Miteinander von Mensch Natur als Friedensprojekt
2021 entsteht der erste, fünf Länder einbeziehende Biosphärenpark – unter Mitwirkung der Steiermark. Günter Köck, Geschäftsführer des Unesco-Biosphären-Programms in Österreich, über dessen Bedeutung.
Die Presse: Wie ein Nationalpark aussieht, haben viele Menschen im Land vor Augen. Bei einem Biosphärenpark ist das anders – was ist sein Anliegen?
Günter Köck: Biosphärenparks sind von der Unesco anerkannte Gebiete, in denen Modelle für das Miteinander von Mensch und Umwelt erprobt werden. Denken Sie etwa an den Nationalpark Hohe Tauern mit seinen Gipfeln, Gletschern und Wildbächen – das ist eindeutig ein Wildnisgebiet. Und dann an ein Bild vom Wienerwald: Das ist eine Kulturlandschaft, aber dennoch mit sehr hoher Artenvielfalt, die es zu erhalten gilt. Der Mensch schützt nur das, was er kennt. „Schützen durch Nützen“, lautet deshalb ein Motto der Biosphärenparks.
Und dieses Motto könnte Biosphärenparks zu Modellregionen für nachhaltiges
Leben machen, heißt es im eben erschienenen Buch „Biosphäre 4.0“. Was kann man sich darunter vorstellen?
2021 wird das „Mensch und Biosphäre“Programm der Unesco (MAB-Programm), im Rahmen dessen Biosphärenparks weltweit organisiert sind, 50 Jahre alt; Österreich war übrigens von Beginn an dabei. Als „4.0“kommt nun zum Naturschutz und den Anliegen der nachhaltigen Entwicklung sowie Bildung und Forschung der Erhalt der kulturellen Vielfalt hinzu – und eine stärkere Berücksichtigung von sozial-, politik- und wirtschaftswissenschaftlichen Fragen.
Seit 2019 gibt es den vierten österreichischen Biosphärenpark, das „Untere Murtal“in der Steiermark – als Teil eines grenzüberschreitenden Biosphärenparks. Was ist besonders daran?
Dieser Fünf-Länder-Biosphärenpark umfasst Flusslandschaften in Österreich, Ungarn, Slowenien, Kroatien und Serbien. Wird er von der Unesco Mitte 2021 genehmigt, wäre er der weltweit erste aus fünf Ländern bestehende Biosphärenpark. Das Donaugebiet mit seinen Nebenflüssen Mur und Drau ist ein jahrtausendealter, immer wieder von Konflikten geprägter Kulturraum und heute mit dem Fünf-Länder-Biosphärenpark ein Friedensprojekt.
Waren die Verhandlungen, zwanzig Jahre nach den Jugoslawien-Kriegen, auch von politischen Interessen geprägt?
Ja, ganz stark. Durch die Zusammenarbeit am Boden, auf Ebene des Naturschutzes, haben wir aber gesehen: Öha, da funktioniert ja die Kooperation ausgezeichnet! Natürlich trägt auch Beharrlichkeit dazu bei und wir – neben mir die Kollegen Arno Mohl vom WWF und Gerhard Schwach aus dem Landwirtschaftsministerium – haben alle diplomatischen Register gezogen. Auf rein politischer Ebene wäre das sicher nicht gelungen.
Gibt es im Rahmen des BiosphärenparkKonzeptes finanzielle Unterstützung für die Region?
Von der Unesco selbst nicht, sie stellt aber die Expertise ihres Netzwerks zur
Verfügung. Das Geld muss in Österreich – wie anderswo – aus den Bundesländern kommen. Wir als österreichisches MAB-Komitee ergreifen aber immer wieder Initiative in Paris (Unesco-Hauptsitz; Anm.); auch die Erstellung des gemeinsamen Antrags für den Fünf-Länder-Biosphärenpark hat Österreich finanziert.
Müssen sich BP dabei nicht oft gegen wirtschaftliche Interessen durchsetzen?
Na ja, wirtschaftliche Interessen sind ja nicht schlecht – wenn sie nachhaltig sind. Und sind sie das nicht, lassen sie sich im Biosphärenpark in Richtung Nachhaltigkeit lenken. Deshalb gibt es auch die „Zonierung“als Kriterium für Bioshärenparks: Die jeweilige Region ist in Kern-, Puffer- und Entwicklungszonen geteilt, für die unterschiedliche Auflagen gelten. Und einer unserer Grundsätze lautet, immer die Bevölkerung ins Boot zu holen, Beteiligung zu ermöglichen. Natürlich ist auch die Wasserkraft einer der Gründe für den Fünf-LänderPark – weil sie die Gefahr birgt, diese FlussÖkosysteme zu zerstören. Würde man oberhalb des steirischen BPs einen Staudamm bauen, wäre das Ökosystem in der Kernzone gefährdet. Und ein Biosphärenpark muss ökologisch funktionsfähig bleiben.
In Zeiten, in denen es so schwierig scheint, die Bedeutung von Klimawandel oder Impfkampagnen zu kommunizieren: Wie holt man die Bevölkerung ins Boot?
Für uns bedeutet das Informationsveranstaltungen sonder Zahl. In jedem Gebiet gibt es Interessen und Interessenvertreter, ob Landwirtschaft, Jagd, Fischerei, Tourismus oder Handel – es braucht für jeden gezielte Information. Und es müssen sich Leitfiguren hervortun, die den Menschen sagen: „Leitln, wir müssen unsere Region schützen!“
Wie bezieht man etwa die Landwirte ein?
Georg Grabherr (österr. Ökologie-Vorreiter;
Anm.) hat zum Beispiel im Biosphärenpark Großes Walsertal die „Wiesenmeisterschaften“eingeführt: Wer die höchste Artenvielfalt auf seinen Wiesen hat, ist BiosphärenWiesenmeister. Das macht die Menschen stolz – auch dass sie ihre Produkte über ein Biosphärenpark-Label anbieten oder ausländischen Gäste ihre vorbildlichen Produktionsstätten zeigen können.
Im Projekt „ScienceLink“arbeitet das Nockberge-Biosphärenpark-Management mit der Universität Klagenfurt zusammen – wie funktioniert das?
Obwohl Forschung ja eine der Biosphärenpark-Säulen ist, ist es schwierig, sie in die Biosphärenparks reinzubringen – oft weil der Mehrwert der wissenschaftlichen Arbeit nicht erkannt wird. In den Nockbergen wurden Forschungsfragen definiert, die jetzt an der Uni Klagenfurt und der FH Kärnten bearbeitet werden, etwa zur Almwirtschaft oder touristischen Bedeutung der Biosphärenparks. Sie gelten ja außerdem als „Freilandlabore“, um etwa klimawandelresistente Baumarten oder landwirtschaftliche Produktionstechniken auszuprobieren. Wenn etwas in die Hose geht, lernt man daraus.
Was kann man schon heute von den Biosphärenparks lernen für unser aller Zusammenleben?
Ich sitze hier in Innsbruck und schaue auf die Axamer Lizum mit ihren Beschneiungsanlagen. In Tirol mussten wir zwei Biosphärenparks von der Liste streichen, weil sie den Unesco-Vorgaben nicht mehr entsprachen. Dabei wäre auch ein Skigebiet als Biosphärenpark-Modellregion denkbar, Seilbahnen ließen sich mit Fotovoltaik betreiben. Aber die Menschen müssen einbezogen, nach ihren Ideen gefragt werden. Dann kann man die Bevölkerung viel leichter überzeugen mitzuarbeiten.