Wie viel Einfluss hat die Politik auf die Justiz?
U-Ausschuss. Die WKStA kann nicht in Ruhe arbeiten, findet ihre Chefin. Ob es politische Einflussnahme gibt, beantwortet sie – abseits der Öffentlichkeit.
Wien. Zum Schluss sollte es im Ibiza-Untersuchungsausschuss um Grundsätzliches gehen. Eine einfache Frage, auf die es bisher unterschiedliche Antworten gab – je nachdem, wem man sie stellte: Kann die Justiz in der Causa ermitteln, ohne politische Einflussnahme und ohne Störung von außen?
Am Donnerstag, dem letzten U-Ausschusstag in diesem Jahr, hörte man eine klare Antwort: Nein, das kann die Justiz nicht. Als Auskunftsperson geladen war Ilse Vrabl-Sanda, Chefin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Sie sollte über die Arbeit der Behörden berichten. Ob es bei den Ermittlungen politische Einflussnahme gebe? In der öffentlichen Ausschusssitzung wollte Vrabl-Sanda dazu nichts sagen. Ein Teil der Befragung fand daher ohne Medien statt. Unklar war zunächst auch, ob es ein neues Verfahren gibt, was den politischen Einfluss betrifft. Verfahrensrichter Ronald Rohrer hatte das angedeutet.
Wer für wen ermittelt
Zur Erinnerung: Die Soko Tape (Soko Ibiza) ist im Innenministerium angesiedelt. Sie ermittelt im Auftrag von zwei Stellen: der Staatsanwaltschaft Wien (StA Wien), die sich um die Hintermänner des Videos kümmert. Und der WKStA: Sie geht unter anderem der Frage nach, ob es zu Korruption kam. Übergeordnet ist beiden Behörden die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien.
Kooperation mit Soko
Reibereien mit der WKStA gibt es an mehreren Fronten. Im U-Ausschuss wurde über Auskunftspersonen schon der Konflikt mit der Soko Ibiza ausgetragen: Man warf sich gegenseitig vor, die Arbeit zu erschweren. Laut Soko wurde man von der WKStA unbegründet der Parteilichkeit verdächtigt. Und die WKStA warf der Soko schleißige Ermittlungsarbeit vor. Dieses Verhältnis dürfte sich entspannt haben: Die Kooperation mit der Soko laufe nun problemlos, sagte VrablSanda im U-Ausschuss. Auch Soko-Leiter Andreas Holzer spricht mittlerweile von einer „sehr guten Zusammenarbeit“.
Kooperation mit OStA
Es gab auch Konflikte mit Ex-Justiz-Generalsekretär Christian Pilnacek, dem die WKStA vorwarf, Ermittlungen abdrehen zu wollen – und eine Dienstbesprechung zu dem Zweck heimlich aufzeichnete. Ein Vertrauensbruch, der Wunden riss, die noch bis heute bestehen. Auch bei der OStA Wien, wo einige Vertreter bei jener Besprechung waren. Auch später gab es Probleme. Vor allem, wenn die OStA die Arbeit der WKStA kritisierte. Oder noch schlimmer: Weisungen erteilte. Das ist zwar auch die Aufgabe der Oberbehörden, die WKStA ortete aber ungewollte Beeinflussung, mit dem Unterton des Vorwurfs der politischen Motivation. VrablSanda kritisierte im U-Ausschuss, dass man so sehr mit der Abgabe von Berichten und anderen Papieren beschäftigt sei, dass man nicht zur eigentlichen Arbeit komme. Und: Es gebe Dienstaufsichtsbeschwerden gegen ihre Mitarbeiter, es würden nicht gerechtfertigte Einträge in die Personalakten gemacht. Zusätzlich werde die Arbeit der WKStA in der Öffentlichkeit schlecht dargestellt.
Neue Entwicklungen
Die Beschwerden der WKStA richten sich momentan vor allem gegen den Leiter der OStA, Johann Fuchs. Sie beschwert sich über seine „Unsachlichkeit und damit Befangenheit dringend indizierende Vorgangsweise“, berichtet von „großem Druck auf die WKStA“und dem „Eindruck, dass geradezu nach Fehlern gesucht oder darauf gewartet und mit zweierlei Maß gemessen wird“, zitierte „Der Standard“aus Dokumenten. Höhepunkt der Verwerfungen war, dass VrablSanda eine private Nachricht von Fuchs an sie in den Akt nahm: „Liebe Ilse Maria, nach Lektüre eures heute bei uns eingegangenen kritischen Ibiza-Berichtes ist mir Dir gegenüber die Betonung wichtig, dass ich mich auch dadurch nicht von meinem bisherigen Stil und meiner Vorstellung einer korrekten Amtsführung abbringen lassen werde“, ist in dem Dokument zu lesen, das der „Presse“vorliegt.
Christian Pilnacek hat mittlerweile den Stuhl gewechselt und ist nun Legistik-Sektionschef – insofern gibt es auch hier eine Reibefläche weniger. Und auch in der WKStA ändern sich Dynamiken: Denn es war immer nur eine Handvoll Staatsanwälte, mit denen es Konflikte gab. Eine von ihnen verlässt die WKStA ab 1. Jänner gen Landesgericht in Graz, um dort Richterin zu werden. Ein Job, der wohl weniger politischen Sprengstoff mit sich bringt.
Die Stelle in der WKStA muss laut VrablSandra erst nachbesetzt werden.