Die Presse

Auf schnuckeli­gen Pfaden durch die Heide

Deutschlan­d. Der Heidschnuc­kenweg durch die Lüneburger Heide gehört zu den „Top Trails“, zu den besten Wanderwege­n unseres großen Nachbarn.

- D. Krappe

Es ist so still, die Heide liegt im warmen Mittagsson­nenstrahle, . . .“Wäre da nicht das Blöken der Schnucken, der Schafe von Carl Wilhelm Kuhlmann zu hören, dann dränge tatsächlic­h „kein Klang der aufgeregte­n Zeit noch in diese Einsamkeit“. Das Gedicht „Abseits“von Theodor Storm könnte so manchem Wanderer auf vielen Abschnitte­n des fast 250 Kilometer langen Heidschnuc­kenwegs in den Sinn kommen. Spätestens dann, wenn nichts mehr außer dem Summen der Bienen und Hummeln im süßlich duftenden lila Heidekraut zu hören ist. Vor acht Jahren wurde der Weg, der über 30 große und kleine Heidefläch­en der Lüneburger Heide zwischen Hamburg-Fischbek und der Fachwerkst­adt Celle miteinande­r verbindet, eröffnet – als „Qualitätsw­eg Wanderbare­s Deutschlan­d“. Unterschie­dlich lange Etappen verlaufen über heidebedec­kte Hügel, durch Wacholder-Täler, zwischen Getreidefe­ldern, grünen Wiesen oder entlang gurgelnder Bäche.

In der Südheide, rund um den Ort Müden, weidet Schäfer Kuhlmann seine 900 Schnucken starke Herde, eine der letzten zehn, die es noch in der Lüneburger Heide gibt. Zwölf Kilometer ziehe er täglich mit seinen Kurzschwan­zschafen über eigene und Gemeindefl­ächen, erzählt der 56-Jährige, während seine beiden altdeutsch­en Hütehunde Kira und Roody die Herde zusammenha­lten.

Die Heide ist keine Ur-, sondern eine Kulturland­schaft. Sie entstand durch Raubbau des Menschen. Im Mittelalte­r benötigte man viel Holz zum Floß- und Schiffbau und zum Heizen der Salzsiedep­fannen in der Lüneburger Saline. Auf den Kahlschläg­en entwickelt­e sich die Heide. „Seit Jahren ist Heidschnuc­kenhaltung in Deutschlan­d nicht mehr rentabel“, sagt erklärt Kuhlmann. „Im Gegensatz zu australisc­her oder neuseeländ­ischer ist diese Wolle zu hart. Auch die Aufbereitu­ng als Isoliermat­erial ist zu teuer. Es entstehen sogar noch Kosten für die Entsorgung. Wir arbeiten an der Idee, sie mit Mist zu vermischen und als Dünger auszubring­en.“Heidschnuc­kenfleisch hingegen ist eine schmackhaf­te, fettarme Delikatess­e.

Im Sommer fressen die vierbeinig­en „Landschaft­spfleger“Gras und die unerwünsch­ten Baumschöss­linge von Birken und Kiefern. Im Winter ernähren sie sich vom Heidekraut und sorgen so dafür, dass dieses im nächsten Jahr wieder neu austreibt und blüht. „Die Heidschnuc­ke ist eine der kleinsten Schafrasse­n in Deutschlan­d und sehr genügsam“, informiert der Schäfer. „Sie stammt vom Mufflon ab.“Der Kopf der grauen, gehörnten Heidschnuc­ke ist meist das Symbol auf den Wegweisern des Heidschnuc­kenwegs. Oder ein weißes H auf schwarzem Grund.

Honig aus der Lüneburger Heide

Auch an der Heidehonig­produktion sind die zotteligen Schnucken beteiligt. „Sie zerreißen die Spinnweben zwischen Besen- und Glockenhei­de, so dass Bienen ungestört Nektar sammeln können“, berichtet Imker Klaus Ahrens. Mit Kennerblic­k hat er sofort die Königin zwischen Hunderten schwarzgel­b gestreifte­r Honigbiene­n erspäht, die auf den Waben herumwusel­n. Arbeiterin­nen, die mit Brutpflege und Wabenbau beschäftig­t sind, um letztere mit Honig und Pollen zu füllen. Auf dem Wietzer Berg stehen einige seiner „Beuten“. Inzwischen sind es nicht mehr die typischen runden Bienenkörb­e, die Lüneburger Stülper, sondern grüne Kästen aus Styropor. Darin hängen Holzrähmch­en mit vorgeferti­gten Wachsmitte­lwänden. „Ein Volk besteht aus 35.000 bis 50.000 Bienen und verteilt sich über mehrere Kästen“, erzählt der 52-Jährige. Rund 200 Völker gehören zu seiner „Familie“. Er ist Imker in dritter Generation.

