„Vertrauen aufbauen, Vertrauen halten – das ist in so vielen Bereichen essenziell“ Wolfgang Kaps, General Manager eines der größten Pharmaunternehmen Österreichs, über Führungsaufgaben, Vertrauen als höchstem Gut und Sanofi als außerordentlich flexiblem
Die Presse: Herr Kaps, ein spannender Karriereschritt führte Sie aus dem hohen Norden in Deutschland nach Österreich.
Kaps: Tatsächlich lebe ich schon seit sieben Jahren im wunderschönen Wien. Meine langjährige Tätigkeit bei Sanofi brachte mich hierher – ich war zunächst bei Aventis in Deutschland tätig, ehe diese von Sanofi übernommen wurde. Von der Firmenzugehörigkeit her gehöre ich also schon zum „alten Eisen“(lacht). Ich habe im Zuge dieser Übernahme im „post merger integration team“mitgearbeitet. Nachdem ich von 2005 bis 2008 Senior Brand Manager bei Sanofi Deutschland war, bin ich anschließend 2012 zum Head of Marketing & Sales für die DACH-Region aufgestiegen. In dieser Funktion habe ich also schon Bekanntschaft mit dem österreichischen Markt gemacht. In Österreich angekommen, wurde ich 2013 Head der Business Unit Multiple Sclerosis. In weiterer Folge konnte ich 2016 zum General Manager Sanofi Genzyme Austria aufsteigen.
Zur Erklärung: Die Sanofi Genzyme ist auch aus einem Merger entstanden wie die sogenannte Specialty Care Business Unit für Rare Diseases, Oncology, Immunology und Multiple Sclerosis. Seit März 2019 bin ich nun General Manager von Sanofi Österreich. Außerdem bin ich Vizepräsident des Forums der Pharmazeutischen Industrie (FOPI) und Vorstandmitglied der PHARMIG. Es ist für meine Arbeit essenziell, innerhalb der Pharmabranche gut vernetzt zu sein und den Austausch voranzubringen. Die aktuelle Coronakrise zeigt, wie wichtig die enge Zusammenarbeit innerhalb der Pharmazeutischen Industrie ist.
Die Presse: Hatten Sie einen „Kulturschock“, als Sie Ihre langjährige Karriere in der Pharmabranche nach Österreich führte?
Kaps: So würde ich es nicht ausdrücken (lacht). Ich lebe ausgesprochen gerne in Österreich. Auch die Sicht von außen ist bei vielem hilfreich – divers aufgestellte Teams arbeiten ja bekanntlich deutlich besser. Bei Sanofi Österreich sind wir generell sehr international aufgestellt: Bei uns arbeiten viele, vor allem junge, Mitarbeiter aus Frankreich, Deutschland, aber auch Griechenland oder Spanien.
Aber kommen wir zurück zum „Kulturschock“: Österreich ist in vielen Belangen anders, konservativer – die Uhren gehen nun einmal anders. So war es in Österreich lange Zeit nicht möglich, als Frau eine Führungsposition in Teilzeit auszuüben, als dies in der Schweiz bereits gang und gäbe war. Dabei weiß ich gerade selbst, wie wichtig Flexibilität ist: Meine Familie, meine Frau und mein kleiner Sohn, leben in Deutschland und ich pendle am Wochenende immer zu ihnen.
Die Presse: Wurde die Einführung Ihres – viel beachteten – Konzepts „Flexibles Arbeiten“somit maßgeblich aus ihren eigenen Erfahrungen gespeist?
Kaps: Durch meine persönlichen Erfahrungen wurde mir die Dringlichkeit des Problems der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bewusst. Aber mir lag die Einführung flexibler Arbeitszeiten und eines New-WorkModells natürlich vor allem wegen meiner Mitarbeiter am Herzen. Ich war äußerst bestrebt, bei Sanofi allen Mitarbeitern eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten zu ermöglichen – ohne internationaler Konzernvorgabe oder Ähnlichem. Ich wollte Sanofi Österreich hier in einer Vorreiterrolle sehen und eine Vorbildwirkung übernehmen.
