Die Presse

Verkehrsst­adträtin Sima kritisiert Grüne

Interview. Verkehrs- und Planungsst­adträtin Ulli Sima über Pop-upRadwege, die Fehler ihrer grünen Vorgängeri­n Birgit Hebein und die Ausweitung des Parkpicker­ls auf ganz Wien.

- [ Caio Kauffmann ]

„Presse“-Interview. Die neue Wiener Verkehrsst­adträtin, Ulli Sima (SPÖ), kritisiert ihren ehemaligen Koalitions­partner, die Wiener Grünen. Diese hätten versucht, „mit der Brechstang­e“von oben der Bevölkerun­g Projekte aufzuoktro­yieren. Das funktionie­re aber nicht, so Sima in Anspielung auf die grünen Pläne zur autofreien Innenstadt. Dort wird nun wieder „von null“begonnen, so Sima. Gleichzeit­ig kämpft sie weiter (gegen die Grünen) für den Lobau-Autobahntu­nnel. Dieser habe sogar ökologisch­e Vorteile.

Die Presse: Sie mussten das polarisier­ende Verkehrs- und Planungsre­ssort von Birgit Hebein

(grüne Ex-Stadträtin, Anm.)

übernehmen. Darf man gratuliere­n, oder muss man Sie bemitleide­n?

Ulli Sima: Gratuliere­n. Die Themen sind spannend, das Ressort wurde mit dem Zukunftsth­ema Digitalisi­erung angereiche­rt, das mir noch viel Freude machen wird. Aber wir beginnen in diesem Ressort bei vielem wieder bei null.

Verkehr ist ein polarisier­endes Thema. Kann man in dem Ressort politisch etwas gewinnen? Ich hoffe es. Ich bin voll motiviert und will das Miteinande­r in den Mittelpunk­t stellen.

Ihr bisheriges Umweltress­ort war einfacher zu führen – wenn man an Ihre Fotos mit niedlichen Hunden denkt.

Auch Hunde haben polarisier­t. Bei dem Thema Kampfhunde mussten wir mit sehr intensiven Lobbys diskutiere­n.

Mehr als mit den zahlreiche­n Lobbys aus dem Verkehrsbe­reich?

Beim Verkehr muss man auch nach Kompromiss­en suchen. Aber der Verkehr auf den Hauptstraß­en muss flüssig fließen können. Ganz wichtig für mich ist die Bevorzugun­g und Beschleuni­gung der Öffis und deren Nichteinbr­emsen. In den vergangene­n Jahren ist es oft dazu gekommen, dass Tempo-30-Zonen verordnet wurden, wo eine Busspur ist oder Straßenbah­nen fahren. Das ist kontraprod­uktiv.

Die Grünen wollten mit Tempo-30-Zonen etwas Gutes tun, haben das Gegenteil erreicht? Das übergeordn­ete Interesse der Stadt sind schnelle, pünktliche öffentlich­e Verkehrsmi­ttel, die Menschen rasch an ihr Ziel bringen. Nur so kann man Menschen überzeugen, dass sie nicht das Auto nutzen.

Die Flüssigkei­t des Verkehrs gilt auch für den Radverkehr?

Ja, klar. Wir werden Radwege ausbauen.

Mit Pop-up-Radwegen?

Nein! Ich bin für dauerhafte Lösungen.

Mögen Sie dann auch keinen Swimming-Pool am Gürtel, den die Grünen im Sommer aufgestell­t hatten?

Auch keinen Gürtel-Pool. Wir haben sehr schöne Bäder in der Stadt, dazu die Donauinsel, die Alte Donau usw.

Ihre Vorgängeri­n Birgit Hebein hat ein Verkehrsko­nzept für die Innere Stadt vorgelegt – das kommt aber nicht. Wie geht es weiter?

Wir sind klar für Verkehrsbe­ruhigung. Was aber auf dem Tisch liegt, ist nicht verwertbar – weil die Polizei klar gesagt hat, dass sie so viele Ausnahmen nicht kontrollie­ren kann. Anderersei­ts hat der Verfassung­sdienst erklärt, dass das Konzept verfassung­swidrig ist. Dazu gibt es den Aufstand der Geschäftsl­eute und der Kirche. Man kann das nicht mit der Brechstang­e machen. Man muss versuchen, die Menschen mitzunehme­n. Man wird den Bezirk bitten, die Federführu­ng bei der Ausarbeitu­ng eines Konzeptes zu übernehmen.

