Die Türschnalle ohne Bedenken berühren
Überall, wo viele Menschen hingreifen, lauern Gefahren von Bakterien und Viren. Eine mit winzigen Metallteilchen beschossene Beschichtung soll vor Ansteckung schützen. Forscher nutzen dabei auch Wissen aus der Antike.
In Coronazeiten überlegen wir zweimal, ob wir den Touchscreen auf dem Bankomaten oder den Haltestellenknopf im Bus wirklich berühren sollen. Steirische und oberösterreichische Forscher haben sich im Projekt „Safe Touch“zusammengetan, um uns solche Sorgen zu nehmen. Sie entwickeln eine keimtötende Beschichtung, die sich überall anbringen lässt: am Lichtschalter, an Oberflächen im Krankenhaus oder am Griff des Einkaufswagerls.
„Es handelt sich um eine Folie, die nur einen Zehntelmillimeter dünn ist und auf der bakterienund virenabtötende Partikel aufgebracht sind“, erklärt Andreas Hinterer von der Inocon Technologie GmbH aus Attnang-Puchheim.
Dabei macht man sich eine Eigenschaft bestimmter Metalle zunutze, die schon seit der Antike bekannt ist: Bakterien und Viren sterben, wenn sie damit in Berührung kommen. Warum das so ist, ist wissenschaftlich noch nicht ganz geklärt, basiert aber auf der Wirkung der Metallionen. Was auch ein Grund ist, warum in manchen Spitälern die Türklinken zur Gänze aus Kupfer bestehen.
Die „Safe Touch“-Forscher verwenden nun Kupfer und Messing. Mit einer speziellen Vorrichtung werden bei Inocon kleinste Partikel durch eine Plasmaflamme aufgeschmolzen und auf die Folie „geschossen“. „Das kann man mit einem Farbspray vergleichen“, sagt Hinterer. „Nur, dass nicht Farben herauskommen, sondern verflüssigte Metallteilchen.“
Krankheitserreger vernichten
Durch die punktuelle Aufbringung bleibt die Folie durchsichtig. Um Krankheitserreger zu vernichten, reicht das aber aus. Clemens Kittinger von der Med-Uni Graz hat es überprüft: „Wir haben eine virenbelastete Flüssigkeit auf die Folie gegeben und nach bestimmten Intervallen die Abtötungsrate bestimmt.“Nach 30 Minuten waren die Viren vollständig eliminiert. Funktionelle Tests bestätigten, dass die Viren „biologisch inaktiv“waren, also keinen Schaden anrichten konnten. „Die Virenlast in diesen Versuchen betrug ein Vielfaches von dem, was im Alltag auf einer Fläche, die von vielen Menschen berührt oder auch angehustet wird, vorhanden ist.“Daher würde die Folie auf Türschnallen oder auf Haltegriffen den Krankheitserregern in wenigen Sekunden den Garaus machen.
Durchgeführt wurden die Tests mit Bakteriophagen, also Viren, die Bakterien angreifen und daher für Menschen ungefährlich sind. An der Grazer Med-Uni gibt es auch zwei Labore, die mit höchsten Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet sind. „Dort können künftig Tests mit Covid- und InfluenzaErregern durchgeführt werden“, sagt Kittinger. Was ebenfalls überprüft wird, ist die Beständigkeit der Folie und der keimtötenden Partikel gegen Chemikalien. „Schließlich müssen derart beschichtete Oberflächen gereinigt werden, damit die Metallpartikel nicht unter einer Schmutzschicht begraben werden“, erklärt Andreas Hinterer. „Und sie dürfen bei einer derartigen Behandlung ihre Wirkung nicht verlieren.“Wie lang der Schutz im praktischen Einsatz überhaupt anhält, wird parallel in Langzeitversuchen ermittelt.
Virensicher im Flugzeug
Ausgangspunkt für das von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützte Projekt war die Fragestellung, ob man die Innenverkleidung von Flugzeugen, beispielsweise die Griffe der Gepäckklappen und Klapptische, antibakteriell und antiviral beschichten könne. Dies deshalb, weil mit der Ames GmbH aus Peggau ein Luftfahrtunternehmen als Partner zur Verfügung steht.
„Selbstverständlich aber gehen die Anwendungsmöglichkeiten weit darüber hinaus“, sagt Hinterer. Weitere Partner sind die FH Oberösterreich sowie Joanneum Research. In der zweijährigen Projektphase werden neben der Verfahrensoptimierung weitere Wirkstoffkombinationen getestet.