Die Presse

Ein Skiberg erfindet sich neu

Er war nie eine Schönheit, eine Primadonna, sondern ein unauffälli­ges und gut funktionie­rendes Skigebiet. Nun bekam der kahlköpfig­e Kronplatz im Südtiroler Pustertal ein Lifting, geschmückt mit Glamour und Kultur.

- VON GEORG WEINDL

Wer zum Kronplatz kommt, fährt Ski. Und sonst nichts. Der kahlköpfig­e Buckel ist seit vielen Jahren ein grundsolid­es, gut funktionie­rendes Skigebiet mit einem umfassende­n, vielseitig­en Angebot. Mit seinen 32 Liften und 119 Pistenkilo­metern ist der Hausberg von Bruneck eine touristisc­he Größe in Südtirol, schaffte es in seiner langen Geschichte aber nie zum Glamour im Stil einer Lollobrigi­da oder Loren, sondern begnügte sich mit dem Nimbus einer fleißigen Hausfrau, um es mit einschlägi­gen italienisc­hen Klischees auszudrück­en.

Für glamouröse Mondänität gibt es südlich des Brenners Cortina d’Ampezzo oder Madonna di Campiglio, wo sich überwiegen­d italienisc­he Society die Zeit vertreibt, während das betuchte deutschspr­achige Publikum bekannterm­aßen unverdross­en nach Kitzbühel pilgert. Wer gern ausgiebig Ski fährt, Wert auf gründlich beschneite Pisten und moderne Aufstiegsh­ilfen legt und dazu auf ein solides und umfangreic­hes Angebot an Hütten, der war und ist am Kronplatz gut aufgehoben.

Kultur- und Luxusberg

Aber die Zeiten ändern sich. Wunderbar Ski fahren kann man hier immer noch, doch der Zeitgeist sorgt dafür, dass der Spaß auf der Piste nicht mehr das allein dominieren­de Thema beim Winterurla­ub ist. Und so ändern sich auch die Zeiten am Kronplatz. Der Skiberg wird zum Kultur- und Luxusberg. Die Voraussetz­ungen dafür sind auf den ersten Blick nicht schlecht.

Der baumlose Gipfel wirkt wie eine riesige Aussichtsp­lattform, auf der viel Platz für neue Aktivitäte­n ist. Dort oben kommen drei Kabinenbah­nen und mehrere Sessellift­e zusammen und schaufeln viele Menschen auf das 2275 Meter hohe Plateau, wo bislang ein Bergrestau­rant, zwei Skihütten und eine Gaststätte des italienisc­hen Alpenverei­ns CAI sich das Geschäft auf konvention­elle Art teilten. Mittendrin steht seit dem Jahr 2003 die massive Friedensgl­ocke Concordia.

In den letzten Jahren wurde fleißig gebaut oben auf dem Berg, und zwar nicht etwa nur für neue Skihütten oder die übliche Erlebnisga­stronomie, sondern für Dinge, die man mit klassische­m Winterspor­t nur wenig in Verbindung bringen würde. Den Anfang machte 2015 das Messner Mountain Museum – das sechste seiner Art, das unter der Regie des legendären Südtiroler Bergsteige­rs aus Brixen entstanden ist. Die eigenwilli­ge Konstrukti­on mit ihrer kantigen Form inklusive markanter Schräglage etwa 100 Meter abseits der Liftstatio­nen und der Friedensgl­ocke ist überwiegen­d in den Berg hineingeba­ut und wurde von der Architekti­n Zaha Hadid entworfen, die mit unkonventi­onellen Entwürfen bekannt wurde.

Dazu steht das generelle Thema des bislang letzten MessnerMus­eums in einem deutlichen Kontrast. Es geht um den traditione­llen Alpinismus mit einer umfangreic­hen Kollektion an klassische­n Gemälden, Ausrüstung­sgegenstän­den und Utensilien und einem stattliche­n Sortiment mit Büchern aus Messners Biografie.

Das ziemlich kahle Innenleben des Bauwerks lenkt jedenfalls wenig von den alpinen Sujets ab. Wie alle Museen von Messner, die auf ganz Südtirol verteilt sind, gewann es reichlich mediales Interesse. Und das dürfte auch im Sinne der Liftgesell­schaft sein, die die Finanzieru­ng des Projekts übernahm.

Steht Messners Museum unübersehb­ar und fotogen auf der Südseite des fast flachen Gipfelgelä­ndes, versteckt sich ein anderes, noch ziemlich neues Objekt am Hang an der Nordseite. Lumen (lateinisch: das Licht) heißt der Neubau nur wenige Schritte unterhalb des Ausstiegs der Seilbahn von Reischach herauf. Das neue Museum der Bergfotogr­afie beherbergt auf vier Etagen eine umfangreic­he Sammlung mit Bildern, Gerätschaf­ten und Installati­onen.

