Der seltsame Fall eines Vorzugsschülers
Porträt. Ehrgeizig, eloquent, elegant: Der Weg von Karl-Heinz Grasser ist geprägt von „supersauberen“Leistungen und einer „schiefen Optik“.
Wien. KHG. Drei Buchstaben, ein Kürzel, zu oft strapaziert. „Korruption, Hinterziehung, Geschenkannahme“verstanden die Grünen 2004 auf einem Plakat darunter. „Korrupte haben Geld“bastelte ein Spielehersteller aus dem Akronym, das als Karl-Heinz Grassers Markenzeichen gilt. Doch was für ein Mensch ist der angeblich „zu schöne“Kärntner? Ein, so sind sich (politischer) Freund wie Gegenspieler einig, äußert eloquenter.
Das begann schon zu seiner Schulzeit. Er sei „ehrgeizig und fleißig“gewesen, heißt es in Klagenfurt, maturierte mit Auszeichnung und schloss sein Betriebswirtschaftsstudium in Mindestzeit ab. Mit 23 Jahren rief ihn Jörg Haider in den FPÖ-Parlamentsklub, ein Jahr darauf avancierte der Autohändlersohn zum Generalsekretär – an der Seite seines späteren Trauzeugen, Walter Meischberger. 14 Monate später wurde Grasser zweiter Vize-Landeshauptmann in Kärnten.
Es folgten der Bruch mit Haider, der Wechsel in die Privatwirtschaft – zu Magna Steyr und einem gewissen Frank Stronach – und die Rückkehr in die Politik: Auf die Aussöhnung mit Haider folgte im Februar 2000 die Kür zum Finanzminister. Zwar konnte Grassers pro-europäische Haltung die EUSanktionen gegen Schwarz-Blau nicht abwenden, doch bescherte er der FPÖ positive Schlagzeilen. Der Boulevard stilisierte ihn zum „Lieblingsschwiegersohn der Nation“. Auch, weil er, stets elegant gekleidet (wie Umfragen belegten), die Klaviatur der Medien gekonnt bespielte: „Das Land von den Schulden befreien“, um es nicht zu bereuen. „Mehr privat, weniger Staat“, das wolle er.
Trotzdem ging die Rechnung mit dem Nulldefizit nie ganz auf: Österreich kam zwar 2001 erstmals seit Jahrzehnten ohne Nettoneuverschuldung aus, die Null aber wurde mit der Rekordsteuerquote von 45,6 Prozent teuer erkauft. Und blieb eine Eintagsfliege.
Eine Wiederholung trug sich indes innerhalb der FPÖ zu: Abermals kam es zum Zerwürfnis mit Haider, das nun im „Knittelfelder Putsch“, Grassers Parteiaustritt und Neuwahlen gipfelte, nach denen der 33-Jährige seine Geschäfte als „parteiunabhängiger Finanzminister“(der im ÖVP-Bundesvorstand saß) unter Schwarz-Blau II fortführte.
Vom „Liebling“auf die Anklagebank
Ab 2003 trübten die „Homepage-Affäre“, ein Jachtturn mit Wolfgang Flöttl (Stichwort: Hypo) und Banker Julius Meinl V. sowie ein Urlaub auf den flutwellengebeutelten Malediven samt kostenlosem Flug-Upgrade das Sauber-Image. Grasser kümmerte das wenig: Er besuchte (ab 2005) mit Ehefrau Fiona Swarovski die „Seitenblicke“, setzte eine Steuerreform durch und ging auf „Roadshow“– um sich nach der Nationalratswahl 2006 wieder der Privatwirtschaft zu widmen. Diesmal aber mehr schlecht als recht: Seine Versuche im Agenturgeschäft (mit Meischberger), als Fondsbetreiber (mit Meinl) oder im Immobiliengeschäft (mit Ernst Plech) blieben bescheiden.
2009 sollte sich der (berufliche) Himmel völlig verfinstern: Die Buwog-Affäre brach auf. Hausdurchsuchungen, Telefonüberwachungen, Einvernahmen, wechselseitige Vorwürfe standen auf der Agenda – und Grasser wieder in den Medien. „Sie können davon ausgehen, dass ich ein supersauberes, reines Gewissen habe“, betont er seither. Auch der Umstand, dass er sich in der Causa seit 2017 als Angeklagter verantworten muss, änderte daran nichts. „Nicht schuldig“, beteuert er. Fest steht bislang: Die Unschuldsvermutung gilt, die Fortsetzung folgt.