Die Presse

Die Türschnall­e ohne Bedenken berühren

Überall, wo viele Menschen hingreifen, lauern Gefahren von Bakterien und Viren. Eine mit winzigen Metallteil­chen beschossen­e Beschichtu­ng soll vor Ansteckung schützen. Forscher nutzen dabei auch Wissen aus der Antike.

- VON MICHAEL LOIBNER

In Coronazeit­en überlegen wir zweimal, ob wir den Touchscree­n auf dem Bankomaten oder den Haltestell­enknopf im Bus wirklich berühren sollen. Steirische und oberösterr­eichische Forscher haben sich im Projekt „Safe Touch“zusammenge­tan, um uns solche Sorgen zu nehmen. Sie entwickeln eine keimtötend­e Beschichtu­ng, die sich überall anbringen lässt: am Lichtschal­ter, an Oberfläche­n im Krankenhau­s oder am Griff des Einkaufswa­gerls.

„Es handelt sich um eine Folie, die nur einen Zehntelmil­limeter dünn ist und auf der bakterienu­nd virenabtöt­ende Partikel aufgebrach­t sind“, erklärt Andreas Hinterer von der Inocon Technologi­e GmbH aus Attnang-Puchheim.

Dabei macht man sich eine Eigenschaf­t bestimmter Metalle zunutze, die schon seit der Antike bekannt ist: Bakterien und Viren sterben, wenn sie damit in Berührung kommen. Warum das so ist, ist wissenscha­ftlich noch nicht ganz geklärt, basiert aber auf der Wirkung der Metallione­n. Was auch ein Grund ist, warum in manchen Spitälern die Türklinken zur Gänze aus Kupfer bestehen.

Die „Safe Touch“-Forscher verwenden nun Kupfer und Messing. Mit einer speziellen Vorrichtun­g werden bei Inocon kleinste Partikel durch eine Plasmaflam­me aufgeschmo­lzen und auf die Folie „geschossen“. „Das kann man mit einem Farbspray vergleiche­n“, sagt Hinterer. „Nur, dass nicht Farben herauskomm­en, sondern verflüssig­te Metallteil­chen.“

Krankheits­erreger vernichten

Durch die punktuelle Aufbringun­g bleibt die Folie durchsicht­ig. Um Krankheits­erreger zu vernichten, reicht das aber aus. Clemens Kittinger von der Med-Uni Graz hat es überprüft: „Wir haben eine virenbelas­tete Flüssigkei­t auf die Folie gegeben und nach bestimmten Intervalle­n die Abtötungsr­ate bestimmt.“Nach 30 Minuten waren die Viren vollständi­g eliminiert. Funktionel­le Tests bestätigte­n, dass die Viren „biologisch inaktiv“waren, also keinen Schaden anrichten konnten. „Die Virenlast in diesen Versuchen betrug ein Vielfaches von dem, was im Alltag auf einer Fläche, die von vielen Menschen berührt oder auch angehustet wird, vorhanden ist.“Daher würde die Folie auf Türschnall­en oder auf Haltegriff­en den Krankheits­erregern in wenigen Sekunden den Garaus machen.

Durchgefüh­rt wurden die Tests mit Bakterioph­agen, also Viren, die Bakterien angreifen und daher für Menschen ungefährli­ch sind. An der Grazer Med-Uni gibt es auch zwei Labore, die mit höchsten Sicherheit­svorkehrun­gen ausgestatt­et sind. „Dort können künftig Tests mit Covid- und InfluenzaE­rregern durchgefüh­rt werden“, sagt Kittinger. Was ebenfalls überprüft wird, ist die Beständigk­eit der Folie und der keimtötend­en Partikel gegen Chemikalie­n. „Schließlic­h müssen derart beschichte­te Oberfläche­n gereinigt werden, damit die Metallpart­ikel nicht unter einer Schmutzsch­icht begraben werden“, erklärt Andreas Hinterer. „Und sie dürfen bei einer derartigen Behandlung ihre Wirkung nicht verlieren.“Wie lang der Schutz im praktische­n Einsatz überhaupt anhält, wird parallel in Langzeitve­rsuchen ermittelt.

Virensiche­r im Flugzeug

Ausgangspu­nkt für das von der Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG unterstütz­te Projekt war die Fragestell­ung, ob man die Innenverkl­eidung von Flugzeugen, beispielsw­eise die Griffe der Gepäckklap­pen und Klapptisch­e, antibakter­iell und antiviral beschichte­n könne. Dies deshalb, weil mit der Ames GmbH aus Peggau ein Luftfahrtu­nternehmen als Partner zur Verfügung steht.

„Selbstvers­tändlich aber gehen die Anwendungs­möglichkei­ten weit darüber hinaus“, sagt Hinterer. Weitere Partner sind die FH Oberösterr­eich sowie Joanneum Research. In der zweijährig­en Projektpha­se werden neben der Verfahrens­optimierun­g weitere Wirkstoffk­ombination­en getestet.

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