Unstoppbare Pipeline unter Feuer
Analyse. Während die USA im Kampf gegen die umstrittene Nord Stream II nachlegen, startet Gazprom finale Bauarbeiten. Amerika wird die Gasleitung kaum noch verhindern.
Wien. Am heutigen Samstag beginnt das Endspiel um die 9,5 Milliarden Euro teure NordStream-II-Pipeline von Russland nach Europa. Nach einem Jahr Zwangspause nimmt die Projektgesellschaft der russischen Gazprom den Bau der letzten sechs Kilometer der 1230 Kilometer langen Erdgasleitung durch die Ostsee wieder auf. Zeitgleich erhöhen die USA den Druck auf das umstrittene Projekt. Washington stemmt sich seit Monaten mit Drohungen und Sanktionen gegen den Bau der Pipeline. Europa mache sich abhängig von Moskau, argumentieren die Vereinigten Staaten. Dass es Amerika auch darum geht, künftig mehr von seinem (teureren) Flüssiggas auf dem alten Kontinent zu verkaufen, bleibt meist unerwähnt.
In der Nacht auf Freitag segnete der USKongress jedenfalls das Gesetzespaket zum US-Verteidigungshaushalt ab und gab damit auch den Weg für eine Ausweitung der Sanktionen gegen am Bau beteiligte Unternehmen frei. Nord Stream II ist ein russisches Projekt, Financiers sind allerdings auch einige europäische Energiekonzerne, darunter die österreichische OMV.
EU-Regierungen sollen mitreden
Große Hoffnung auf einen plötzlichen Kurswechsel unter dem neuen US-Präsidenten, Joe Biden, dürfen sich die betroffenen Unternehmen nicht machen. Im Kongress waren sich Republikaner und Demokraten jedenfalls einig, dass Nord Stream II kurz vor dem Ziel noch gestoppt werden sollte. Die USA weiteten die Sanktionsdrohungen auch gegen Unternehmen aus, die den Bau versichern und die Röhre zertifizieren. Doch der Ton war deutlich konzilianter als zuletzt. So will Amerika nun keine europäischen Regierungen und Behörden mehr direkt ins Visier nehmen. Zudem sollen Regierungen von EU-Mitgliedern, der Schweiz, Norwegen und Großbritannien vorab konsultiert werden, wenn ihre Unternehmen potenziell auf der Sanktionsliste landen.
Vor knapp einem Jahr torpedierten die USA den Bau von Nord Stream II erfolgreich, indem sie Schweizer Schiffe, die Unterseerohre verlegt hatten, mit Sanktionen bedrohten. Moskau hatte damals angekündigt, die Arbeit mit eigenen Schiffen zu Ende bringen zu wollen. Nicht einmal zwölf Monate später ist Russland so weit. Doch nun könnten ausländische Versicherungen, Zertifizierer und andere Zuarbeiter abspringen, wenn auch ihnen Ungemach von den USA droht. Die neuen Sanktionen könnten den Bau über den Sommer 2021 hinaus verzögern, sagt Katja Yafimava vom Oxford Institute for Energy Studies zu Bloomberg. Aber Gazprom werde für jede neue Hürde eine Lösung finden. Die USA müssten „realisieren, dass sie das Projekt nicht stoppen können“.