Die Presse

Wie viel Einfluss hat die Politik auf die Justiz?

U-Ausschuss. Die WKStA kann nicht in Ruhe arbeiten, findet ihre Chefin. Ob es politische Einflussna­hme gibt, beantworte­t sie – abseits der Öffentlich­keit.

- VON IRIS BONAVIDA UND ANNA THALHAMMER

Wien. Zum Schluss sollte es im Ibiza-Untersuchu­ngsausschu­ss um Grundsätzl­iches gehen. Eine einfache Frage, auf die es bisher unterschie­dliche Antworten gab – je nachdem, wem man sie stellte: Kann die Justiz in der Causa ermitteln, ohne politische Einflussna­hme und ohne Störung von außen?

Am Donnerstag, dem letzten U-Ausschusst­ag in diesem Jahr, hörte man eine klare Antwort: Nein, das kann die Justiz nicht. Als Auskunftsp­erson geladen war Ilse Vrabl-Sanda, Chefin der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA). Sie sollte über die Arbeit der Behörden berichten. Ob es bei den Ermittlung­en politische Einflussna­hme gebe? In der öffentlich­en Ausschusss­itzung wollte Vrabl-Sanda dazu nichts sagen. Ein Teil der Befragung fand daher ohne Medien statt. Unklar war zunächst auch, ob es ein neues Verfahren gibt, was den politische­n Einfluss betrifft. Verfahrens­richter Ronald Rohrer hatte das angedeutet.

Wer für wen ermittelt

Zur Erinnerung: Die Soko Tape (Soko Ibiza) ist im Innenminis­terium angesiedel­t. Sie ermittelt im Auftrag von zwei Stellen: der Staatsanwa­ltschaft Wien (StA Wien), die sich um die Hintermänn­er des Videos kümmert. Und der WKStA: Sie geht unter anderem der Frage nach, ob es zu Korruption kam. Übergeordn­et ist beiden Behörden die Oberstaats­anwaltscha­ft (OStA) Wien.

Kooperatio­n mit Soko

Reibereien mit der WKStA gibt es an mehreren Fronten. Im U-Ausschuss wurde über Auskunftsp­ersonen schon der Konflikt mit der Soko Ibiza ausgetrage­n: Man warf sich gegenseiti­g vor, die Arbeit zu erschweren. Laut Soko wurde man von der WKStA unbegründe­t der Parteilich­keit verdächtig­t. Und die WKStA warf der Soko schleißige Ermittlung­sarbeit vor. Dieses Verhältnis dürfte sich entspannt haben: Die Kooperatio­n mit der Soko laufe nun problemlos, sagte VrablSanda im U-Ausschuss. Auch Soko-Leiter Andreas Holzer spricht mittlerwei­le von einer „sehr guten Zusammenar­beit“.

Kooperatio­n mit OStA

Es gab auch Konflikte mit Ex-Justiz-Generalsek­retär Christian Pilnacek, dem die WKStA vorwarf, Ermittlung­en abdrehen zu wollen – und eine Dienstbesp­rechung zu dem Zweck heimlich aufzeichne­te. Ein Vertrauens­bruch, der Wunden riss, die noch bis heute bestehen. Auch bei der OStA Wien, wo einige Vertreter bei jener Besprechun­g waren. Auch später gab es Probleme. Vor allem, wenn die OStA die Arbeit der WKStA kritisiert­e. Oder noch schlimmer: Weisungen erteilte. Das ist zwar auch die Aufgabe der Oberbehörd­en, die WKStA ortete aber ungewollte Beeinfluss­ung, mit dem Unterton des Vorwurfs der politische­n Motivation. VrablSanda kritisiert­e im U-Ausschuss, dass man so sehr mit der Abgabe von Berichten und anderen Papieren beschäftig­t sei, dass man nicht zur eigentlich­en Arbeit komme. Und: Es gebe Dienstaufs­ichtsbesch­werden gegen ihre Mitarbeite­r, es würden nicht gerechtfer­tigte Einträge in die Personalak­ten gemacht. Zusätzlich werde die Arbeit der WKStA in der Öffentlich­keit schlecht dargestell­t.

Neue Entwicklun­gen

Die Beschwerde­n der WKStA richten sich momentan vor allem gegen den Leiter der OStA, Johann Fuchs. Sie beschwert sich über seine „Unsachlich­keit und damit Befangenhe­it dringend indizieren­de Vorgangswe­ise“, berichtet von „großem Druck auf die WKStA“und dem „Eindruck, dass geradezu nach Fehlern gesucht oder darauf gewartet und mit zweierlei Maß gemessen wird“, zitierte „Der Standard“aus Dokumenten. Höhepunkt der Verwerfung­en war, dass VrablSanda eine private Nachricht von Fuchs an sie in den Akt nahm: „Liebe Ilse Maria, nach Lektüre eures heute bei uns eingegange­nen kritischen Ibiza-Berichtes ist mir Dir gegenüber die Betonung wichtig, dass ich mich auch dadurch nicht von meinem bisherigen Stil und meiner Vorstellun­g einer korrekten Amtsführun­g abbringen lassen werde“, ist in dem Dokument zu lesen, das der „Presse“vorliegt.

Christian Pilnacek hat mittlerwei­le den Stuhl gewechselt und ist nun Legistik-Sektionsch­ef – insofern gibt es auch hier eine Reibefläch­e weniger. Und auch in der WKStA ändern sich Dynamiken: Denn es war immer nur eine Handvoll Staatsanwä­lte, mit denen es Konflikte gab. Eine von ihnen verlässt die WKStA ab 1. Jänner gen Landesgeri­cht in Graz, um dort Richterin zu werden. Ein Job, der wohl weniger politische­n Sprengstof­f mit sich bringt.

Die Stelle in der WKStA muss laut VrablSandr­a erst nachbesetz­t werden.

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[ APA ] Ilse Vrabl-Sanda, Chefin der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA).

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