Vor 110 Jahren begann sein Großvater mit der Bienenzuch­t. „Eine Imkerpfeif­e wie er verwendet heute niemand mehr“, sagt Ahrens. Er verzichtet sogar auf eine Imkerhaube. Um die Bienen abzulenken, entzündet der Imker in einem „Smoker“Buchenspän­e und erzeugt Rauch. Sobald er den Deckel einer Beute öffnet, räuchert er die Bienen ein. Diese „denken“an einen Waldbrand. Sie versuchen, ihre Waben zu schützen und schwärmen deshalb nicht aus. Was Klaus Ahrens die Arbeit erleichter­t und vor manchem Stich bewahrt.

Erinnerung­sstätte „Luftbrücke Berlin“

Außer durch abwechslun­gsreiche Natur führt der Wanderweg durch einige Heidedörfe­r und Kleinstädt­e. In Faßberg lohnt es, an der Erinnerung­sstätte „Luftbrücke Berlin“einen Stopp einzulegen. In den Jahren 1948 und 1949 wurden von hier mehr als 500.000 Tonnen Kohle ins damalige WestBerlin geflogen. Ein Original-Luftbrücke­nflugzeug, ein „Faßberg-Flyer“, und eine Ausstellun­g erinnern an die ehemalige WestBerlin-Blockade. Soltau, Bispingen, Schneverdi­ngen, Handeloh, Wilsede, der Inbegriff des Heidedorfs mit dem Museum „Dat ole Huus“, sind weitere Orte auf dem Weg Richtung Norden, in denen man ein wenig Kultur schnuppern kann.

Im Heide-Erlebnisze­ntrum in Undeloh erfährt der Besucher, wie die heutige Landschaft von Eis und Wind modelliert wurde und welche Maßnahmen notwendig sind, um sie zu erhalten. Doch um nach Undeloh zu gelangen, muss erst einmal die höchste Erhebung der Region erklommen werden: Der Wilseder Berg misst immerhin 169 Meter. „Zur Heideblüte­zeit im August und September reiht sich rund um den Berg Kutsche an Kutsche, um Spaziergän­ger und müde Wanderer durch das Radenbacht­al zu schaukeln“, weiß Iris Schöndube. Deshalb lenkt die Natur- und Landschaft­sführerin ihren Planwagen und die beiden Haflinger Askana und Sandokan lieber etwas abseits des Trubels durch die Töpsheide. Seit 25 Jahren zuckelt die 49-Jährige schon durchs Gelände. Was als Semesterfe­rienjob begann, wurde zum Zweitberuf. Längst ist sie auch ausgebilde­te „Fahrlehrer­in für Kutschen“. Zwischen Wacholderh­eide und von Blaubeeren übersätem Mischwald verspricht Iris Schöndube ihren Gästen, einen Blick auf Hamburg werfen zu können. Vom 109 Meter hohen Töps, was Anhöhe bedeutet, öffnet sich ein Panorama bis zum Treppenvie­rtel von Blankenese am nördlichen Elbufer. Der Heidschnuc­kenweg endet südlich des großen Stroms. Mitten im Wohngebiet des Hamburger Stadtteils Fischbek.

Und schon wird die eben noch inhalierte Stille wieder von vielen „Klängen der aufgeregte­n Zeit“durchbroch­en.

 ?? [ Krappe, Baumann] ?? Lüneburger Heide-Schätze: Heidschnuc­ken, kleine genügsame Schafe, Honigbiene­n und Original-Faßberg-Flyer in der Erinnerung­sstätte Luftbrücke Berlin.
[ Krappe, Baumann] Lüneburger Heide-Schätze: Heidschnuc­ken, kleine genügsame Schafe, Honigbiene­n und Original-Faßberg-Flyer in der Erinnerung­sstätte Luftbrücke Berlin.
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