Ballett-Uraufführung im Fernsehen
Staatsoper. Am Freitag wird Martin Schläpfers erste Wiener Choreografie uraufgeführt. Die Probenzeit war wegen Corona hart, erzählt er: „Es ist keine schöne Zeit, um Direktor zu sein.“
Seinen Einstand hätte sich Martin Schläpfer, der neue Direktor des Wiener Staatsballetts, jedenfalls anders vorgestellt. Statt am 24. November kommt sein erstes für die Wiener Compagnie kreiertes Stück mit dem schlichten Titel „4“(denn getanzt wird zur Symphonie Nr. 4 in G-Dur von Gustav Mahler) morgen, Freitag (4. 12.), zur Uraufführung. Und das nicht live, sondern live-zeitversetzt im Fernsehen. Der zweiteilige Ballettabend, an dem in der leeren Staatsoper auch Hans van Manens rares Stück „Live“getanzt wird, wird ab 20.30 Uhr im Rahmen von „Opera Season“auf Arte Concert gestreamt (und ist 90 Tage abrufbar). Am Dienstag (8. 12.) zeigt der ORF zwar nicht den ganzen Abend, aber Schläpfers Stück in der „Matinee“(9.05 Uhr, ORF 2).
Proben und Einstudierung fanden unter schwierigsten Verhältnissen statt, erzählt Schläpfer bei einem Pressegespräch, auch wenn er betont, dass „wir immer noch in einer großartigen Lage sind verglichen mit anderen Häusern und Ländern“. Auch an der Staats- und Volksoper herrscht Kurzarbeit. Um 17 Uhr ist Betriebsschluss. Die Mitarbeiter werden täglich auf das Coronavirus getestet – im Verlauf der Vorbereitungszeit waren 17 Tänzerinnen und Tänzer positiv. Das sei „wie ein Axtschlag“gekommen, sagt Schläpfer, und habe „alles verändert“. Einige Protagonistinnen und Protagonisten, für die er „maßgeschneidert“hatte, seien noch immer nicht aus der Quarantäne zurück.
„Ich wollte alle kennenlernen“
Er hätte es sich auch leichter machen und zunächst eine seiner bereits vorhandenen Choreografien für das Wiener Ensemble wählen können. Aber das wollte Schläpfer nicht. „Ich habe mich entschieden, sofort für das gesamte Ensemble zu kreieren – auch für die Tänzerinnen und Tänzer der Volksoper –, um sie alle kennenzulernen und um in der Realität miteinander umzugehen.“Von zunächst drei geplanten Massenszenen mit über 100 Tänzern blieb letztlich dann nur eine im Stück. Corona hat also auch „4“seinen Stempel aufgedrückt. Einmal musste die Probenarbeit sogar zehn Tage lang gänzlich stillstehen. Die gemeinsame Arbeit habe seinen Einstieg als Künstlerischer Leiter aber beschleunigt, sagt Schläpfer. „Es war der richtige Weg, einander zu spüren und real zu begegnen im Ballettsaal und bei der Arbeit. Dann kann man entscheiden, ob man eine Ebene findet, um miteinander zu arbeiten oder nicht.“Er habe gedacht, es werde schwierig.
Vor allem wollte Schläpfer mit seiner ersten Choreografie einen Schulterschluss der 102 Tänzer, die sonst auf Staats- und Volksoper aufgeteilt sind, erreichen. Letztlich sei es dann aber gar nicht schwierig gewesen, erzählt er: „Das ist vielleicht auch das Schöne an der Tanzkunst: Wenn man zusammenkommt, kann man nicht kalkulieren, kann man nichts faken.“Mit der Compagnie ist er glücklich: „Das Ensemble ist wunderbar und mental sehr offen.“Unter der Pandemie aber leiden alle. „Es ist keine schöne Zeit, um Direktor zu sein“, sagt Schläpfer. „Ich bin ja wirklich ein altes Schlachtross, aber ehrlicherweise habe ich so etwas auch noch nie erlebt.“Dass Arte und ORF das Stück übertragen, freut ihn. Er wolle Freude bereiten und sehe das auch als „eine Ermutigung, nicht aufzugeben, weiterzumachen und nach vorne zu blicken“.