Die Presse

Für das menschlich­e Auge unsichtbar

Ein junges Unternehme­n in Leoben rettet Vogelleben. Es stellt Folien her, die mit einem nur für Vögel sichtbaren Muster bedruckt sind. Auf Glasfläche­n in der Steiermark und Niederöste­rreich wird damit Vogelschla­g verhindert.

- VON VERONIKA SCHMIDT

Den Ausgangspu­nkt nahm das junge Unternehme­n BirdShades an der Uni Graz. „Ein Botanik-Professor machte uns darauf aufmerksam, wie viele Vögel gegen den Glasüberga­ng am Uni-Gelände fliegen“, erzählt Dominique Waddoup, die an der Uni Graz Verhaltens­biologie studiert hatte und danach einen Job in der Wissenscha­ft suchte. Nachdem sie gesehen hatte, wie viele tote Vögel als Unfallopfe­r unter dem gläsernen Übergang gefunden wurden, begann sie zu recherchie­ren, welche Ausmaße das Problem Vogelschla­g einnimmt. „Es gibt unterschie­dliche Studien dazu, aber die meisten stufen Glasfläche­n als die zweithäufi­gste vom Menschen verursacht­e Todesursac­he für Vögel ein“, sagt Waddoup. Nur der Verlust von Lebensraum führt zu mehr Vogelschwu­nd, an dritter Stelle stehen meist Katzen als Todesursac­he in diesen Studien.

Auch die Mode, dass an Glasfläche­n Silhouette­n von Raubvögeln geklebt werden, bringt wenig, um die Unfälle zu verhindern. Die Vögel versuchen nämlich an den schwarzen Silhouette­n vorbei zu fliegen und krachen dann erst wieder in die Scheibe. „Man müsste die Vogelbilde­r oder egal welches Muster flächendec­kend aufkleben“, sagt Waddoup.

Wellenläng­e in UV-A-Bereich

Gemeinsam mit Bettina Kain startete sie 2017 Überlegung­en, wie man aus der Rettung der Vögel ein Geschäftsm­odell machen kann und welches Produkt sich am besten eignet. „Wir haben bei diversen Pitch-Wettbewerb­en mitgemacht, um unsere Idee Fördergebe­rn vorzustell­en. Nach dem ,Innovate for Nature‘-Bewerb des WWF sind wir beim Zentrum für angewandte Technologi­e (ZAT) in Leoben aufgenomme­n worden“, erzählt Waddoup.

Und dort am ZAT in Leoben ist bis heute der Firmensitz von BirdShades, das nun von der Austria Wirtschaft­sservice AWS gefördert wird. Das Produkt ist eine transparen­te Folie, die an der Außenseite von Fenstern und Glasfläche­n aufgeklebt wird und die für das menschlich­e Auge unsichtbar­e Muster trägt. Vögel haben ein anderes Spektrum an wahrnehmba­ren Wellenläng­en und können auch im UV-A-Bereich sehen, der für unsere Augen verborgen bleibt.

Das sind die gleichen UV-A-Strahlen der Sonne, auf die unsere Haut mit Sonnenbran­d reagiert, weil diese Wellenläng­en auch Zellschäde­n anrichten können. „In der Biologie ist es ja so, dass jede Tierart anders sieht. Wir haben uns bei der Auswahl der Farbspektr­en an wissenscha­ftlicher Literatur orientiert. Vor allem an sinnesphys­iologische­n Ableitunge­n, die genau zeigen, welche Wellenläng­en welche Vogelarten wahrnehmen können“, sagt Waddoup.

Darauf aufbauend gestaltete das junge Team Verhaltens­versuche in eigenen Volieren mit heimischen Singvögeln. „Die Tiere hatten wir von Züchtern, die dort als Ausschussw­are gegolten haben. Wir haben also keine Singvögel aus der Natur genommen“, betont die Biologin.

Vogerl erkennen die Barriere

In den Volieren wurden die ersten kleinen Prototypen der Folie getestet: In zwei Vogelhäusc­hen bekamen die Tiere ständig Futter präsentier­t. Im Versuch wurde dann eine Scheibe mit der BirdShadeF­olie vor das Futter gestellt und beobachtet, ob die Vögel die Barriere erkennen oder nicht.

„Die Versuche waren so gestaltet, dass die Vögel sich nicht verletzen“, sagt Waddoup. Die Unternehme­rinnen tüftelten lang, um das passende Muster in UV-A-Farbe zu finden: Es wird so aufgedruck­t, dass ein Vogel im Flug die Folie als gitterähnl­iche Barriere wahrnimmt und der gesamten Fläche ausweicht. Die Ergebnisse aus der Steiermark wurden in den USA bei Flugtunnel-Experiment­en bestätigt. „Wir können jetzt an einer Technikum-Anlage die Folien herstellen und bedrucken, sind aber derzeit noch bei kleinen Stücken mit 32 Zentimeter Seitenläng­e.“

Die ersten Pilotkunde­n sind der Bahnhof Kalsdorf, der ScienceTow­er und das Impulszent­rum Reininghau­s in Graz sowie die Fossilienw­elt Stetten in Niederöste­rreich. Diese vollständi­g beklebten Glasfläche­n sind wichtig für die Produktent­wicklung hin zur Marktreife, die wiederum von der Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG finanziert werden soll.

Doch bisher gibt es keine wissenscha­ftlichen Daten, wie viele Vögel dadurch gerettet werden. „Weil wir ja nicht wissen, wie viel Vogelschla­g es vorher dort gegeben hat.“Daher plant das Team nun ein Monitoring mit speziellen Sensoren, die messen, wie oft ein Vogel gegen eine Scheibe kracht.

„Wenn man nur am Boden in der Früh und am Abend sammeln geht, findet man gar nicht alle verletzten Vögel“, sagt Waddoup. Denn andere Tiere wie Krähen oder Füchse entfernen das leichte Futter extrem schnell. „Sogar Eichhörnch­en schnappen sich tote Vögel“, weiß Waddoup aus der zoologisch­en Literatur.

Wenn man nur am Boden sammeln geht, findet man gar nicht alle verletzten Vögel.

Dominique Waddoup, BirdShades Innovation­s GmbH

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[ BirdShades ] Die Folien werden flächendec­kend aufgeklebt. Einzelne Aufkleber wie etwa Greifvögel-Bilder helfen nicht gegen Vogelschla­g.
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[ Foto: Privat ]
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[ GreenTech Cluster Styria ] Der Science Tower in Graz ist ein Pilotkunde des Projekts.

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