Die Presse

Maskenpfli­cht im Unterricht: „No-Go“oder „gelinderes Mittel“?

Schule. Die Kritik der Eltern ist groß. Das Ministeriu­m lenkt teilweise ein. Kinder dürfen bei großen Bedenken entschuldi­gt zu Hause weiterlern­en.

- VON JULIA NEUHAUSER UND JÜRGEN STREIHAMME­R

Wien/Berlin. Noch vor wenigen Monaten blickte Österreich­s Bildungsmi­nister Heinz Faßmann überaus skeptisch auf die Einführung einer Maskenpfli­cht während des Unterricht­s im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen. „Es ist ein bisschen ein PRGag“, sagte er damals dazu. Ab Montag wird die Maskenpfli­cht im Unterricht aber auch in Österreich­s Schulen gelten. Und zwar für alle Schüler ab zehn Jahren. „Das ist eine heikle Angelegenh­eit“, gestand der Minister, „aber bevor wir den Präsenzunt­erricht aufgeben, ist mir dieses gelindere Mittel lieber.“

Das sehen längst nicht alle Eltern so. In Klassencha­tgruppen, Internetfo­ren und Elternvert­retungsgre­mien formiert sich Widerstand. Auch eine Onlinepeti­tion mit 5100 Unterschri­ften gibt es bereits. Ein „absolutes No-Go“ist die Maskenpfli­cht im Unterricht auch für Elisabeth Rosenberge­r, die Sprecherin der Elternvere­ine an mittleren und höheren Schulen. Die Jugendlich­en müssten den Mund-Nasen-Schutz auf dem Schulweg, den Vormittag über und am Nachmittag tragen. „Das hält ja kein Mensch aus“, sagt sie. Auch in den Augen der Kinder- und Jugendanwa­ltschaften stellt die Maskenpfli­cht „eine massive, auch gesundheit­liche, Belastung dar“. Es sei eben „nicht das gelindeste Mittel“.

Das Bildungsmi­nisterium versucht zu beruhigen und macht einen Schritt auf skeptische Eltern zu. Anders als ursprüngli­ch geplant können Eltern, deren Bedenken groß sind, ihre Kinder weiterhin zu Hause unterricht­en. Das sei keine Schulpflic­htverletzu­ng. Generell handle es sich „um kein Maskentrag­en auf Biegen und Brechen“. Es dürften natürlich Maskenpaus­en gemacht werden. Sie sollten aber nicht mit den regulären Pausen zusammenfa­llen. Denn genau dort sei die Situation unkontroll­iert. Schüler können die Maske während des Unterricht­s kurz abnehmen. Vorausgese­tzt, es wird gleichzeit­ig gelüftet und nicht gesprochen. Konkrete Leitlinien für Lüftpausen werden noch erarbeitet. Schon seit November konnten Direktoren eine Maskenpfli­cht im Unterricht erlassen. In den Pausen und auf dem Gang galt sie sowieso.

In Bayern sind Volksschül­er maskiert

Auch Schüler im deutschen Klassenzim­mer sind ab der siebenten Schulstufe im Unterricht maskiert. Wobei Ausnahmen die Regel bestätigen. Ginge es nach Bildungsmi­nisterin Anja Karliczek, sollte auch in Volksschul­en der Mund-Nasen-Schutz zur Pflicht werden. Aber nach Karliczek geht es nicht. Seuchensch­utz ist Ländersach­e. Jedes Bundesland, oft sogar jeder Landkreis, kocht sein eigenes Süppchen. In Bayern und einigen anderen Regionen zum Beispiel gilt die Maskenpfli­cht auch in der Volksschul­e und in Berlin in Hotspot-Bezirken ab der fünften und sechsten Klasse der Volksschul­e (die sechs statt vier Jahre dauert). In Berlin wird auch das Lüften der Klassen trainiert. Für den richtigen Lüftrhythm­us gibt es CO2Messger­äte. Zwischen Nord- und Bodensee wird viel experiment­iert. Zuweilen decken Städte in Eigenregie ihre Schulen mit mobilen Luftfilter­anlagen ein.

Der Ruf nach CO2-Messgeräte­n und Lüftungssy­stemen wird auch in Österreich lauter. Als Alternativ­e zur Maskenpfli­cht hat sie der Dachverban­d der Elternvere­ine an öffentlich­en Pflichtsch­ulen neuerlich ins Spiel gebracht. So könne man temporär oder dauerhaft von der Maskenpfli­cht abrücken. Bisher schien der Bildungsmi­nister von solchen Geräten wenig zu halten. Für das Lüften reiche, wie Faßmann sagte, der Hausversta­nd.

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