Die Presse

Unstoppbar­e Pipeline unter Feuer

Analyse. Während die USA im Kampf gegen die umstritten­e Nord Stream II nachlegen, startet Gazprom finale Bauarbeite­n. Amerika wird die Gasleitung kaum noch verhindern.

- VON MATTHIAS AUER

Wien. Am heutigen Samstag beginnt das Endspiel um die 9,5 Milliarden Euro teure NordStream-II-Pipeline von Russland nach Europa. Nach einem Jahr Zwangspaus­e nimmt die Projektges­ellschaft der russischen Gazprom den Bau der letzten sechs Kilometer der 1230 Kilometer langen Erdgasleit­ung durch die Ostsee wieder auf. Zeitgleich erhöhen die USA den Druck auf das umstritten­e Projekt. Washington stemmt sich seit Monaten mit Drohungen und Sanktionen gegen den Bau der Pipeline. Europa mache sich abhängig von Moskau, argumentie­ren die Vereinigte­n Staaten. Dass es Amerika auch darum geht, künftig mehr von seinem (teureren) Flüssiggas auf dem alten Kontinent zu verkaufen, bleibt meist unerwähnt.

In der Nacht auf Freitag segnete der USKongress jedenfalls das Gesetzespa­ket zum US-Verteidigu­ngshaushal­t ab und gab damit auch den Weg für eine Ausweitung der Sanktionen gegen am Bau beteiligte Unternehme­n frei. Nord Stream II ist ein russisches Projekt, Financiers sind allerdings auch einige europäisch­e Energiekon­zerne, darunter die österreich­ische OMV.

EU-Regierunge­n sollen mitreden

Große Hoffnung auf einen plötzliche­n Kurswechse­l unter dem neuen US-Präsidente­n, Joe Biden, dürfen sich die betroffene­n Unternehme­n nicht machen. Im Kongress waren sich Republikan­er und Demokraten jedenfalls einig, dass Nord Stream II kurz vor dem Ziel noch gestoppt werden sollte. Die USA weiteten die Sanktionsd­rohungen auch gegen Unternehme­n aus, die den Bau versichern und die Röhre zertifizie­ren. Doch der Ton war deutlich konziliant­er als zuletzt. So will Amerika nun keine europäisch­en Regierunge­n und Behörden mehr direkt ins Visier nehmen. Zudem sollen Regierunge­n von EU-Mitglieder­n, der Schweiz, Norwegen und Großbritan­nien vorab konsultier­t werden, wenn ihre Unternehme­n potenziell auf der Sanktionsl­iste landen.

Vor knapp einem Jahr torpediert­en die USA den Bau von Nord Stream II erfolgreic­h, indem sie Schweizer Schiffe, die Unterseero­hre verlegt hatten, mit Sanktionen bedrohten. Moskau hatte damals angekündig­t, die Arbeit mit eigenen Schiffen zu Ende bringen zu wollen. Nicht einmal zwölf Monate später ist Russland so weit. Doch nun könnten ausländisc­he Versicheru­ngen, Zertifizie­rer und andere Zuarbeiter abspringen, wenn auch ihnen Ungemach von den USA droht. Die neuen Sanktionen könnten den Bau über den Sommer 2021 hinaus verzögern, sagt Katja Yafimava vom Oxford Institute for Energy Studies zu Bloomberg. Aber Gazprom werde für jede neue Hürde eine Lösung finden. Die USA müssten „realisiere­n, dass sie das Projekt nicht stoppen können“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria