Das Hereinschlepper-Wesen
Alles Gute kommt von oben, alles Schlechte von weiter weg?
Bereits vor 500 Jahren fürchtete man in Europa den „Englischen Schweiß“.
Ein Virus wurde „ins Land hereingeschleppt“, ausgerechnet im Sommer, als unsere stets alerte Bundesregierung die Coronapandemie von oben herab fast schon besiegt zu haben schien. Das Hereinschleppen soll durch „Reiserückkehrer“verübt worden sein, aus „ihren Herkunftsländern“. Wenn ein Bundeskanzler das behauptet, um seine Völker auf ein Weihnachtsfest vorzubereiten, das so still wie noch nie sein soll, dann regt das sogar die friedlichsten Adventisten in den GegengiftChören auf. Je nach Herkunft – ob nun Meidling oder Temerin – spaltet diese hoch infektiöse Vermutung die Leute und erschwert es, harmonisch in Lieder zur Rettung der Welt einzustimmen.
Schuld ist natürlich Donald Trump. Der US-Präsident hat bereits vor dem „China-Virus“gewarnt, als er zugleich noch den Amerikanern versicherte, dass Corona so harmlos sei wie ein
Schnupfen. Und er wusste genau: je feindlicher das Land, desto besser. Als die Ludwigs in Paris residierten, fürchtete sich halb Europa vor der „Französischen Krankheit“. Man meinte damit die Syphilis, die angeblich aus Amerika eingeschleppt worden war. Inzwischen wird vermutet, dass sie bereits in der Antike irgendwo grassierte. Hierzulande tauchte sie massiv im Dreißigjährigen Krieg auf, wahrscheinlich über eine undichte Italien-Route.
Es kommt also darauf an, wer was wohin mitbringt. Für unsereins mag es das Balkan-Fieber sein, für Franzosen das Iberische. Die Spanische Grippe heißt übrigens so, weil jenes Land 1918 als erstes die Pandemie zugab. Aber bereits vor 500 Jahren fürchtete man den „Englischen Schweiß“. Wahrscheinlich hatten ihrer Herkunft nach rücksichtslos multikulturelle Reiserückkehrer aus London ein HereinschlepperWesen von Influenza- oder Hantaviren via den Kanal betrieben. Besonders betroffen war die Schweiz. Vielleicht aber hieß das Fieber dort bayrische, Paznauntaler oder Wiener Krankheit.