Das Söldner-Schlachtfeld Libyen
Bürgerkrieg. 20.000 ausländische Kämpfer sind laut UN-Sondergesandter Williams in Libyen aktiv. Gemäß Friedensplan sollten sie abziehen, doch die externen Player haben andere Absichten.
Wien/Tripolis. Es waren eindringliche Worte, die die UN-Sondergesandte an ihre libyschen Gesprächspartner richtete: „Sie haben eine ernsthafte Krise wegen der ausländischen Präsenz in ihrem Land“, warnte Stephanie Williams während eines Online-Treffens des Libyschen Politischen Dialogforums. 20.000 Söldner und Angehörige ausländischer Truppen seien derzeit in Libyen aktiv; zehn Militärbasen im Land würden völlig oder zumindest teilweise von ausländischen Kräften kontrolliert, sagte Williams. „Das ist eine schockierende Verletzung der libyschen Souveränität.“
Die amerikanische Diplomatin, die im Namen der Vereinten Nationen den Friedensprozess in Libyen überwacht, sprach auch von einer „eklatanten Verletzung des Waffenembargos“durch externe Player. „Sie überschütten Ihr Land mit Waffen – Waffen, die das Land nicht braucht.“
Nach zähen Verhandlungen haben sich die libyschen Kriegsparteien und ihre jeweiligen internationalen Helfer auf einen Friedensfahrplan geeinigt. Er sieht unter anderem vor, dass das schon seit Jahren bestehende UN-Waffenembargo endlich eingehalten wird. Und dass alle ausländischen Kämpfer binnen 90 Tagen aus Libyen abziehen. Doch die externen Kräfte, die in dem Land mitmischen, haben ihre eigene Agenda.
Türkei
Einer der wichtigsten ausländischen Player in Libyen ist die Türkei. Ankara unterstützt die international anerkannte Regierung des Premiers, Fayez al-Sarraj, und die mächtigen Milizen aus der Stadt Misrata, die zuletzt auf der Seite von Sarraj gekämpft haben. Das Eingreifen der Türkei hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Regierung Sarraj die Offensive des Generals Khalifa Haftar auf die Hauptstadt Tripolis zurückschlagen konnte. Ankara entsandte Spezialkräfte, die mit türkischen Kampfdrohnen in die Gefechte eingriffen. Zudem sind nach wie vor türkische Militärberater in Libyen aktiv, die Soldaten regierungstreuer Einheiten ausbilden.
Während der Gefechte um Tripolis brachte Ankara auch Söldner aus Syrien nach Libyen. Sie wurden vor allem in den Gebieten Nordsyriens rekrutiert, die die Türkei mithilfe verbündeter syrischer Milizen kontrolliert. Ein Report des US-Verteidigungsministeriums vom September berichtete von 5000 syrischen Söldnern, die von der Türkei in Libyen eingesetzt wurden. Andere Schätzungen gehen sogar von 15.000 Milizionären aus. Kämpfer aus Syrien zogen für Ankara zuletzt auch in Berg-Karabach im Kaukasus in die Schlacht.
Russland
Auch auf der anderen Seite der libyschen Bürgerkriegsfront – in den Reihen von General Haftar – sind laut dem US-Bericht rund 2000 syrische Söldner zum Einsatz gekommen. Sie wurden von Russland im Machtbereich des syrischen Präsidenten, Bashar al-Assad, angeworben. Der Kreml unterstützt nicht nur Assad in Syrien, sondern auch Haftar in Libyen.
Bei der Hilfe für den libyschen General spielt die russische Sicherheitsfirma Wagner eine wichtige Rolle. Schätzungen zufolge hat der Kreml mehr als 1000 Wagner-Söldner nach Libyen entsandt. Sie sollen unter anderem auf einer Basis bei Sirte stationiert sein.
Vereinigte Arabische Emirate
Neben Russland und Ägypten zählen die Vereinigten Arabischen Emirate zu Haftars wichtigsten Unterstützern. Die Emirate sorgen für finanzielle Hilfe, militärische Ausrüstung und haben Spezialkräfte im Einsatz. In der Schlacht um Tripolis unterstützten Experten aus den Emiraten mit Kampfdrohnen den Vormarsch Haftars. Zudem soll der General – mit Geld aus den Golfstaaten – auch Söldner aus dem Sudan angeheuert haben.
Trotz anderslautender Vereinbarungen scheinen die Hilfslieferungen auf beiden Seiten der Front weiterzugehen. Die internationalen Player wollen ihre Machtstellung in Libyen nicht aufgeben.