Sammlung Essl: Gekommen, um zu bleiben
Albertina Modern. Die zweite Ausstellung in der neuen Albertina-Dependance am Karlsplatz schafft es perfekt, die Sammlung Essl als eine fette, US-amerikanische „Collection“zu positionieren. Ob ihr das so guttut, ist eine andere Frage.
Wie viele Fäden hier doch gerade zusammenlaufen: Vor einem Vierteljahrhundert fast war im Künstlerhaus schon einmal die Sammlung Essl zu sehen, damals noch ganz auf die österreichische Malerei konzentriert. Der BaumarktGründer war auf der Suche nach Heimat für seine Schätze, doch der Künstlerhaus-Verein lehnte damals ab. Worauf Essl noch etwas draufsetzte – nämlich einen ganzen Stock auf sein Kunstdepot in Klosterneuburg. Geboren ward das Essl-Museum.
Jetzt steht es beschämend leer. Und die Sammlung Essl ist – eine Wirtschaftskrise, eine Teilübernahme durch Hans Peter Haselsteiner und eine Schenkung an die Albertina später – erst recht im Künstlerhaus angekommen, diesmal, um zu bleiben. Der bisher nur auf ein Jahr abgeschlossene Kooperationsvertrag zwischen Albertina und dem von Haselsteiner kontrollierten Künstlerhaus wurde dieser Tage in einen unbefristeten umgewandelt, wie Klaus Albrecht Schröder am Freitag erklärte. Anlass war die Vorstellung der zweiten Ausstellung der neuen „Albertina Modern“, diesmal ganz der Neupositionierung der Sammlung Essl zur „The Essl Collection“gewidmet. Der englische Titel ist hier Konzept: Denn, so Schröder, diese Sammlung sei eine amerikanische.
Amerikanisch statt österreichisch
Was er erstens an einem Hang zum Großformat festmacht, der tatsächlich wenig österreichisch ist, wird Kunst doch hierzulande am liebsten in Haushaltsgröße gekauft. Und zweitens an der Internationalität, die anfangs den Reisen des Geschäftsmanns gefolgt ist und ihn heute als immer noch sammelnder Privatmann bestimmt. China, Indien, Australien, Balkan: Die zeitgenössische
Kunst dieser Länder sah man in Österreich als erstes im Essl-Museum. Dennoch blieb Essl in der allgemeinen Wahrnehmung der Sammler österreichischer Malerei, als der er sich 1996 im Künstlerhaus präsentierte. Mit diesem Klischee räumt der Einblick in den 7000 Werke umfassenden Bestand jedenfalls auf. Viele Essl-Assets wie Wiener Aktionismus oder Neue Wilde fehlen. Es ging schließlich nicht um einen Querschnitt, sondern um die Amerika-These – begründet in der Schlüsselszene, als Essl 1958 seine Frau in New York kennenlernte und von ihr durch US-Sammlungen geführt wurde.
Ziemlich ambitioniert. Schröder, der gemeinsam mit Elisabeth Dutz kuratierte, ließ sich dazu, ganz US-amerikanisch, auch mehr von Schein und Schock leiten als von Inhalten. Was zu knalligen Paarungen führt, die oft mehr irritieren als sich befruchten. Heimo Zobernigs spröde Kopfkunst scheint äußerlich zwar so „cool“wie die Malerei von Alex Katz, zu sagen haben sie sich aber nichts. Martha Jungwirths feinnervige Malerei in blutigem Rosarot hat mit den an- und abschwellenden Ballonseide-Organen der Installation Annette Messagers höchstens farblich etwas gemein und hängt in der Teppichecke wie in einem Wohnzimmer. Und Hubert Scheibls endlose Raumfarbschichtungen wandeln sich angesichts Balkenhols hölzerner Yuppie-Männer-Gruppe in der Raummitte plötzlich zu einer Luxuskulisse.
Seltene intime Momente
Was man dieser Schau jedenfalls nicht vorwerfen kann, ist Langeweile. Es gibt auch einige intime Momente, wie den kleinen Raum, in dem Arnulf Rainer wieder mit Tapi`es ins Gespräch kommt, der einst Essl von Rainers Bedeutung überzeugte. Auch das Baselitz-Tempelchen beeindruckt – mit einer Ikone: dem roten Hund (siehe Abb.), dem letzten Motiv im Werk des Malers, das nicht kopfstehen musste. Im Untergeschoß dann die museale Fotosammlung mit Big Names von Cindy Sherman bis Andreas Gursky – ein hochglänzendes Medienghetto.
Essl hat tatsächlich vieles, was heute als Trophäenkunst gilt, sehr früh zu sammeln begonnen. Dennoch wird sie hier als solche dargestellt. Doch wer weiß, vielleicht ist das Ausstellungsprogramm ja dialektischer geplant, als man annehmen würde. Und vielleicht wird nach dem US-Aspekt als Nächstes der räudig-europäische aus dieser Sammlung geschält.
Ab Montag, täglich 10–18 Uhr