Solang Zeitgeist und Märkte es hergeben . . .
„Covid-19-Lockdown 2“, Rainer Nowaks Corona-Briefing, 30. 11.
Als ehemaliger Banker teile ich natürlich Ihre Einschätzung, dass man früher oder später das Budget wieder in Ordnung bringen muss. Als Realist bin ich mir nicht sicher, wann und ob dieses „später“kommen wird.
Soweit ich mich erinnern kann, lag die Staatsverschuldungsquote beim Regierungsantritt von Bruno Kreisky im einstelligen Prozentbereich. Als sie sich dann unter Kreisky in Richtung 25 Prozent bewegte, polterte die ÖVP, dass sich Österreich auf den Staatsbankrott zubewege. Alles „tempi passati“, denn mit Maastricht war man zur Erkenntnis gelangt, dass 60 Prozent an und für sich noch kein Staatsbankrott sind. Später sahen US-Ökonomen die magische Grenze bei 90 Prozent. Als Griechenland 180 Prozent erreichte, argumentierte man, dass das Land wieder unter 120 Prozent kommen müsse, um die „debt sustainability“zu gewährleisten.
Okay, vielleicht eine Ausnahme für Griechenland, aber 100 Prozent schrecken doch heute keinen Menschen mehr. Wer sagt denn, dass wir nicht in zehn, zwanzig Jahren eine Staatsverschuldungsquote von 200 Prozent für relativ normal halten werden? Möglicherweise sogar noch mehr? Solang der Zeitgeist und die Märkte das hergeben, wird es auch funktionieren.
Nachdem Österreich im EUVergleich noch recht solide Staatsfinanzen vorzeigen kann, wäre es für eine Regierung selbstbeschädigend, mit vernünftigen und gebotenen Budgetsanierungsmaßnahmen vorzupreschen, während andere das große Rad weiterdrehen (und dafür vielleicht auch gelobt werden, weil sie ihren Bürgern Schmerzen ersparen). Die Gefahr, dass dem Staat der Geldhahn abgedreht werden könnte? Wiederum: tempi passati. Zumindest innerhalb der Eurozone. Die Geldschöpfung der EZB muss ja irgendwo veranlagt werden, und aus dieser Geldschöp
fung wird die EZB auch nicht so rasch wieder herauskommen.
Das klingt zwar alles zynisch, aber ich glaube, dass es trotzdem nicht unrealistisch ist.
Klaus Kastner, 4810 Gmunden