Die Presse

Afghanista­n und Taliban erzielen Abkommen

Friedensge­spräche. Die Konfliktpa­rteien erzielten erstmals eine schriftlic­he Einigung. Vom weiteren Geschehen in Afghanista­n hängt auch das künftige Schicksal der dortigen Nato-Truppe ab. Auch darüber berieten 30 Außenminis­ter.

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Kabul. Die monatelang­en Verhandlun­gen zwischen der afghanisch­en Regierung und den radikalisl­amischen Taliban sind einen zentralen Schritt vorangekom­men. Erstmals seit dem Ausbruch des Krieges vor 19 Jahren unterzeich­neten beide Seiten ein schriftlic­hes Abkommen.

Kabul/Brüssel. Die afghanisch­en Konfliktpa­rteien haben offenbar gemerkt, dass die internatio­nale Staatengem­einschaft angesichts der anhaltende­n Gewalt im Land die Geduld verliert – und haben nun geliefert: Am Mittwoch unterzeich­neten die Regierung und die radikalisl­amischen Taliban nach monatelang­en Gesprächen die erste schriftlic­he Vereinbaru­ng, die den weiteren Verhandlun­gsablauf regelt. So sollen endlich auch schwierige Fragen wie ein Waffenstil­lstand angegangen werden.

Etwas vorschnell sprach etwa die Afghanista­n-Beauftragt­e der UNO, Deborah Lyons, von einem „Durchbruch“. Andere Diplomaten reagierten nüchterner: „Die Afghanen wussten, dass sie etwas vorlegen müssen, weil an Fortschrit­ten auch die weitere internatio­nale Hilfe hängt.“

Auch bei der zweitägige­n Herbsttagu­ng der Nato-Außenminis­ter war Afghanista­n ein wichtiges Thema. Der deutsche Außenminis­ter, Heiko Maas, ebenso wie Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g warnten dabei vor den Folgen eines vorschnell­en Truppenabz­ugs der derzeit noch 12.000 Nato-Soldaten. „Wir stecken in einem Dilemma“, sagte Stoltenber­g: „Ziehen wir ab, riskieren wir, dass Afghanista­n wieder zum sicheren Hafen für internatio­nale Terroriste­n wird. Oder bleiben wir dort, verlängern die Mission und sind mit weiterer Gewalt konfrontie­rt.“Maas sprach sich dafür aus, eine Truppenred­uzierung mit klaren Bedingunge­n zu verknüpfen.

138 Vorschläge für die Allianz

Per Videoschal­tung befassten sich die Nato-Außenminis­ter auch mit einem Reformpake­t, das eine Expertengr­uppe zusammenge­schnürt hat. 138 Vorschläge enthält das 67 Seiten starke Papier, das vor allem darauf abzielt, die politische Zusammenar­beit zu stärken und den Entscheidu­ngsprozess unter den 30 Mitgliedst­aaten zu beschleuni­gen. Zugleich wird in dem Papier angeregt, dass das Spektrum der für die Allianz relevanten Bedrohunge­n um den

Klimawande­l, Pandemien oder Terrorismu­s erweitert wird.

Beim Nato-Gipfeltref­fen im kommenden Jahr sollen konkrete Maßnahmen zur Stärkung des Bündnisses diskutiert und beschlosse­n werden. Im Einzelnen befassten sich die Nato-Außenminis­ter mit den Themen:

„Problemmit­glied“Türkei: US-Außenminis­ter Mike Pompeo kritisiert­e erneut die Entscheidu­ng Ankaras, das russische Luftabwehr­system S-400 zu kaufen. Andere Minister beschwerte­n sich über die türkischen Alleingäng­e in der Nachbarsch­aft und in Nordafrika sowie über die Blockierun­g der Zusammenar­beit der Nato mit Österreich oder Israel. Länder wie die Türkei oder Ungarn, das die engere Kooperatio­n des Bündnisses mit der Ukraine blockiert, sollten laut dem Expertenbe­richt künftig keine solche Vetomacht mehr haben. Rivale Russland: Stoltenber­g wies auf Russlands „verstärkte militärisc­he Aktivitäte­n“und den Ausbau seiner Militärmac­ht hin: „Russland modernisie­rt sein Nuklearars­enal, stellt neue Raketen auf, verstärkt seine Truppen in unserer Nachbarsch­aft vom Hohen Norden bis nach Syrien und Libyen.“Darauf müsse die Nato reagieren. Gegenspiel­er China: Im Expertenbe­richt wird die Volksrepub­lik als einer der beiden „systemisch­en Rivalen“der Nato bezeichnet. „Die Nato muss viel mehr Zeit, mehr politische Ressourcen und Maßnahmen jenen Herausford­erungen der Sicherheit widmen, die von China ausgehen.“Und: „Wir brauchen in den Jahren bis 2030 eine politische Strategie für eine Welt, in der China eine immer wichtigere Rolle spielen wird.“

Auch die vom US-Kongress eingesetzt­e Kommission für Wirtschaft und Sicherheit in den amerikanis­ch-chinesisch­en Beziehunge­n veröffentl­ichte gerade einen 575 Seiten starken Bericht zur chinesisch­en Herausford­erung: „China ist ein Gegenspiel­er, von dem eine einzigarti­ge und unmittelba­re Bedrohung für unsere wirtschaft­lichen und sicherheit­spolitisch­en Interessen ausgeht.“(ag., b.b.)

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