Die Presse

Der rumänische Orban im Aufwind

Analyse. Der Sieg der Nationalli­beralen von Premier Ludovic Orban bei der Parlaments­wahl am Sonntag gilt als sicher – und die Suche nach einem Koalitions­partner schon jetzt als schwierig.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Bukarest/Belgrad. Aus seiner Skepsis gegenüber dem künftigen Regierungs­partner macht der Generalsek­retär von Rumäniens regierende­n Nationalli­beralen (PNL), Robert Sighiartau,˘ vor der sonntägige­n Parlaments­wahl kein Hehl. „Unkollegia­le Attacken“wirft er dem Antikorrup­tionsbündn­is USRPlus vor. Wenig Zuneigung also in den Zeiten von Corona.

Im Zeichen der Covid-19-Pandemie schreiten die Rumänen am Sonntag zu den Urnen. Wegen des Versammlun­gsverbots fand der Wahlkampf fast nur medial statt. Trotz fallender Umfragewer­te gilt der Sieg der seit 2019 regierende­n PNL von Premier Ludovic Orban als gewiss: Laut Umfragen können die Nationalli­beralen mit rund 30 Prozent der Stimmen rechnen.

Nach ihrem Erdrutschs­ieg von 2016 drohen den inzwischen auf die Opposition­sbank verbannten Sozialiste­n (PSD) zwar klare Verluste. Doch nach dem Debakel bei den Europawahl­en und der Inhaftieru­ng ihres wegen Korruption verurteilt­en Ex-Vorsitzend­en Liviu Dragnea 2019 hat die PSD unter dem neuen Parteichef, Marcel Ciolacu, den freien Fall stoppen können. Schon bei der Kommunalwa­hl im September zeigte sich die PSD stabilisie­rt: Mit rund einem Viertel der Stimmen dürfte sie sich als zweitstärk­ste Partei behaupten.

Mit prognostiz­ierten 15 bis 20 Prozent dürfte USR-Plus zur drittstärk­sten politische­n Kraft in Rumänien werden. Dynamisch drängt das Antikorrup­tionsbündn­is in die Regierung. In der Opposition gegen die PSD harmoniert­en PNL und USR noch recht gut. Doch seit den Kommunalwa­hlen ist das Verhältnis angespannt.

Gegenseiti­ge Animosität­en

In Städten wie Temeswar, Brasov¸ und Alba Iulia luchste die USR mit ihrem Feldzug gegen die „Systempart­eien“den Nationalli­beralen die Bürgermeis­terposten ab. Umgekehrt ärgert die USR, dass ihr in Bukarest mit Unterstütz­ung beider Parteien gewählter Parteigrün­der Nicusor¸ Dan nun die Wahlkampft­rommel für die PNL rührt.

Die PNL sei eine konservati­ve, von Protestant­en geprägte Partei, während sich die Wählerscha­ft der

USR aus jungen Wählern in den Städten zusammense­tze, erläutert der Analytiker Cristian Pirvulescu gegenüber der „Presse“: „Konservati­ve Politiker der PNL sind gegen die von Präsident Klaus Johannis forcierte Koalition mit der USR, weil diese ihnen zu liberal ist: Sie präferiere­n eine Koalition mit der christdemo­kratischen PMP von Ex-Präsident Traian Basescu˘ und der Partei der ungarische­n Minderheit UDMR.“Falls die PNL auf 35 Prozent kommt und gleichzeit­ig PMP und UDMR mit je fünf bis sieben Prozent den Sprung ins Parlament schaffen sollten, wäre eine Koalition rechtsgeri­chteter Parteien zwar „möglich“, rechnet Pirvulescu vor: „Aber wahrschein­lich ist das nicht.“

Tatsächlic­h könnte nicht nur das Wahlergebn­is, sondern auch der Präsident und frühere PNLChef Johannis die beiden stärksten bürgerlich­en Kräfte zu einem Regierungs­bündnis zwingen. Johannis werde beim Koalitions­poker eine „entscheide­nde Rolle“spielen, vermutet Pirvulescu. Als sein „politische­s Vermächtni­s“strebe er „grundlegen­de Reformen“in der Verfassung, der Verwaltung und dem Sicherheit­sapparat an: „Die Kraft, die das auch will, ist die USR, deshalb will Johannis sie in der Regierung: Und mithilfe der USR will er Premier Orban kontrollie­ren.“

Wer immer auch künftig regieren wird: Die Bewältigun­g der wirtschaft­lichen Folgen der Pandemie wird die größte Herausford­erung sein. Für 2020 wird mit einem Minuswachs­tum von 4,2 Prozent und dem Anstieg des Haushaltsd­efizits auf 9,1 Prozent gerechnet.

 ?? [ Daniel Mihailescu/picturedes­k.com ] ?? Nationalli­beralen-Chef Ludovic Orban hat gute Chancen, auch nach der Wahl Rumäniens Premier zu bleiben.
[ Daniel Mihailescu/picturedes­k.com ] Nationalli­beralen-Chef Ludovic Orban hat gute Chancen, auch nach der Wahl Rumäniens Premier zu bleiben.

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