Ein Skiberg erfindet sich neu
Er war nie eine Schönheit, eine Primadonna, sondern ein unauffälliges und gut funktionierendes Skigebiet. Nun bekam der kahlköpfige Kronplatz im Südtiroler Pustertal ein Lifting, geschmückt mit Glamour und Kultur.
Wer zum Kronplatz kommt, fährt Ski. Und sonst nichts. Der kahlköpfige Buckel ist seit vielen Jahren ein grundsolides, gut funktionierendes Skigebiet mit einem umfassenden, vielseitigen Angebot. Mit seinen 32 Liften und 119 Pistenkilometern ist der Hausberg von Bruneck eine touristische Größe in Südtirol, schaffte es in seiner langen Geschichte aber nie zum Glamour im Stil einer Lollobrigida oder Loren, sondern begnügte sich mit dem Nimbus einer fleißigen Hausfrau, um es mit einschlägigen italienischen Klischees auszudrücken.
Für glamouröse Mondänität gibt es südlich des Brenners Cortina d’Ampezzo oder Madonna di Campiglio, wo sich überwiegend italienische Society die Zeit vertreibt, während das betuchte deutschsprachige Publikum bekanntermaßen unverdrossen nach Kitzbühel pilgert. Wer gern ausgiebig Ski fährt, Wert auf gründlich beschneite Pisten und moderne Aufstiegshilfen legt und dazu auf ein solides und umfangreiches Angebot an Hütten, der war und ist am Kronplatz gut aufgehoben.
Kultur- und Luxusberg
Aber die Zeiten ändern sich. Wunderbar Ski fahren kann man hier immer noch, doch der Zeitgeist sorgt dafür, dass der Spaß auf der Piste nicht mehr das allein dominierende Thema beim Winterurlaub ist. Und so ändern sich auch die Zeiten am Kronplatz. Der Skiberg wird zum Kultur- und Luxusberg. Die Voraussetzungen dafür sind auf den ersten Blick nicht schlecht.
Der baumlose Gipfel wirkt wie eine riesige Aussichtsplattform, auf der viel Platz für neue Aktivitäten ist. Dort oben kommen drei Kabinenbahnen und mehrere Sessellifte zusammen und schaufeln viele Menschen auf das 2275 Meter hohe Plateau, wo bislang ein Bergrestaurant, zwei Skihütten und eine Gaststätte des italienischen Alpenvereins CAI sich das Geschäft auf konventionelle Art teilten. Mittendrin steht seit dem Jahr 2003 die massive Friedensglocke Concordia.
In den letzten Jahren wurde fleißig gebaut oben auf dem Berg, und zwar nicht etwa nur für neue Skihütten oder die übliche Erlebnisgastronomie, sondern für Dinge, die man mit klassischem Wintersport nur wenig in Verbindung bringen würde. Den Anfang machte 2015 das Messner Mountain Museum – das sechste seiner Art, das unter der Regie des legendären Südtiroler Bergsteigers aus Brixen entstanden ist. Die eigenwillige Konstruktion mit ihrer kantigen Form inklusive markanter Schräglage etwa 100 Meter abseits der Liftstationen und der Friedensglocke ist überwiegend in den Berg hineingebaut und wurde von der Architektin Zaha Hadid entworfen, die mit unkonventionellen Entwürfen bekannt wurde.
Dazu steht das generelle Thema des bislang letzten MessnerMuseums in einem deutlichen Kontrast. Es geht um den traditionellen Alpinismus mit einer umfangreichen Kollektion an klassischen Gemälden, Ausrüstungsgegenständen und Utensilien und einem stattlichen Sortiment mit Büchern aus Messners Biografie.
Das ziemlich kahle Innenleben des Bauwerks lenkt jedenfalls wenig von den alpinen Sujets ab. Wie alle Museen von Messner, die auf ganz Südtirol verteilt sind, gewann es reichlich mediales Interesse. Und das dürfte auch im Sinne der Liftgesellschaft sein, die die Finanzierung des Projekts übernahm.
Steht Messners Museum unübersehbar und fotogen auf der Südseite des fast flachen Gipfelgeländes, versteckt sich ein anderes, noch ziemlich neues Objekt am Hang an der Nordseite. Lumen (lateinisch: das Licht) heißt der Neubau nur wenige Schritte unterhalb des Ausstiegs der Seilbahn von Reischach herauf. Das neue Museum der Bergfotografie beherbergt auf vier Etagen eine umfangreiche Sammlung mit Bildern, Gerätschaften und Installationen.
