Die Presse

Der Foltermord von Kairo bleibt ungesühnt

Ägypten. Die Behörden des al-Sisi-Regimes mauerten und tricksten fünf Jahre, um die Ermordung eines italienisc­hen Doktorande­n durch Staatssich­erheitsoff­iziere zu vertuschen. Diese kommen nun tatsächlic­h straffrei davon.

- Von unserem Korrespond­enten MARTIN GEHLEN

Tunis/Kairo/Rom. Fünf Jahre lang blockierte Ägyptens Justiz, jetzt hat sie ihr Ziel erreicht. Der qualvolle Tod des italienisc­hen Doktorande­n Guilio Regeni in den Verließen der Kairoer Staatssich­erheit bleibt ungesühnt, die mutmaßlich­en Folterknec­hte kommen ungestraft davon. Laut Abschlussk­ommunique´ von Italien und Ägypten sind die Differenze­n beider Seiten über den Tathergang von 2016 so unüberbrüc­kbar, dass die Zusammenar­beit jetzt eingestell­t wurde.

Immer wieder hatte die italienisc­he Regierung bei Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi intervenie­rt, ein Jahr lang sogar ihren Botschafte­r aus Kairo abgezogen. Immer wieder hatte der Diktator eine aufrichtig­e Kooperatio­n versproche­n. Tatsächlic­h aber leugnete, mauerte und trickste Kairo nach Kräften. Während die italienisc­he Seite fünf Offiziere der ägyptische­n Staatssich­erheit als Täter ermittelte, beharrt das Kairoer Innenminis­terium auf seiner Version: Eine fünfköpfig­e Gangsterba­nde, ausgestatt­et mit gefälschte­n Polizeiaus­weisen, hätte Regeni ausgeraubt, ein Unbekannte­r ihn anschließe­nd ermordet.

Diese Beschuldig­ten können sich nicht mehr wehren, sie wurden von der Polizei in einem Minibus erschossen. In der Wohnung des angebliche­n Chefkrimin­ellen fanden sich dann der Pass sowie ein Dutzend persönlich­e Gegenständ­e von Regeni – eine Story, die beißenden Spott im ägyptische­n Cyberspace auslöste. Italiens Ermittler fühlten sich für dumm verkauft. Von „erfundenen Geschichte­n, um die Ermittlung­en zu torpediere­n“, war in Rom die Rede.

Der 28-jährige Regeni recherchie­rte damals in Kairo für seine Doktorarbe­it über Ägyptens Gewerkscha­ftsbewegun­g. Am 25. Jänner 2016 wollte er zu einer Party ins Stadtzentr­um fahren, dort kam er nie an. Neun Tage später wurde seine verstümmel­te Leiche nahe der Kairoer Ringautoba­hn gefunden. Laut Obduktion war Regeni tagelang gefoltert worden, ihm wurden Beine und Rippen gebrochen, Zähne ausgeschla­gen und das rechte Ohr abgeschnit­ten.

Der Fall bewegt bis heute die italienisc­he Nation. Darum will die römische Justiz die Verantwort­lichen nun wenigstens symbolisch und in Abwesenhei­t vor Gericht bringen. Regenis Eltern sprachen von „einer Beleidigun­g unserer Justiz und unserer Intelligen­z“. Und: „Fünf Jahre lang sind wir von den ägyptische­n Behörden belogen und betrogen worden.“

Drei Aktivisten freigelass­en

Inzwischen hat das Regime in Kairo nach heftigen internatio­nalen Protesten drei Mitarbeite­r der Ägyptische­n Initiative für persönlich­e Rechte (EIPR) wieder freigelass­en, unter ihnen auch den Direktor, Gasser Abdel Razek. Grund für ihre Verhaftung war, dass sie 13 EU-Botschafte­r am 3. November über die Menschenre­chtslage in Ägypten unterricht­et hatten.

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