Kosovo: Ärger um Wasserkraftwerke der Kelag
Konflikt. Umweltschützer werfen dem Kärntner Landesversorger Kelag vor, im Kosovo Naturschutzgebiete zu zerstören und Kritiker einzuschüchtern.
Belgrad/Prishtina. Auch im Energiegeschäft stimmt das eigene Selbstbild nicht immer mit der Wahrnehmung durch die Außenwelt überein. „Wir sind grün und nachhaltig“, verkündet der österreichische Energieversorger Kelag mit Verweis auf umweltfreundliche Investitionen in die Wasserkraft und Ökoenergie. Doch im fernen Kosovo nehmen Umweltschützer den Kärntner Stromriesen ganz anders wahr. „Die Kelag macht Profit mit der Zerstörung unserer Landschaft“, ärgert sich Shpresa Loshaj von der Umweltschutzorganisation Pishtaret¨ (Fackel) in Decan.
Stein des Anstoßes sind drei von der Kelag-Tochter KelKos 2014 bis 2017 errichtete Wasserkraftwerke am Lumbardhi-Fluß im Nationalpark Bjeshket¨ e Nemuna. Wegen nicht erfüllter Umweltauflagen wurden die laut Loshaj „jahrelang gesetzwidrig betriebenen“Kraftwerke im Oktober kurzzeitig vom Netz genommen. Zwei von ihnen sind nach Beschaffung der benötigten Genehmigung seit November wieder in Betrieb. Doch von grüner Stromproduktion kann nach Meinung von Kritikern keine Rede sein.
Statt durch das weitgehend ausgetrocknete Bachbett strömt das Wasser durch parallel verlegte Turbinenrohre. In den regenreichen Staaten Mittel- und Nordeuropas hat sich das Konzept der sogenannten Minikraftwasserwerke als zusätzliche Energiequelle bewährt. Auf dem wasserarmen Balkan lässt sich diese Energiegewinnung laut Ulrich Eichelmann von der Umweltschutzorganisation Riverwatch jedoch kaum als nachhaltig bezeichnen. Wegen des geringen Restwasserstands könnten Forellen und Huchen die angelegten Fischtreppen der Kraftwerke auf dem Balkan kaum erreichen, klagt er über die Zerstörung der Biodiversität einzigartiger Flusslandschaften: „Auf bedrohte Arten nimmt die Kelag ebenso wenig Rücksicht wie auf die lokale Bevölkerung.“
Um die in der EU bei Kraftwerksprojekten üblichen Bürgeranhörungen und Umweltverträglichkeitsprüfungen ist es in deren Wartesaal schlecht bestellt. Dörfer bangen um ihre Trinkwasserversorgung. Bauern fürchten um die Existenz und ihr Weideland. Über das herrische und die Nöte der Anwohner ignorierende Auftreten der Kel
Kos-Mitarbeiter hat sich Loshaj nicht nur bei heimischen Behörden, sondern auch in einem Brief an die österreichische Botschaft und das Außenministerium beklagt – und nie eine Antwort erhalten. Stattdessen wurde er von KelKos wegen Rufschädigung verklagt.
Wegen der Einschüchterungsversuche des Unternehmens und des „Drucks von österreichischen Diplomaten“hätten im Rathaus von Decan viele nun Angst, über KelKos überhaupt zu sprechen, sagt Loshaj: „Kelag zerstört nicht nur unsere Flüsse, sondern höhlt auch unsere schwachen demokratischen Institutionen aus.“Das Auftreten der Kelag im Kosovo erinnere eher an „Kolonisten als an moderne Unternehmen“, sagt die Parlamentsabgeordnete Fitore Pacolli von der oppositionellen Vetevendosje.
Schlechtes Beispiel für Branche
Beim „Missbrauch“der Wasserressourcen durch gesetzwidrige Konzessionsvergaben ohne öffentliche Ausschreibung und Missachtung aller Auflagen seien auch andere Investoren dem „schlechten Beispiel“des österreichischen Marktführers gefolgt, so Pacolli: „Der ganze Genehmigungsprozess ist von Korruption durchtränkt – vom lokalen Niveau bis zur Ministeriumsebene.“Sobald ihre in den Umfragen führende Partei wieder an die Regierung gelange, „werden wir analysieren, ob und wie Kelag gegen Gesetze verstoßen hat – und bei Beweisen rechtlich gegen die Firma vorgehen“.
Die Stromerzeugung des Kosovo hänge bisher zu 97 Prozent von Braunkohle ab, und Prishtina habe mit die schlechtesten Luftwerte der Welt, gibt hingegen Christian Schwarz, Geschäftsführer von Kelag International, zu bedenken. Die Kelag-Kraftwerke in Decan würden 50.000 Anwohner mit Strom beliefern. Die nun laut gewordenen Vorwürfe würden – bis auf einige Punkte – keineswegs den Tatsachen entsprechen: „Wir glauben an die Wasserkraft. Auch wenn ein Kraftwerk logischerweise immer ein Eingriff in die Natur ist und wir diesen Zielkonflikt nicht lösen können. Aber wir halten uns selbstverständlich an alle Vorschriften und Richtwerte.“
Als Miteigentümer von Kelag sei das Land Kärnten „mitverantwortlich“für das, „was die Firma auf dem Balkan aufführt“, fordert hingegen Eichelmann Landeshauptmann Peter Kaiser zur „Beendigung der Missstände“und dem Kelag-Rückzug aus Wasserbauprojekten in der Region auf: „Die Kelag ist ein Problemunternehmen am Balkan.“