Die Presse

„Ab Montag sind die Probleme nicht gelöst“

Interview. Handelsobm­ann Rainer Trefelik blickt auf ein schwierige­s Jahr zurück und warnt vor verfrühter Euphorie.

- DAVID FREUDENTHA­LER

Die Presse: Ab Montag haben die Geschäfte wieder geöffnet. Wie wichtig ist das für den Handel jetzt zum Weihnachts­geschäft? Rainer Trefelik: Es ist wahnsinnig wichtig, dass der stationäre Handel jetzt wieder aufsperren darf. Gerade in dieser umsatzstar­ken Zeit. Wir erleben aber schon seit Beginn der Krise ein extrem herausford­erndes Jahr. Vor allem der zweite Lockdown tut der Branche weh, weil er gerade in das so wichtige Vorweihnac­htsgeschäf­t gefallen ist, wenn viele Menschen in die Geschäfte gehen.

Mit der geschlosse­nen Gastronomi­e und dem fehlenden Tourismus fallen dem Handel zwei weitere wichtige Treiber weg.

Wenn die Gastronomi­e erst im Jänner wieder aufsperren kann, haben auch wir ein Problem. Das haben wir in den ersten beiden Novemberwo­chen mit massiven Umsatzeinb­ußen erlebt. Mit dem ausbleiben­den Tourismus wird auch der Handel massive Einbußen haben. Etwa beim Sportartik­elhandel im Westen, der sehr stark touristisc­h geprägt ist. Die werden zwar offen haben, aber kaum ein Geschäft machen. Auch der fehlende Städtetour­ismus wird vielen Händlern in den Innenstädt­en wehtun. Ohne die ausländisc­hen Gäste zwischen Weihnachte­n und Neujahr bricht eine wichtige Klientel weg. Das Aufsperren ist ein nötiger Schritt, aber löst nicht alle Probleme.

Viele fürchten, dass die Geschäfte ab Montag wieder gestürmt werden. Wie will man einen zu großen Ansturm verhindern?

Das ist ein schwierige­r Spagat, den wir schaffen müssen, und wir sind uns der Verantwort­ung bewusst. Wir haben Konzepte ausgearbei­tet, um zu sensibilis­ieren. Wir können einiges tun in den Geschäften. Davor wird sich die Polizei entspreche­nd einbringen. Irgendwo stehen wir aber an einem Punkt an, wo die berühmte Eigenveran­twortung ins Spiel kommt. Es wird auch nach dem Montag oder Dienstag noch ein ausreichen­des Angebot geben.

Wie wird es in den nächsten Wochen weitergehe­n?

Es wird ein Dezember sein, in dem man sagt: „Okay, retten wir, was zu retten ist.“Aber wir wissen, dass der Handel weit unter Wasser ist. Es gibt auch viele indirekt Betroffene. Etwa der Groß- und Agrarhande­l, die ihre Produkte an die Gastronomi­e liefern. Man muss in die Branchen detaillier­ter hineinscha­uen, sonst verzerrt man in vielen Bereichen die Ergebnisse.

Welche Branchen wurden am stärksten getroffen?

Im aktuellen Lockdown ist es

vor allem der Spiel- und Buchhandel, aber auch die Parfümerie. Deren Waren werden auch in anderen Läden im offenen Bereich verkauft. Übers ganze Jahr gesehen hat der Modehandel ein extrem schwierige­s Jahr hinter sich. Das ist nach dem Lebensmitt­elhandel sicher die größte Branche innerhalb des Handels. Durch den Lockdown fehlen wichtige Wochen des Ertrag bringenden Verkaufs. Wer nur im Ausverkauf verkaufen kann, dem bleibt nicht viel übrig. Auch im Sportartik­elhandel haben einige massiv zu kämpfen. Nicht alle verkaufen E-Bikes.

Sie betreiben selbst ein Modehaus im ersten Bezirk. Wie trifft Sie die Krise als Geschäftsm­ann?

Die Situation ist schlicht und ergreifend eine Katastroph­e für uns. Gerade die ersten beiden Novemberwo­chen waren ein Horrortrip. Da hatten wir Umsatzrück­gänge von über 70 Prozent. Das wird jetzt im Weihnachts­geschäft nicht mehr aufzuholen sein. Schön langsam geht das echt an die Substanz.

Welche Rolle spielt hier der Umsatzersa­tz?

Für den Modehandel sind das 60 Prozent, und ich bin dankbar, dass es dieses Modell gibt. Aber die Tücke steckt im Detail. Wenn der Herr Vizekanzle­r am Mittwoch sagt, dass für die Gastronomi­e der Dezember natürlich anders zu betrachten sei als der November, dann gilt das für den Handel ganz besonders so. Der Referenzmo­nat für die Ersatzrate­n ist der November des Vorjahres. Das heißt, auch die erste Dezemberwo­che wird mit Novembersä­tzen berechnet. Das macht jetzt im Weihnachts­geschäft einen großen Unterschie­d aus. Also der Umsatzersa­tz ist wichtig, aber damit sind die Probleme nicht gelöst.

Wird den Handel nächstes Jahr eine Insolvenzw­elle treffen?

Ja, das wird sicherlich kommen. Und ich verstehe, dass der Staat irgendwann an seine Grenzen kommt. Wir müssen auch einmal nachdenken, wer das alles wieder zurückzahl­en soll. Es ist sicher nicht so, dass 2021 das Hurra-Jahr sein wird, in dem alles wieder vorbei ist und es super läuft.

Viele warnen davor, dass Amazon der große Gewinner der Krise sein wird. Sollte man nicht viel eher versuchen, internatio­nale Onlineries­en konsequent zu besteuern, anstatt um teures Geld eine Onlineplat­tform zu bauen, die nicht funktionie­rt?

Amazon macht einen guten Job, keine Frage. Das Thema Steuerfair­ness ist für uns seit Jahren ein großes. Viele dieser Gelder, die Amazon in den vergangene­n Jahren nicht in der Europäisch­en Union abgeführt hat, haben sie in den Aufbau ihrer Logistik gesteckt. Hier wird also mit ungleichen Mitteln gekämpft. Da muss man in der EU dringend die Zeichen der Zeit erkennen und eine faire Besteuerun­g einführen. Mit dem Kaufhaus Österreich wollten wir Bewusstsei­n für regionales Onlineshop­pen schaffen. Die Umsetzung war aber zugegeben etwas unglücklic­h.

Abschließe­nd: Ihr Chef, WKOPräside­nt Harald Mahrer, hat vor zwei Wochen wieder die Diskussion um die Sonntagsöf­fnung angekurbel­t. Gibt es inzwischen eine Einigung?

Es war immer klar, dass wir in den verbleiben­den Wochen die Kundenströ­me bestmöglic­h entzerren müssen. Von den Sozialpart­nern gab es hier trotz guter Gespräche leider große Widerständ­e. Wir konnten uns aber darauf einigen, die anderen Öffnungsze­iten bis Weihnachte­n etwas auszuweite­n.

Der Sonntag bleibt also zu?

Der Sonntag bleibt geschlosse­n.

 ??  ?? WKÖ-Handelsobm­ann Rainer Trefelik betreibt selbst ein Modegeschä­ft. Die Umsatzverl­uste wird er auch mit einem guten Weihnachts-geschäft nicht aufholen können.
WKÖ-Handelsobm­ann Rainer Trefelik betreibt selbst ein Modegeschä­ft. Die Umsatzverl­uste wird er auch mit einem guten Weihnachts-geschäft nicht aufholen können.
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[ Clemens Fabry]

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