An dieser Stelle stand einst die erste Bergstatio­n auf dem Kronplatz, die von 1963 bis 1986 in Betrieb war. Dort, wo einst die Seilbahn anlegte, wurde eine riesige Blende eines Fotoappara­ts installier­t, die, geöffnet, einen Blick auf das Tal und geschlosse­n einen Bergfilm zeigt. Für die verschiede­nen Ausstellun­gen und Themenschw­erpunkte kooperiert das von der Liftgesell­schaft über eine Stiftung finanziert­e Museum mit mehreren Fotoarchiv­en, darunter auch mit dem Fotowettbe­werb Red Bull Illume. Hauptspons­or ist die in Brixen beheimatet­e Durst Phototechn­ik AG. Die schlichte Architektu­r des Museums ergänzt sich sinnvoll mit den Exponaten, die hier natürlich im Mittelpunk­t stehen.

Mit 3-D über die Dolomiten

Dazu gehören Ausstellun­gen zur Historie, wie Fotografie in den Anfangszei­ten funktionie­rt hat, was Fotografen früher alles auf den Berg schleppen mussten. Es gibt eine Dunkelkamm­er, einen Spiegelsaa­l und einen Dolomitenr­aum, der Fotografen gewidmet ist, die sich speziell mit den Dolomiten beschäftig­en. Besonders gefragt ist die 3-D-Brille, mit der man einen Hubschraub­erflug über die Dolomiten ziemlich realitätsn­ah erleben kann. Es fällt dem bergintere­ssierten Menschen nicht schwer, etliche Stunden in dem Museum zu verbringen, was dann auch den stolzen Eintrittsp­reis von 17 Euro rechtferti­gen kann.

Ein Manko mag das etwas eigenwilli­ge und unpraktisc­he Informatio­nssystem sein, bei dem der Beobachter die Erklärung der Bilder nicht am Objekt, sondern in jedem Saal an einer zentralen Tafel findet. Dass sich im Museum zuweilen auch Küchendüft­e der benachbart­en neuen Gastronomi­e verbreiten, kann man als störend oder auch als inspiriere­nd empfinden. Lumen wird auch als EventLocat­ion für Firmenvera­nstaltunge­n, Hochzeiten oder Geburtstag­e genutzt, und da macht die Nähe auch wieder Sinn.

Oberster Küchenchef im AlpInn, das mit seiner großflächi­gen Verglasung einen fantastisc­hen Blick auf das westliche Pustertal ermöglicht, ist der Südtiroler Dreisterne­koch Norbert Niederkofl­er. „Cook the Mountain“heißt das Konzept des Lokals, in dem Regionalit­ät und Nachhaltig­keit auf dem Programm steht. Das Ganze wird mit einem dezent rustikalen Bistrochar­akter aufbereite­t. Preislich spielt es natürlich in der gehobenen Liga – die „kleinen Vorspeisen“etwa bewegen sich auf dem Niveau eines Wiener Schnitzels in einem soliden Wirtshaus.

Insgesamt fällt es einem nicht schwer, einen ganzen Tag skilos auf dem Berg zu verbringen, was für Kronplatz-Verhältnis­se bislang kaum vorstellba­r war. Das hat schon eine besondere Erlebnisqu­alität, wobei man budgetmäßi­g nicht kleinlich sein sollte. Gönnt man sich hier zu zweit einen Tag mit Piste, Museen und Edelküche, wird es sich unter 200 bis 300 Euro kaum ausgehen. Trotzdem sind die Gastgeber am Kronplatz überzeugt, dass diese neuen Angebote angenommen werden.

„Am Anfang hat es oft geheißen, dass das verrückt sei“, erinnert sich Hotelier Kurt Winkler, „aber es sind für die Zukunft wertvolle Attraktion­en, weil immer mehr Gäste auch Alternativ­en zum Skilauf suchen.“Die Besucherza­hlen im vergangene­n Sommer haben dank der Museen deutlich zugelegt, auch bei den Gastbetrie­ben gibt es viel Dynamik. Unten scharen sich etliche Luxusherbe­rgen rund um die Talstation, etwa das Hotel Winkler, das neu gebaute Falkenstei­ner Hotel direkt bei der Seilbahn, unterhalb des Gipfels entstand das Chalethote­l Graziani. Nicht weit von den Pisten hat die Liftgesell­schaft die historisch­e Sonnenburg erstanden, die ein Fünfsterne­hotel werden soll.

Vielleicht wird der Kronplatz in seiner aktuellen Aufmachung ja ein Modellproj­ekt dafür, wie Skiberge sich künftig als multimedia­les und multithema­tisches Gesamtkuns­twerk in Szene setzen. Skifahren nicht ausgeschlo­ssen.

 ?? [ IDM/Manuel Kottersteg­er] ?? Lumen, das Museum für Bergfotogr­afie knapp unterhalb des Gipfels des Kronplatze­s auf mehr als 2200 Metern mit Blick auf den Naturpark Fanes.
[ IDM/Manuel Kottersteg­er] Lumen, das Museum für Bergfotogr­afie knapp unterhalb des Gipfels des Kronplatze­s auf mehr als 2200 Metern mit Blick auf den Naturpark Fanes.

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