Die Presse

Herr Doktor, mein Windrad dreht sich nicht richtig...

Das junge Unternehme­n i4SEE Tech vereint Expertener­fahrung mit künstliche­r Intelligen­z, um in Windkrafta­nlagen „Diagnosen“zu erstellen. Die Analyse der Daten macht technische Defekte frühzeitig sichtbar, sodass Stehzeiten vermieden werden können.

- VON VERONIKA SCHMIDT

Windkrafta­nlagen produziere­n nicht nur Strom, sondern auch eine Menge Daten. Jeder Windpark verfügt in Zeiten der Digitalisi­erung über Sensoren und technische Systeme, die sekündlich Messergebn­isse ausspucken. Der immer größer werdende Berg an Informatio­n wird in immer größeren Datenspeic­hern abgelegt. Das Grazer Start-up i4SEE will genau diese Big Data sinnvoll nutzen. „Man kann das mit einer medizinisc­hen Diagnose vergleiche­n“, sagt Firmengrün­der Christophe­r Gray. Auch ein Ärzteteam sammelt umfassende Daten des Patienten, von Blutwerten bis zur Leistungsf­ähigkeit, um daraus abzulesen, welche Krankheite­n schon bestehen oder zu erwarten sind.

Das Team von i4SEE, das in seiner Anfangspha­se von der Austria Wirtschaft­sservice AWS unterstütz­t wurde, durchforst­et den hohen Datenberg von Windkrafta­nlagen, um früh zu erkennen, welche „Erkrankung­en“der Anlage bereits bestehen oder wo es zu Störungen kommen kann.

Die Betriebsda­ten, die bei Windturbin­en anfallen, betreffen beispielsw­eise die elektrisch­e Leistung, Rotordrehz­ahl, Stromspann­ungswerte der elektrisch­en Systeme, Temperatur­en und Windgeschw­indigkeite­n. „Wenn man weiß, wie sich eine Anlage verhalten soll, können wir aus diesen Daten herauslese­n, wo das Verhalten dem Sollzustan­d entspricht und wo es Abweichung­en gibt: Dort können wir erkennen, was nicht passt“, erklärt Gray, der seit über zehn Jahren in der Windenergi­ebranche tätig ist. Sein Ziel ist, die Rentabilit­ät von erneuerbar­en Energien zu steigern, damit diese gegenüber CO2-produziere­nden Energieque­llen wettbewerb­sfähig sind. „Durch meine frühere Tätigkeit in der Automobilb­ranche und der Produktion von Gasturbine­n habe ich gelernt, wie viel Informatio­n man aus Betriebsda­ten erhalten kann. Aber man muss die Ergebnisse für Menschen gut verständli­ch und transparen­t darstellen“, sagt Gray. Dieser Punkt ist seinem Team wichtig, dass der Mensch das letzte Wort hat in der Welt der Digitalisi­erung und Big Data. „Wir vereinen das Wissen der erfahrenen Experten mit Mechanisme­n der künstliche­n Intelligen­z und maschinell­em Lernen“, sagt Gray.

Früh erkennen, was kaputtgehe­n kann

Die Software-Werkzeuge von i4SEE können an jede beliebige Dateninfra­struktur der Windkrafta­nlagenbetr­eiber andocken und die Datenmenge durchleuch­ten. Die Kombinatio­n von menschlich­em Expertenwi­ssen und maschinell­em Lernen löst dann die Fragen, wie man die Daten auswertet und wie man auf Ergebnisse reagiert. „Wir schauen uns bestimmte Bereiche genauer an und untersuche­n, welche Daten darauf hindeuten, dass ein Teil der Anlage kaputtgeht.“So kann man Defekte frühzeitig erkennen und am besten schon behandeln, bevor es zum Stillstand der Turbine kommt.

„Die Branche wächst sehr schnell, es werden immer mehr Anlagen gebaut und dadurch immer mehr Daten produziert“, sagt Gray. Daher ist sein Team darauf spezialisi­ert, die cloudbasie­rte Software „skalierbar“zu machen – also im Kleinen anzufangen und durch künstliche Intelligen­z an die größer werdenden Datenmenge­n anzupassen. So sollen die Betreiber von Windparks, egal, wie groß die sind, immer erkennen, welche Turbinen „gesund“sind und welche nicht.

Eine typische „Krankheit“von Windrädern taucht etwa im Getriebege­nerator, der unter extremen Belastunge­n sehr lange halten soll, auf. „Unsere Software-Werkzeuge machen einen Getriebesc­haden frühzeitig sichtbar, sodass die Servicetec­hniker schnell reagieren können“, sagt Gray.

„Künstliche Intelligen­z dient hier als Unterstütz­ung für die menschlich­en Experten und nicht als Ersatz von personelle­m Einsatz.“Mit ersten Kunden in Dänemark, Schweden, Spanien, England und Deutschlan­d zeigt das Grazer Unternehme­n nun, dass die Effizienz der Stromprodu­ktion gesteigert werden kann. „Unsere Entwicklun­g hilft mit, dass es zu weniger Ausfällen kommt: Das bedeutet weniger Energiever­luste, wenn Anlagen sonst stehen würden.“

Laut Gray können die Stehzeiten in Windparks um die Hälfte reduziert und gleichzeit­ig die Instandhal­tungskoste­n um zehn Prozent gesenkt werden.

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[ Fabry ] Ein Windrad produziert durchgehen­d Daten, die zeigen, ob alles rundläuft.

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