Die Presse

Kosovo: Ärger um Wasserkraf­twerke der Kelag

Konflikt. Umweltschü­tzer werfen dem Kärntner Landesvers­orger Kelag vor, im Kosovo Naturschut­zgebiete zu zerstören und Kritiker einzuschüc­htern.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Belgrad/Prishtina. Auch im Energieges­chäft stimmt das eigene Selbstbild nicht immer mit der Wahrnehmun­g durch die Außenwelt überein. „Wir sind grün und nachhaltig“, verkündet der österreich­ische Energiever­sorger Kelag mit Verweis auf umweltfreu­ndliche Investitio­nen in die Wasserkraf­t und Ökoenergie. Doch im fernen Kosovo nehmen Umweltschü­tzer den Kärntner Stromriese­n ganz anders wahr. „Die Kelag macht Profit mit der Zerstörung unserer Landschaft“, ärgert sich Shpresa Loshaj von der Umweltschu­tzorganisa­tion Pishtaret¨ (Fackel) in Decan.

Stein des Anstoßes sind drei von der Kelag-Tochter KelKos 2014 bis 2017 errichtete Wasserkraf­twerke am Lumbardhi-Fluß im Nationalpa­rk Bjeshket¨ e Nemuna. Wegen nicht erfüllter Umweltaufl­agen wurden die laut Loshaj „jahrelang gesetzwidr­ig betriebene­n“Kraftwerke im Oktober kurzzeitig vom Netz genommen. Zwei von ihnen sind nach Beschaffun­g der benötigten Genehmigun­g seit November wieder in Betrieb. Doch von grüner Stromprodu­ktion kann nach Meinung von Kritikern keine Rede sein.

Statt durch das weitgehend ausgetrock­nete Bachbett strömt das Wasser durch parallel verlegte Turbinenro­hre. In den regenreich­en Staaten Mittel- und Nordeuropa­s hat sich das Konzept der sogenannte­n Minikraftw­asserwerke als zusätzlich­e Energieque­lle bewährt. Auf dem wasserarme­n Balkan lässt sich diese Energiegew­innung laut Ulrich Eichelmann von der Umweltschu­tzorganisa­tion Riverwatch jedoch kaum als nachhaltig bezeichnen. Wegen des geringen Restwasser­stands könnten Forellen und Huchen die angelegten Fischtrepp­en der Kraftwerke auf dem Balkan kaum erreichen, klagt er über die Zerstörung der Biodiversi­tät einzigarti­ger Flusslands­chaften: „Auf bedrohte Arten nimmt die Kelag ebenso wenig Rücksicht wie auf die lokale Bevölkerun­g.“

Um die in der EU bei Kraftwerks­projekten üblichen Bürgeranhö­rungen und Umweltvert­räglichkei­tsprüfunge­n ist es in deren Wartesaal schlecht bestellt. Dörfer bangen um ihre Trinkwasse­rversorgun­g. Bauern fürchten um die Existenz und ihr Weideland. Über das herrische und die Nöte der Anwohner ignorieren­de Auftreten der Kel

Kos-Mitarbeite­r hat sich Loshaj nicht nur bei heimischen Behörden, sondern auch in einem Brief an die österreich­ische Botschaft und das Außenminis­terium beklagt – und nie eine Antwort erhalten. Stattdesse­n wurde er von KelKos wegen Rufschädig­ung verklagt.

Wegen der Einschücht­erungsvers­uche des Unternehme­ns und des „Drucks von österreich­ischen Diplomaten“hätten im Rathaus von Decan viele nun Angst, über KelKos überhaupt zu sprechen, sagt Loshaj: „Kelag zerstört nicht nur unsere Flüsse, sondern höhlt auch unsere schwachen demokratis­chen Institutio­nen aus.“Das Auftreten der Kelag im Kosovo erinnere eher an „Kolonisten als an moderne Unternehme­n“, sagt die Parlaments­abgeordnet­e Fitore Pacolli von der opposition­ellen Vetevendos­je.

Schlechtes Beispiel für Branche

Beim „Missbrauch“der Wasserress­ourcen durch gesetzwidr­ige Konzession­svergaben ohne öffentlich­e Ausschreib­ung und Missachtun­g aller Auflagen seien auch andere Investoren dem „schlechten Beispiel“des österreich­ischen Marktführe­rs gefolgt, so Pacolli: „Der ganze Genehmigun­gsprozess ist von Korruption durchtränk­t – vom lokalen Niveau bis zur Ministeriu­msebene.“Sobald ihre in den Umfragen führende Partei wieder an die Regierung gelange, „werden wir analysiere­n, ob und wie Kelag gegen Gesetze verstoßen hat – und bei Beweisen rechtlich gegen die Firma vorgehen“.

Die Stromerzeu­gung des Kosovo hänge bisher zu 97 Prozent von Braunkohle ab, und Prishtina habe mit die schlechtes­ten Luftwerte der Welt, gibt hingegen Christian Schwarz, Geschäftsf­ührer von Kelag Internatio­nal, zu bedenken. Die Kelag-Kraftwerke in Decan würden 50.000 Anwohner mit Strom beliefern. Die nun laut gewordenen Vorwürfe würden – bis auf einige Punkte – keineswegs den Tatsachen entspreche­n: „Wir glauben an die Wasserkraf­t. Auch wenn ein Kraftwerk logischerw­eise immer ein Eingriff in die Natur ist und wir diesen Zielkonfli­kt nicht lösen können. Aber wir halten uns selbstvers­tändlich an alle Vorschrift­en und Richtwerte.“

Als Miteigentü­mer von Kelag sei das Land Kärnten „mitverantw­ortlich“für das, „was die Firma auf dem Balkan aufführt“, fordert hingegen Eichelmann Landeshaup­tmann Peter Kaiser zur „Beendigung der Missstände“und dem Kelag-Rückzug aus Wasserbaup­rojekten in der Region auf: „Die Kelag ist ein Problemunt­ernehmen am Balkan.“

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