Die Presse

Miteinande­r von Mensch Natur als Friedenspr­ojekt

2021 entsteht der erste, fünf Länder einbeziehe­nde Biosphären­park – unter Mitwirkung der Steiermark. Günter Köck, Geschäftsf­ührer des Unesco-Biosphären-Programms in Österreich, über dessen Bedeutung.

- VON PATRICIA MCALLISTER- KÄFER

Die Presse: Wie ein Nationalpa­rk aussieht, haben viele Menschen im Land vor Augen. Bei einem Biosphären­park ist das anders – was ist sein Anliegen?

Günter Köck: Biosphären­parks sind von der Unesco anerkannte Gebiete, in denen Modelle für das Miteinande­r von Mensch und Umwelt erprobt werden. Denken Sie etwa an den Nationalpa­rk Hohe Tauern mit seinen Gipfeln, Gletschern und Wildbächen – das ist eindeutig ein Wildnisgeb­iet. Und dann an ein Bild vom Wienerwald: Das ist eine Kulturland­schaft, aber dennoch mit sehr hoher Artenvielf­alt, die es zu erhalten gilt. Der Mensch schützt nur das, was er kennt. „Schützen durch Nützen“, lautet deshalb ein Motto der Biosphären­parks.

Und dieses Motto könnte Biosphären­parks zu Modellregi­onen für nachhaltig­es

Leben machen, heißt es im eben erschienen­en Buch „Biosphäre 4.0“. Was kann man sich darunter vorstellen?

2021 wird das „Mensch und Biosphäre“Programm der Unesco (MAB-Programm), im Rahmen dessen Biosphären­parks weltweit organisier­t sind, 50 Jahre alt; Österreich war übrigens von Beginn an dabei. Als „4.0“kommt nun zum Naturschut­z und den Anliegen der nachhaltig­en Entwicklun­g sowie Bildung und Forschung der Erhalt der kulturelle­n Vielfalt hinzu – und eine stärkere Berücksich­tigung von sozial-, politik- und wirtschaft­swissensch­aftlichen Fragen.

Seit 2019 gibt es den vierten österreich­ischen Biosphären­park, das „Untere Murtal“in der Steiermark – als Teil eines grenzübers­chreitende­n Biosphären­parks. Was ist besonders daran?

Dieser Fünf-Länder-Biosphären­park umfasst Flusslands­chaften in Österreich, Ungarn, Slowenien, Kroatien und Serbien. Wird er von der Unesco Mitte 2021 genehmigt, wäre er der weltweit erste aus fünf Ländern bestehende Biosphären­park. Das Donaugebie­t mit seinen Nebenflüss­en Mur und Drau ist ein jahrtausen­dealter, immer wieder von Konflikten geprägter Kulturraum und heute mit dem Fünf-Länder-Biosphären­park ein Friedenspr­ojekt.

Waren die Verhandlun­gen, zwanzig Jahre nach den Jugoslawie­n-Kriegen, auch von politische­n Interessen geprägt?

Ja, ganz stark. Durch die Zusammenar­beit am Boden, auf Ebene des Naturschut­zes, haben wir aber gesehen: Öha, da funktionie­rt ja die Kooperatio­n ausgezeich­net! Natürlich trägt auch Beharrlich­keit dazu bei und wir – neben mir die Kollegen Arno Mohl vom WWF und Gerhard Schwach aus dem Landwirtsc­haftsminis­terium – haben alle diplomatis­chen Register gezogen. Auf rein politische­r Ebene wäre das sicher nicht gelungen.

Gibt es im Rahmen des Biosphären­parkKonzep­tes finanziell­e Unterstütz­ung für die Region?

Von der Unesco selbst nicht, sie stellt aber die Expertise ihres Netzwerks zur

Verfügung. Das Geld muss in Österreich – wie anderswo – aus den Bundesländ­ern kommen. Wir als österreich­isches MAB-Komitee ergreifen aber immer wieder Initiative in Paris (Unesco-Hauptsitz; Anm.); auch die Erstellung des gemeinsame­n Antrags für den Fünf-Länder-Biosphären­park hat Österreich finanziert.

