Über Glanz und Elend einer Großfamilie
Die Habsburger und ihr Ende in Schmach – akribisch (ab)gerechnet.
„Es gibt nichts Erbärmlicheres als ein apanagierter Prinz, der eine sorglose Existenz führt“, soll der Erzherzog Ferdinand Max gesagt haben, bevor er sich, der jüngere Bruder Kaiser Franz Josephs, in das mexikanische Abenteuer stürzte. Tatsächlich liest man das jüngste Buch der Kaiserhaus-Expertin Katrin Unterreiner mit verhaltener Empörung über die maßlose Verschwendung von Staatsvermögen, die der Hof in Wien betrieb. Da geht es um Ländereien, Immobilien, Kunstschätze, Juwelen, um völlig nutzlose Erzherzoginnen, um fadisierte Erzherzoge, um eine Verwandtschaft, die man weit hinter dem Mond wünschte. Die gewiefte Habsburg-Spezialistin hat alle Geldbeträge, um die es in dem Buche geht, in die heutige Währung umrechnen lassen. Sehr praktisch.
Da wird manches relativiert, was bisher stets nur in Gulden oder Kronen ausgewiesen wurde. Jetzt kann man sich die Beträge, die da etwa für die Schauspielerin Katharina Schratt-Kiss beim Fenster hinausgeschmissen wurden, plastisch vorstellen. Umso mehr überrascht, dass der private Familienfonds des Herrscherhauses mit seinen unübersehbar vielen Sprösslingen gar nicht so üppig war. Von Franz Stephan von Lothringen einst sehr klug aufgebaut, umfasste der Fonds im 1919 zwar 83.288 Hektar Grundbesitz und fünf Häuser in Wien, aber Aktien nur im Wert von 99 Mio. Kronen - 20 Mio. Euro. Da können wirklich reiche Zeitgenossen heute nur milde schmunzeln.
Diskrete Geldgeber
Apropos reich: Detailliert weist uns Katrin Unterreiner auf die diskreten Geldgeber hin, die den Habsburgern erst den Aufstieg ermöglichten: Die Fugger, später dann die jüdischen „Hoffaktoren“Oppenheimer, Wertheimer, Hirschl und letztlich das Bankhaus Rothschild. Denn finanziell klamm war Habsburg zu jeder Zeit. Ohne das Gold und Silber der Geldverleiher wären die Aufstände der Bergknappen und Bauern in Böhmen und Tirol gegen Leibeigenschaft, Fron und Steuerlast Mitte des 16. Jahrhunderts vielleicht erfolgreich geblieben. So allerdings wurde jeder Versuch der Auflehnung erbarmungslos erstickt.
Dazu gesellte sich eine äußerst bequeme Art der Bereicherung: Im Mai 1622, nach der Schlacht am Weißen Berg, kassierte der siegreiche Kaiser Ferdinand II. die Besitzungen von 728 protestantischen Adeligen (in Milliardenhöhe), 1634 wurde der Besitz des ermordeten Feldherrn Wallenstein konfisziert, das brachte wieder fünfzig Millionen (Euro), als die ungarischen protestantischen Aufständischen mit dem Richtschwert enthauptet waren, brachte die Einziehung ihres Besitzes dem Kaiser Leopold I. das hübsche Sümmchen von rund 200.000 Gulden (hundert Millionen Euro) ein . . .
Das Buch schließt mit der Mär von der völlig mittellosen heimatvertriebenen Familie Habsburg nach dem Zusammenbruch 1918: Neben all den Kronjuwelen, die am 1. November 1918 auf Karls Anweisung aus der Schatzkammer gestohlen und in die Schweiz geschafft wurden, war auch eine wertvolle Bibel dabei. Diese Borso-Bibel aus der Hofbibliothek wurde von der letzten Kaiserin (Zita) in Italien zu Geld gemacht. Den Wert kann man ermessen, betrug doch die Versicherungssumme zehn Millionen Euro, als das Buch 2014 in Bologna ausgestellt wurde.
Ein spannendes Buch. Für HabsburgNostalgiker leider keine nette Lektüre.