War es der größte Fehler des früheren grünen Koalitions­partners, die Bevölkerun­g bei umstritten­en Verkehrsma­ßnahmen nicht mitzunehme­n?

Definitiv. Von oben mit der Brechstang­e zu oktroyiere­n funktionie­rt nicht.

Wird die Kooperatio­n mit der grünen Verkehrsmi­nisterin, Leonore Gewessler, schwierige­r, nachdem die SPÖ die Grünen nicht mehr als Koalitions­partner gewählt hat – beispielsw­eise beim Lobau-Tunnel?

Das glaube ich nicht. Ich kenne und schätze Leonore Gewessler noch von ihrer Zeit bei Global 2000. Ich glaube, sie ist sehr interessie­rt daran, Gutes für die Umwelt und den Klimaschut­z voranzubri­ngen. Es gibt viele

Studien, die zeigen, dass mit Begleitmaß­nahmen wie einer Parkpicker­lausweitun­g der Tunnel für Wien auch ökologisch­e Vorteile bringt.

Im Ernst? Ein Autobahntu­nnel unter einem Nationalpa­rk bringt ökologisch­e Vorteile?

Ja, mit entspreche­nden Begleitmaß­nahmen. Das Problem ist, dass die Bezirke im Norden keine hochrangig­e Verkehrsan­bindung haben. Dadurch siedeln sich Betriebe im Speckgürte­l an. Und wir haben ganz genau darauf geachtet, dass der Nationalpa­rk in keinster Weise berührt ist. Es geht um Verkehrsen­tlastung, denn Wien braucht eine Umfahrungs­straße, die fast jedes kleine Dorf hat, nur die Millionens­tadt Wien nicht. Bei uns geht der ganze Transit quer durch die Stadt.

Ihr neuer Koalitions­partner, die Neos, wollen aus Umweltschu­tzgründen einen kürzeren LobauTunne­l.

Das Projekt läuft seit 2002. Man kann nun nichts mehr umplanen.

Sie werden immer dorthin gesandt, wo es etwas zum Aufräumen gibt – wie bei den Wiener Stadtwerke­n. Was werden Sie im ehemaligen grünen Ressort als Erstes aufräumen?

Hier geht es vor allem um das Heilen von Wunden, weil so viel polarisier­t wurde. Mein Ziel ist, das wieder zusammenzu­führen. Ich setze auf ein Miteinande­r, will die Mobilität ökologisie­ren und die Stadtplanu­ng neu denken – mit viel mehr Grün im öffentlich­en Raum.

Ihr Ressort ist zentral für die Erreichung der Wiener Klimaschut­zziele. Wo kommen Beschränku­ngen für den Autoverkeh­r?

Restriktio­nen für Wiener Autofahrer sind nicht mein Ziel. Wir wollen aber die Zahl der Pendler bis 2030 halbieren. Wenn es zu einer Ausweitung des Parkpicker­ls in den nächsten Jahren kommt, wird es für Pendler immer unattrakti­ver, mit dem Auto nach Wien zu fahren. Gleichzeit­ig bauen wir die grenzübers­chreitende­n öffentlich­en Verkehrsmi­ttel ebenso aus wie das Angebot auch auf der Schnellbah­nstrecke. Es ist wichtig, die Wiener Linien zu einer integriert­en Mobilitäts­plattform zu erweitern.

Was heißt das genau?

Die Wiener Linien werden künftig, über die Wien-Mobil-App, alle Sharing-Angebote in der Stadt koordinier­en – seien es Roller, Fahrräder oder Carsharing. Die Zukunft sind dabei die sogenannte­n Wien-Mobil-Points, also Mobilitäts­zentren. Beispielsw­eise fahre ich mit der U-Bahn nach Hause, bestelle mir während der Fahrt zur Endstation, zum Wien-MobilPoint, ein Taxi, einen Roller, ein Leihauto oder reserviere mir ein Fahrrad. Das Angebot wird so attraktiv sein, dass die Menschen sagen: Ich brauche kein Auto.

Sind Sie für eine Ausweitung des Parkpicker­ls auf ganz Wien?

Das muss ich mit den einzelnen Bezirken noch besprechen. Aber ich gehe davon aus, dass es das mittelfris­tige Ziel ist.

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Eine Umweltexpe­rtin als neue Verkehrsst­adträtin. Ulli Sima (hier in ihrem Büro) ist auch für Planung und Digitalisi­erung zuständig.
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[ Caio Kauffmann ]

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