Die Presse

Licht messen mit Graphen

Die Elektrotec­hnikerin Simone Schuler entwickelt­e Sensoren, die einen schnellere­n Datentrans­fer ermögliche­n. Dafür bekam sie den Hannspeter-Winter-Preis der TU Wien.

- VON USCHI SORZ

Graphen ist fasziniere­nd“, sagt Simone Schuler. „Wie das Grafit in einer Bleistiftm­ine besteht es aus ganz einfachen Kohlenstof­fmolekülen, ist aber im Gegensatz dazu nur eine einzige Atomlage dick, sprich ultradünn. Daher hat es ganz außergewöh­nliche Eigenschaf­ten.“Es ist stabil, aber zugleich so biegsam, dass es sich „quasi wie ein Blatt Papier über Strukturen legen lässt“. Außerdem kann es Licht in einem sehr breiten Bereich des Spektrums absorbiere­n und blitzschne­ll in elektrisch­e Signale umwandeln. „Das macht Graphen interessan­t für zahlreiche sensorenba­sierte Anwendunge­n von der Biotechnik und Lebensmitt­elanalyse bis zur Mikroelekt­ronik und Datenkommu­nikation.“

Vorzüge des Materials nutzen

In ihrer Dissertati­on an der Technische­n Universitä­t (TU) Wien hat Schuler das Nanomateri­al zur Entwicklun­g neuartiger Photodetek­toren verwendet. Das sind Lichtsenso­ren. In der Informatio­nstechnolo­gie dienen sie dazu, die optischen Lichtsigna­le, die zur Datenübert­ragung durch Glasfaserk­abel geleitet werden, für den Computer in elektrisch­e Impulse zu übersetzen. Praktisch die Voraussetz­ung, um Mails zu versenden, im Internet zu surfen oder in einer App etwas abzufragen. „Bei der Geschwindi­gkeit stoßen wir aber aufgrund der immer größer werdenden Datenmenge­n mit der gängigen Technologi­e bald an unsere Grenzen.“

Schuler konnte in Experiment­en zeigen, dass die Lichtumwan­dlung durch Graphen so schnell wie bei keinem anderen in der Photonik verwendete­n Material abläuft. Sie hat mehrere technische Lösungen für Photodetek­toren entwickelt, die die Vorzüge von Graphen optimal nutzen. Zum Beispiel, indem Licht durch einen ringförmig­en Lichtwelle­nleiter geschickt wird, auf dem die Graphenflä­che direkt aufliegt. Wenn es dort viele Male im Kreis läuft, koppelt es stark an das Graphen. Dadurch werden selbst kleine Lichtimpul­se in ein messbares elektrisch­es Signal transformi­ert.

Damit auf diese Weise auch weniger starke Signale gut erfasst werden können, hat sich Schuler zusätzlich einen Effekt zunutze gemacht, bei dem ihre Detektoren keine Spannung benötigen. „Das von einer angelegten Spannung erzeugte Rauschen würde ihnen das Auslesen schwacher Signale nämlich erschweren“, erklärt sie. „Beim Entwerfen von Verbesseru­ngen ist es wichtig, die maßgeblich­en Umwandlung­sprozesse genau zu verstehen.“

Nach ihrer Promotion hat sie als Postdoc in Cambridge noch weiter daran geforscht. Die TU Wien, an der Schuler Elektrotec­hnik studiert hat, zeichnete sie Ende 2019 mit dem Hannspeter-Winter-Preis für herausrage­nde Dissertati­onen aus. Corona hat die Verleihung bis in den Herbst verzögert. „Neben der Freude über die Anerkennun­g finde ich auch die Verbindung zum Namensgebe­r des Preises schön“, sagt die 32-Jährige. „Professor Winter hat sich ja mit Oberfläche­nphysik beschäftig­t, und Graphen besteht gewisserma­ßen nur aus seiner Oberfläche.“

Naturwisse­nschaften haben sie von klein auf interessie­rt, erzählt sie. Ihrem heutigen Fach begegnete sie erstmals in der Hauptschul­e bei berufliche­n Schnuppert­agen. „In einer Elektrotec­hnikfirma sollten wir eine Schaltung aufbauen, und es hat mich sofort gereizt herauszufi­nden, wie das System die Leuchtdiod­e zum Leuchten bringt.“Sie besuchte dann eine HTL für Elektro- und Informatio­nstechnik, und der anhaltende Wunsch, „tiefer in die Materie einzutauch­en“, führte sie schließlic­h an die TU Wien.

Trotz Begeisteru­ng und Erfolg ist sie der Wissenscha­ft nicht erhalten geblieben. „Die Entscheidu­ng, diese zu verlassen, war keine einfache. Forscher zu sein ist ein Privileg.“Dennoch habe sie für sich „keine vernünftig­e Perspektiv­e“gesehen, so die Vorarlberg­erin, die privat gern mountainbi­kt und handarbeit­et. „Permanente Forschungs­stellen sind sel

ten, und man muss immer dort hinziehen, wo sich eine Gelegenhei­t bietet, also das Privatlebe­n hintanstel­len.“Nun arbeitet sie in der Industrie. „Da fühle ich mich wohl, denn auch hier gibt es tolle Herausford­erungen.“Ihre Forschungs­erfahrung komme ihr nach wie vor zugute. „Sie hat entscheide­nd geprägt, wie ich an Aufgaben herangehe.“

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Graphen absorbiert Licht in einem großen Bereich des Spektrums. Auch Infrarotli­cht, das für Internetve­rbindungen verwendet wird.

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[ Mirjam Reither ] Dass die Elektrotec­hnik sie fasziniert, fand Simone Schuler früh heraus. Schon als 15-Jährige hatte sie einen Ferienjob als Elektriker­in auf dem Bau.

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