„Ich versumpere nicht in Liga zwei“
Hintergrund. Raphael Holzhauser (27) ist in Belgien mit Beerschot Tabellenführer und einer der Top-5-Scorer Europas. Über einen Höhenflug ohne Ansage.
Fußball ist für Raphael Holzhauser in diesen Wochen ein wunderbar einfaches Spiel. „Die Mannschaft ist in einem absoluten Flow. Wir versuchen so lang wie möglich auf dieser Welle zu reiten“, sagt Holzhauser, der mit seinem Klub Beerschot gerade die belgische Liga auf den Kopf stellt. Denn nach 14 Spieltagen steht der Aufsteiger an der Spitze der Jupiler Pro League, der österreichische Legionär hat einen beträchtlichen Teil dazu beigetragen. Holzhauser hält bei 19 Scorerpunkten (zehn Tore, neun Vorlagen) und ist damit vor dem Heimspiel am Sonntag gegen AS Eupen Europas viertbester Scorer.
Die aktuelle Hochform des 27-Jährigen kennt kein geheimes Erfolgsrezept, „alles geht wie von allein, ich strotze wie meine Teamkollegen vor Selbstvertrauen“. Ein naheliegender Grund ist aber seine offensive Position auf dem Platz. „Wir spielen ein 4-3-3-System, ich bin ein Freigeist, das tut mir gut.“
Dennoch überrascht es, dass Holzhauser, der nach dreieinhalb Jahren im Dress der Wiener Austria (2015 bis 2018) wenig ruhmreiche Monate in Zürich verbrachte, plötzlich Tore und Assists wie am Fließband liefert. Nach dem Intermezzo in der Schweiz stand der Niederösterreicher am Scheideweg seiner Karriere. Im Sommer 2019 schloss sich der Mittelfeldmann Beerschot an, im Glauben, zu einem Erstligisten zu wechseln. Nach dem erfolgreichen Einspruch von Zweitligakonkurrent KV Mecheln (Spielmanipulation) aber blieb Beerschot der erhoffte Aufstieg verwehrt – und Mechelen wurde erstklassig.
Umweg eines einstigen Talents
Holzhauser fand sich also in der zweithöchsten belgischen Liga wieder, zuvor hatte er Angebote aus Griechenland und der Türkei abgelehnt. „Die Situation war für mich nicht einfach, im Endeffekt war es ein einjähriger Umweg, der mir und meinem Spiel rückblickend aber gutgetan hat. Ich hatte nicht die Sorge, in der zweiten Liga zu versumpern.“Dass Beerschot für einen Zweitligaklub finanziell „gut aufgestellt“war, machte diesen Umweg leichter verkraftbar.
„Da kann der eine oder andere österreichische Erstligist nicht mithalten.“Jetzt agiert Holzhauser mit 27 Jahren in der Form seines Lebens, er ist ein Spätberufener, das belegt auch die Premiere im ÖFB-Team unter Franco Foda vor wenigen Wochen. Ob er selbst noch damit gerechnet habe? „Nach der Saison in Zürich war dieses Thema weit weg, aber ich bin ein positiv denkender Mensch, habe diesen Kindheitstraum nie aus den Augen verloren. Es gibt nichts Größeres, als für sein Land zu spielen.“
Für Österreichs U21 bestritt Holzhauser einst 28 Partien. Ihm eilte der Ruf eines großen Talents voraus, gesegnet mit einer Überdosis Gefühl im linken Bein und blendender Spielübersicht. Als 16-Jähriger lockte die Nachwuchsabteilung des VfB Stuttgart, mit 18 gab er für die Schwaben vor über 61.000 Fans sein Bundesligadebüt auf Schalke. Insgesamt brachte es Holzhauser auf 33 Einsätze für den VfB, bei Augsburg (Leihe) waren es 16. Doch das Ziel, sich dauerhaft in der deutschen Bundesliga zu etablieren, verfehlt er. 2015 kehrt Holzhauser nach Österreich, zur Austria, zurück. An seine Zeit in Deutschland erinnert er sich dennoch nicht mit Wehmut. „Natürlich hätte es noch besser laufen können, aber welche Karrieren gehen ausschließlich nach oben? Ich bin stolz, es überhaupt nach Deutschland geschafft zu haben.“
Vor wenigen Tagen hat Holzhauser seinen Vertrag bei Beerschot bis 2023 verlängert. Liefert er in den kommenden Monaten ähnlich konstante Leistungen ab, dann könnte auch ein Klub aus einer Topliga auf ihn aufmerksam werden. Der 27-Jährige hat mitgedacht, er schmunzelt: „Es gibt ja Klauseln in Verträgen.“