Der Alarmruf des politischen Schlachtrosses Hannes Androsch
Buch. Was der Alt-Vizekanzler jetzt in Zeiten der Coronakrise täte.
Dies ist die Handreichung eines politischen Schlachtrosses für die Enkelgeneration. Der 83-jährige Hannes Androsch setzt mit seinem neuesten Buch dort fort, wo er 2013 mit „Das Ende der Bequemlichkeit“aufgehört hat. Damals warnte er die aktuell Regierenden vor Versäumnissen, die Österreich den Anschluss an den Zug der Zeit verbauen könnten. Inzwischen sind sieben Jahre vergangen. Und dann kam Corona.
„Natürlich ist es kein Krieg, der gegen das Virus geführt wird, wie forsche Politiker uns weismachen wollen“, merkt Androsch spitz an. Daher sei auch die Analogie zum Wiederaufbau der Nachkriegszeit unscharf. „Dennoch ist klar, dass 2020 eine Zäsur ungeahnten Ausmaßes darstellt. In einer ganzen Reihe von europäischen Ländern schrumpft die Wirtschaft so stark wie seit der Weltwirtschaftskrise 1929 nicht mehr, in Österreich voraussichtlich um minus acht Prozent.“Eine Rückkehr zur „alten Normalität“werde es nicht geben. Jetzt bedürfe es einer Gebrauchsanweisung, wie die Blockaden, die das Land lähmen, zu lösen seien.
In seiner Lieblingsrolle als „Elder Statesman“scheut Androsch auch keine Pointen: „Die neuen, in der Regel extrem jungen Machthaber haben gelernt, wie man mit Zinnsoldaten spielt, aber nicht, wie man eine Schlacht schlägt“, spottet er, der einst als jüngster Finanzminister ins politische Leben eintrat. Er war 1970 jünger, als es der aktuelle Bundeskanzler heute ist.
Aber er besitzt inzwischen einen Erfahrungsschatz, den er gern mit jenen teilen würde, die heute anzuschaffen haben. Androschs Lieblingsthema Bildung wird in Variationen abgehandelt: „Das einzige Ziel der ÖVP scheint zu sein, die . . . Bildungsprivilegien am Leben zu erhalten. Die Fixierung auf das Langzeitgymnasium, eine De-factoHalbtagsschule mit 14 Ferienwochen pro Jahr und nachweislich sinkendem Niveau, ist nicht nur bildungspolitisch, sondern auch volkswirtschaftlich gefährlich. Besonders bitter ist, dass auch der SPÖ der Sinn für Bildungsthemen abhanden gekommen zu sein scheint.“Entrümpelung sei angesagt: In der Pflichtschule Konzentration auf Rechnen, Schreiben, Lesen, dazu Informatik als viertes Hauptfach und Fremdsprachen.
Die alten sozialistischen Werte seien auch in Coronazeiten voll gültig, postuliert Androsch. Bei allem Respekt vor intellektuellen Höhenflügen, die Grundbedürfnisse seien immer gleich: Beschäftigung, Wohnen, Bildung, Gesundheits- und Altersversorgung. Und Sicherheit. Für all dies müsse die Sozialdemokratie ein zeitgemäßes Angebot machen, rät der Ex-Politiker.
Und auch für Europas Spitzenakteure hat er einen Rat parat: „Europa muss sich auf die eigenen Beine stellen und eine klare Position zwischen den USA und China finden. Wir brauchen beide: die Amerikaner wegen des Sicherheitsschirms, die Chinesen für die Zusammenarbeit in Wirtschaftsfragen . . . Diese wechselseitige Abhängigkeit sollte uns nicht davon abhalten, stärker eigenständige Positionen zu entwickeln, vor allem im Hochtechnologiebereich, vom Internet über Cloud bis zu Navigationssystemen.“
Ohne ein Konjunkturprogramm mit „zumindest 15 Milliarden Euro“werde Österreich den Arbeitsmarkt nicht wieder ankurbeln können, befürchtet Androsch. Und so gesehen nähert er sich in seiner Schlussthese dem alten Kreisky, dem ja auch ein paar Milliarden mehr Schulden weniger schlaflose Nächte bereitet hatten als Millionen Menschen ohne Halt und Perspektive. Hannes Androsch: „Was jetzt zu tun ist“
Brandstätter-Verlag 144 Seiten, 22 €