An dieser Stelle stand einst die erste Bergstation auf dem Kronplatz, die von 1963 bis 1986 in Betrieb war. Dort, wo einst die Seilbahn anlegte, wurde eine riesige Blende eines Fotoapparats installiert, die, geöffnet, einen Blick auf das Tal und geschlossen einen Bergfilm zeigt. Für die verschiedenen Ausstellungen und Themenschwerpunkte kooperiert das von der Liftgesellschaft über eine Stiftung finanzierte Museum mit mehreren Fotoarchiven, darunter auch mit dem Fotowettbewerb Red Bull Illume. Hauptsponsor ist die in Brixen beheimatete Durst Phototechnik AG. Die schlichte Architektur des Museums ergänzt sich sinnvoll mit den Exponaten, die hier natürlich im Mittelpunkt stehen.
Mit 3-D über die Dolomiten
Dazu gehören Ausstellungen zur Historie, wie Fotografie in den Anfangszeiten funktioniert hat, was Fotografen früher alles auf den Berg schleppen mussten. Es gibt eine Dunkelkammer, einen Spiegelsaal und einen Dolomitenraum, der Fotografen gewidmet ist, die sich speziell mit den Dolomiten beschäftigen. Besonders gefragt ist die 3-D-Brille, mit der man einen Hubschrauberflug über die Dolomiten ziemlich realitätsnah erleben kann. Es fällt dem berginteressierten Menschen nicht schwer, etliche Stunden in dem Museum zu verbringen, was dann auch den stolzen Eintrittspreis von 17 Euro rechtfertigen kann.
Ein Manko mag das etwas eigenwillige und unpraktische Informationssystem sein, bei dem der Beobachter die Erklärung der Bilder nicht am Objekt, sondern in jedem Saal an einer zentralen Tafel findet. Dass sich im Museum zuweilen auch Küchendüfte der benachbarten neuen Gastronomie verbreiten, kann man als störend oder auch als inspirierend empfinden. Lumen wird auch als EventLocation für Firmenveranstaltungen, Hochzeiten oder Geburtstage genutzt, und da macht die Nähe auch wieder Sinn.
Oberster Küchenchef im AlpInn, das mit seiner großflächigen Verglasung einen fantastischen Blick auf das westliche Pustertal ermöglicht, ist der Südtiroler Dreisternekoch Norbert Niederkofler. „Cook the Mountain“heißt das Konzept des Lokals, in dem Regionalität und Nachhaltigkeit auf dem Programm steht. Das Ganze wird mit einem dezent rustikalen Bistrocharakter aufbereitet. Preislich spielt es natürlich in der gehobenen Liga – die „kleinen Vorspeisen“etwa bewegen sich auf dem Niveau eines Wiener Schnitzels in einem soliden Wirtshaus.
Insgesamt fällt es einem nicht schwer, einen ganzen Tag skilos auf dem Berg zu verbringen, was für Kronplatz-Verhältnisse bislang kaum vorstellbar war. Das hat schon eine besondere Erlebnisqualität, wobei man budgetmäßig nicht kleinlich sein sollte. Gönnt man sich hier zu zweit einen Tag mit Piste, Museen und Edelküche, wird es sich unter 200 bis 300 Euro kaum ausgehen. Trotzdem sind die Gastgeber am Kronplatz überzeugt, dass diese neuen Angebote angenommen werden.
„Am Anfang hat es oft geheißen, dass das verrückt sei“, erinnert sich Hotelier Kurt Winkler, „aber es sind für die Zukunft wertvolle Attraktionen, weil immer mehr Gäste auch Alternativen zum Skilauf suchen.“Die Besucherzahlen im vergangenen Sommer haben dank der Museen deutlich zugelegt, auch bei den Gastbetrieben gibt es viel Dynamik. Unten scharen sich etliche Luxusherbergen rund um die Talstation, etwa das Hotel Winkler, das neu gebaute Falkensteiner Hotel direkt bei der Seilbahn, unterhalb des Gipfels entstand das Chalethotel Graziani. Nicht weit von den Pisten hat die Liftgesellschaft die historische Sonnenburg erstanden, die ein Fünfsternehotel werden soll.
Vielleicht wird der Kronplatz in seiner aktuellen Aufmachung ja ein Modellprojekt dafür, wie Skiberge sich künftig als multimediales und multithematisches Gesamtkunstwerk in Szene setzen. Skifahren nicht ausgeschlossen.