„Ab Montag sind die Probleme nicht gelöst“
Interview. Handelsobmann Rainer Trefelik blickt auf ein schwieriges Jahr zurück und warnt vor verfrühter Euphorie.
Die Presse: Ab Montag haben die Geschäfte wieder geöffnet. Wie wichtig ist das für den Handel jetzt zum Weihnachtsgeschäft? Rainer Trefelik: Es ist wahnsinnig wichtig, dass der stationäre Handel jetzt wieder aufsperren darf. Gerade in dieser umsatzstarken Zeit. Wir erleben aber schon seit Beginn der Krise ein extrem herausforderndes Jahr. Vor allem der zweite Lockdown tut der Branche weh, weil er gerade in das so wichtige Vorweihnachtsgeschäft gefallen ist, wenn viele Menschen in die Geschäfte gehen.
Mit der geschlossenen Gastronomie und dem fehlenden Tourismus fallen dem Handel zwei weitere wichtige Treiber weg.
Wenn die Gastronomie erst im Jänner wieder aufsperren kann, haben auch wir ein Problem. Das haben wir in den ersten beiden Novemberwochen mit massiven Umsatzeinbußen erlebt. Mit dem ausbleibenden Tourismus wird auch der Handel massive Einbußen haben. Etwa beim Sportartikelhandel im Westen, der sehr stark touristisch geprägt ist. Die werden zwar offen haben, aber kaum ein Geschäft machen. Auch der fehlende Städtetourismus wird vielen Händlern in den Innenstädten wehtun. Ohne die ausländischen Gäste zwischen Weihnachten und Neujahr bricht eine wichtige Klientel weg. Das Aufsperren ist ein nötiger Schritt, aber löst nicht alle Probleme.
Viele fürchten, dass die Geschäfte ab Montag wieder gestürmt werden. Wie will man einen zu großen Ansturm verhindern?
Das ist ein schwieriger Spagat, den wir schaffen müssen, und wir sind uns der Verantwortung bewusst. Wir haben Konzepte ausgearbeitet, um zu sensibilisieren. Wir können einiges tun in den Geschäften. Davor wird sich die Polizei entsprechend einbringen. Irgendwo stehen wir aber an einem Punkt an, wo die berühmte Eigenverantwortung ins Spiel kommt. Es wird auch nach dem Montag oder Dienstag noch ein ausreichendes Angebot geben.
Wie wird es in den nächsten Wochen weitergehen?
Es wird ein Dezember sein, in dem man sagt: „Okay, retten wir, was zu retten ist.“Aber wir wissen, dass der Handel weit unter Wasser ist. Es gibt auch viele indirekt Betroffene. Etwa der Groß- und Agrarhandel, die ihre Produkte an die Gastronomie liefern. Man muss in die Branchen detaillierter hineinschauen, sonst verzerrt man in vielen Bereichen die Ergebnisse.
Welche Branchen wurden am stärksten getroffen?
Im aktuellen Lockdown ist es
vor allem der Spiel- und Buchhandel, aber auch die Parfümerie. Deren Waren werden auch in anderen Läden im offenen Bereich verkauft. Übers ganze Jahr gesehen hat der Modehandel ein extrem schwieriges Jahr hinter sich. Das ist nach dem Lebensmittelhandel sicher die größte Branche innerhalb des Handels. Durch den Lockdown fehlen wichtige Wochen des Ertrag bringenden Verkaufs. Wer nur im Ausverkauf verkaufen kann, dem bleibt nicht viel übrig. Auch im Sportartikelhandel haben einige massiv zu kämpfen. Nicht alle verkaufen E-Bikes.
Sie betreiben selbst ein Modehaus im ersten Bezirk. Wie trifft Sie die Krise als Geschäftsmann?
Die Situation ist schlicht und ergreifend eine Katastrophe für uns. Gerade die ersten beiden Novemberwochen waren ein Horrortrip. Da hatten wir Umsatzrückgänge von über 70 Prozent. Das wird jetzt im Weihnachtsgeschäft nicht mehr aufzuholen sein. Schön langsam geht das echt an die Substanz.
Welche Rolle spielt hier der Umsatzersatz?
Für den Modehandel sind das 60 Prozent, und ich bin dankbar, dass es dieses Modell gibt. Aber die Tücke steckt im Detail. Wenn der Herr Vizekanzler am Mittwoch sagt, dass für die Gastronomie der Dezember natürlich anders zu betrachten sei als der November, dann gilt das für den Handel ganz besonders so. Der Referenzmonat für die Ersatzraten ist der November des Vorjahres. Das heißt, auch die erste Dezemberwoche wird mit Novembersätzen berechnet. Das macht jetzt im Weihnachtsgeschäft einen großen Unterschied aus. Also der Umsatzersatz ist wichtig, aber damit sind die Probleme nicht gelöst.
Wird den Handel nächstes Jahr eine Insolvenzwelle treffen?
Ja, das wird sicherlich kommen. Und ich verstehe, dass der Staat irgendwann an seine Grenzen kommt. Wir müssen auch einmal nachdenken, wer das alles wieder zurückzahlen soll. Es ist sicher nicht so, dass 2021 das Hurra-Jahr sein wird, in dem alles wieder vorbei ist und es super läuft.
Viele warnen davor, dass Amazon der große Gewinner der Krise sein wird. Sollte man nicht viel eher versuchen, internationale Onlineriesen konsequent zu besteuern, anstatt um teures Geld eine Onlineplattform zu bauen, die nicht funktioniert?
Amazon macht einen guten Job, keine Frage. Das Thema Steuerfairness ist für uns seit Jahren ein großes. Viele dieser Gelder, die Amazon in den vergangenen Jahren nicht in der Europäischen Union abgeführt hat, haben sie in den Aufbau ihrer Logistik gesteckt. Hier wird also mit ungleichen Mitteln gekämpft. Da muss man in der EU dringend die Zeichen der Zeit erkennen und eine faire Besteuerung einführen. Mit dem Kaufhaus Österreich wollten wir Bewusstsein für regionales Onlineshoppen schaffen. Die Umsetzung war aber zugegeben etwas unglücklich.
Abschließend: Ihr Chef, WKOPräsident Harald Mahrer, hat vor zwei Wochen wieder die Diskussion um die Sonntagsöffnung angekurbelt. Gibt es inzwischen eine Einigung?
Es war immer klar, dass wir in den verbleibenden Wochen die Kundenströme bestmöglich entzerren müssen. Von den Sozialpartnern gab es hier trotz guter Gespräche leider große Widerstände. Wir konnten uns aber darauf einigen, die anderen Öffnungszeiten bis Weihnachten etwas auszuweiten.
Der Sonntag bleibt also zu?
Der Sonntag bleibt geschlossen.