Hier finden Sie im Museum Musik und Theater
Ausstellungen. Das LeopoldMuseum eröffnet mit Josef Maria Auchentaller und dem Bühnenbildner Emil Pirchan.
Kaum einer weiß, dass nicht nur Klimt einen Fries zur berühmten Beethoven-Ausstellung der Secession 1902 schuf, sondern sich im parallelen rechten Seitensaal noch drei andere Künstler malerisch zur Genien-Decke streckten. Der mit 14 Metern (Klimts misst 30 Meter) längste dieser anderen, allesamt verlorenen Bildhymnen stammte von Josef Maria Auchentaller: Zur „Freude, schöner Götterfunken“ließ er dort eine dionysische Prozession nackter Männer und Frauen einem Engelschor entgegenstreben. Halb zog er sie, halb ließ er sie niedersinken – im Vergleich zum Klimt-Fries noch sehr einem ungebrochen schönen, üppigen Jugendstil verpflichtet.
Ein großer Neuerer, gar strahlender Held, als der Beethoven von den Secessionisten stilisiert wurde, war der 1865 in eine Seidenhändlerfamilie in Wien geborene Auchentaller keiner. Auch kein tapferer, charismatischer Ritter, wie Klimt Gustav Mahler in seinem Fries darstellte. Eher ein getreuer ästhetischer Diener des ornamentalen Gesamtkunstwerks, etwa als einer der Grafiker des „Ver Sacrum“und als Plakatkünstler.
Das Beethoven-Zimmer im Cottage
2009 hat das Leopold-Museum diesen Allrounder, der 1904 nach Grado zog und dort mit seiner Familie eine Pension betrieb, bereits in all seinen Facetten präsentiert. Jetzt ermöglicht es, wenn ab Dienstag wieder zugänglich, einen sehr speziellen, sehr wienerischen Einblick ins erstmals rekonstruierte Beethoven-Musikzimmer von Georg Adam Scheid, einem der größten Schmuckfabrikanten der Monarchie und Schwiegervater Auchentallers. Für wenige Jahre nur materialisierte sich so in einer Villa im Cottage-Viertel, der heutigen südkoreanischen Botschaft, ein kleines familiäres Gesamtkunstwerk: 1898/99 schuf Auchentaller einen fünfteiligen, den Sätzen der „Pastorale“folgenden Bilderzyklus. Das erste und einzige Mal, so die Kuratoren Dominik Papst und Werner
Telesko, dass damals eine gesamte Beethoven-Symphonie bebildert wurde.
Wofür sich die „Pastorale“anbot, hat Beethoven doch jedem Satz eine Beschreibung vorangestellt, der Auchentaller hier folgte. Das „Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande“stellt sich als Elfenreigen aller fünf Töchter Scheids dar (siehe Bild). Viele Birkenstämmchen schlängeln sich hier in die Höhe, auch die Holzverkleidung und Möbelbeschläge sind von Auchentaller entworfen. Das bunte
Glasfenster mit dem Pfau kann allerdings nur noch in der Trompe-L’OEil-Malerei der Rekonstruktion nachempfunden werden, es ist verloren. Überhaupt konnte man erst 2017 nachvollziehen, in welchem Zimmer, heute lauter Büroräume, der ganze privatmythologische Zauber zu verorten war.
Die Tradition des Musikzimmers florierte um 1900 jedenfalls. Gleichzeitig entstanden ist auch jenes im Palais Nikolaus Dumbas, für das Klimt seinen (heute verschollenen) „Schubert am Klavier“malte – die Ölskizze dazu ist ebenfalls in dieser feinen, kleinen Leopold-Ausstellung zu sehen. Wo auch die Beethoven-Ausstellung in der Secession angerissen wird – samt einem Architekturmodell, in dem man auch Auchentallers Fries entdecken kann. Was für eine dramatische Inszenierung das gewesen sein muss, das laut Carl E. Schorske ultimative Beispiel eines „kollektiven Narzissmus“: „Künstler (Secessionisten) zelebrieren einen Künstler (Klinger), der einen Helden der Kunst (Beethoven) zelebriert.“
Erste Pirchan-Retrospektive in Wien
Ob Emil Pirchan die Ausstellung gesehen hat? Ob besagte schlichte, aber effektive Inszenierung ihn beeindruckte? Ein Jahr darauf begann der 1884 in Brünn geborene junge Architekturbegeisterte jedenfalls in Wien bei Otto Wagner zu studieren. Und es sollen sich noch einige andere Querverbindungen zwischen diesen beiden, durch eine Generation getrennten Künstlern ziehen lassen. Pirchan ist parallel zu „Inspiration Beethoven“im Leopold-Museum eine erste große Einzelausstellung in Wien gewidmet. Sie hatte schon 2019 im Folkwang-Museum in Essen Premiere, wunderlicherweise, erlebt aber jetzt in einer besser gelungenen Gestaltung eine Art Heimkehr.
Erlebte Pirchan seine großen Stunden als Avantgarde-Bühnenbildner zwar im Berlin der Zwanzigerjahre, wo er als erster Projektionen einsetzte, so bildete Wien doch die Klammer seines Lebens und Werks. Die Secessionisten beeinflussten ihn eindeutig bei Möbel- und Plakatentwürfen. Und die Wiener Kunst-Akademie war ab 1936 der Hafen, wo er als erster Professor für Bühnenbild die NS-Zeit unauffällig überdauerte. Nach 1945 konnte er als einer von nur vier „unbelasteten“Professoren weiter unterrichten.
Die Aufarbeitung von Pirchans Nachlass, in Kisten auf einem Zürcher Dachboden gelagert, ist seinem Enkel Beat Steffan zu verdanken, der mit der Klimt-Foundation eine kapitale Monografie herausgeben konnte, die die Ausstellungen begleitet. Der Kreis schließt sich, wenn man darin auf die erste Klimt-Monografie stößt, die just Pirchan 1942 veranlasste. Sie gilt übrigens als Anstoß für die große Klimt-Ausstellung der Nazis in der Secession ein Jahr später.
Ab 8. 12., Mittwoch bis Sonntag sowie feiertags, 10–18h. In den Weihnachtsferien täglich geöffnet.