Die Presse: Wie entstand Ihr New-Work-Modell, wie verlief die Entwicklung in der Praxis?
Kaps: Der Vorstoß für ein neues Vertrauensarbeitszeitmodell wurde bei uns von Anfang an allseits mitgetragen, da wir das Projekt nicht top-down, sondern bottom-up umgesetzt haben. Und der Betriebsrat war von Sekunde eins an bei der Mitgestaltung involviert. Wir haben also nicht nur mit der direkten Managementebene diskutiert oder spekuliert, was die Bedürfnisse der Mitarbeiter sein könnten, sondern die Mitarbeiter einfach direkt gefragt.
Wir initiierten ein Projektteam, das mit über 90 Prozent der Mitarbeiter direkte Gespräch führte. Unser Ziel war es, allen Mitarbeitern größtmögliche Flexibilität zu bieten und diese im New-Work-Modell abzubilden. Denn so individuell unsere Mitarbeiter sind, so individuell sind auch ihre Lebenssituationen. Sich trotz Vollzeitjob Zeit für die Kinder zu nehmen, tagsüber auch einmal zum Sport zu gehen, Zeit für die Pflege kranker oder älterer Angehöriger zu haben. All das ist bei uns mit dem neuen Modell möglich und mit der Arbeit vereinbar. Dadurch fand bei uns ein Kulturwandel statt, der von allen Mitarbeitern von Anfang an mitgetragen wurde.
Die Presse: Was genau umfasst dieses besondere New-Work-Modell bei Sanofi?
Kaps: Unsere Mitarbeiter dürfen ihre Arbeitszeit und -ort frei wählen. In unserer Betriebsvereinbarung hielten wir fest, dass die Arbeit jederzeit zwischen 6 und 22 Uhr erledigt werden kann. Die Hauptarbeitszeit muss aber natürlich in die gewöhnlichen Geschäftszeiten fallen, um für Kunden und Partner gut erreichbar sein. Solange Vertraulichkeit gewahrt bleibt und gute Erreichbarkeit gewährleistet ist, steht es unseren Mitarbeitern frei, in einem Café oder einer Bibliothek zu arbeiten oder im Sommer während des Arbeitens im Park oder auf ihrer Terrasse Vitamin D zu tanken! Denn als Gesundheitsunternehmen liegt uns die Gesundheit unserer Mitarbeiter besonders am Herzen, und die fängt für mich bei einem gesunden Arbeitsumfeld an.
Die Presse: Das hört sich ja fast schon paradiesisch an. Warum denken Sie, ist „New Work“also nicht auch in vielen anderen Unternehmen Realität?
Kaps: Das sehe ich eher als ein Problem des Mindsets als eine Frage der Machbarkeit. Viele Manager und Führungskräfte zeigen sich vor allem über den vermeintlichen Kontrollverlust besorgt. Doch die weiterhin exzellente Leistung unserer Mitarbeiter zeigt, dass diese Sorge unbegründet ist. Es muss sich nun einmal bei Mitarbeitern und auf Führungsebene die Geisteshaltung und die Kultur ändern. Beide Seiten müssen die richtige Einstellung zu New Work und ihrer Arbeit generell mitbringen. Vertrauen aufbauen, Vertrauen halten, das ist das Credo.
Ich sehe unsere Mitarbeiter als Unternehmer, die ihre eigenen Projekte und Aufgabenbereiche verantworten. Dieser Zugang auf Augenhöhe steigert das Commitment und den persönlichen Einsatz. Diese Verbundenheit und das hohe Verantwortungsgefühl meiner Kollegen bei Sanofi schätze ich sehr.
„Der Auftrag der pharmazeutischen Industrie ist es, wirksame und hochsichere Medikamente in ausreichender Menge zur Verfügung stellen zu können. Nur so können wir das Vertrauen in unsere Branche aufrechterhalten.“Wolfgang Kaps, General Manager Sanofi Österreich