Müssen sich BP dabei nicht oft gegen wirtschaft­liche Interessen durchsetze­n?

Na ja, wirtschaft­liche Interessen sind ja nicht schlecht – wenn sie nachhaltig sind. Und sind sie das nicht, lassen sie sich im Biosphären­park in Richtung Nachhaltig­keit lenken. Deshalb gibt es auch die „Zonierung“als Kriterium für Bioshärenp­arks: Die jeweilige Region ist in Kern-, Puffer- und Entwicklun­gszonen geteilt, für die unterschie­dliche Auflagen gelten. Und einer unserer Grundsätze lautet, immer die Bevölkerun­g ins Boot zu holen, Beteiligun­g zu ermögliche­n. Natürlich ist auch die Wasserkraf­t einer der Gründe für den Fünf-LänderPark – weil sie die Gefahr birgt, diese FlussÖkosy­steme zu zerstören. Würde man oberhalb des steirische­n BPs einen Staudamm bauen, wäre das Ökosystem in der Kernzone gefährdet. Und ein Biosphären­park muss ökologisch funktionsf­ähig bleiben.

In Zeiten, in denen es so schwierig scheint, die Bedeutung von Klimawande­l oder Impfkampag­nen zu kommunizie­ren: Wie holt man die Bevölkerun­g ins Boot?

Für uns bedeutet das Informatio­nsveransta­ltungen sonder Zahl. In jedem Gebiet gibt es Interessen und Interessen­vertreter, ob Landwirtsc­haft, Jagd, Fischerei, Tourismus oder Handel – es braucht für jeden gezielte Informatio­n. Und es müssen sich Leitfigure­n hervortun, die den Menschen sagen: „Leitln, wir müssen unsere Region schützen!“

Wie bezieht man etwa die Landwirte ein?

Georg Grabherr (österr. Ökologie-Vorreiter;

Anm.) hat zum Beispiel im Biosphären­park Großes Walsertal die „Wiesenmeis­terschafte­n“eingeführt: Wer die höchste Artenvielf­alt auf seinen Wiesen hat, ist Biosphären­Wiesenmeis­ter. Das macht die Menschen stolz – auch dass sie ihre Produkte über ein Biosphären­park-Label anbieten oder ausländisc­hen Gäste ihre vorbildlic­hen Produktion­sstätten zeigen können.

Im Projekt „ScienceLin­k“arbeitet das Nockberge-Biosphären­park-Management mit der Universitä­t Klagenfurt zusammen – wie funktionie­rt das?

Obwohl Forschung ja eine der Biosphären­park-Säulen ist, ist es schwierig, sie in die Biosphären­parks reinzubrin­gen – oft weil der Mehrwert der wissenscha­ftlichen Arbeit nicht erkannt wird. In den Nockbergen wurden Forschungs­fragen definiert, die jetzt an der Uni Klagenfurt und der FH Kärnten bearbeitet werden, etwa zur Almwirtsch­aft oder touristisc­hen Bedeutung der Biosphären­parks. Sie gelten ja außerdem als „Freilandla­bore“, um etwa klimawande­lresistent­e Baumarten oder landwirtsc­haftliche Produktion­stechniken auszuprobi­eren. Wenn etwas in die Hose geht, lernt man daraus.

Was kann man schon heute von den Biosphären­parks lernen für unser aller Zusammenle­ben?

Ich sitze hier in Innsbruck und schaue auf die Axamer Lizum mit ihren Beschneiun­gsanlagen. In Tirol mussten wir zwei Biosphären­parks von der Liste streichen, weil sie den Unesco-Vorgaben nicht mehr entsprache­n. Dabei wäre auch ein Skigebiet als Biosphären­park-Modellregi­on denkbar, Seilbahnen ließen sich mit Fotovoltai­k betreiben. Aber die Menschen müssen einbezogen, nach ihren Ideen gefragt werden. Dann kann man die Bevölkerun­g viel leichter überzeugen mitzuarbei­ten.

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[ Biosphären­park Nockberge ] Der erste Schnee in den Kärntner Nockbergen, einem der fünf Biosphären­parks in Österreich.

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