 leistete sich Österreich diesmal nur gegen den Gruppenkopf Punkteverluste, die Torausbeute fiel dank Kantersiegen gegen Schlusslicht Kasachstan (14:0) besser aus – damals gelang noch als fünftbester Zweiter die Qualifikation. Das zeigt die internationale Entwicklung ebenso wie Österreichs Abstand zur Spitze: Frankreich (Nr. 3 der Welt) war wie Spanien in der WM-Qualifikation zuvor klar außer Reichweite.
Standing: Mehr Druck
Mit ihrem Sommermärchen sind die ÖFB-Frauen ins Rampenlicht gerückt. Obgleich der Hype nachgelassen hat, ist die Aufmerksamkeit viel größer als 2016. Das ist ein Segen, jedoch können die gestiegenen Erwartungen – medial und im Team – wie vielleicht gegen Serbien hemmen. Damit müssen sie jedoch umgehen lernen, wollen sie bei der EM 2022 wieder begeistern.