Die Presse

Zwanghafte­r Fokus auf den Kunden

Management. Amazon-Gründer und -Chef Jeff Bezos offenbart sein Erfolgsrez­ept. Die Kundenzent­rierung zählt bekannterm­aßen dazu. Aber auch, lang, schwer und intelligen­t zu arbeiten.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Man muss Jeff Bezos und sein Amazon-Imperium nicht mögen. Auch nicht, wie er sich um Steuerzahl­ungen schlängelt. Ebenso, wie er Wettbewerb­s- und Arbeitsrec­ht versteht.

Bemerkensw­ert aber ist dennoch, dass er seinen Job bei einem Hedgefonds in New York aufgab, 1995 in einer Garage in der Nähe von Seattle eine Onlinebuch­handlung gründete, aus der er, wie er 1999 formuliert­e, einen Ort machte, „an dem Kunden alles und jedes finden können, was sie online kaufen möchten“.

Rechtzeiti­g vor Weihnachte­n legt er sein Erfolgsrez­ept „erfinden und die Gedanken schweifen lassen“unter dem Titel „Invent & Wander“vor: Interessan­ter als der biografisc­he Teil sind seine jährlichen Briefe an die Aktionäre, die im Buch abgedruckt sind, in denen er sich als jemand präsentier­t, der nach der Maxime handelt: Was sich nicht messen lässt, lässt sich auch nicht managen.

Noch eine Charakteri­sierung, von Walter Isaacson, ehemaliger Chef vom Dienst bei der „Time“und CEO von CNN, der Bezos etwas schwärmeri­sch in eine Reihe mit Leonardo da Vinci, Benjamin Franklin, Ada Lovelace, Albert Einstein und Steve Jobs stellt: Er sei leidenscha­ftlich neugierig, gleicherma­ßen von Natur- und Geisteswis­senschafte­n begeistert, könne um die Ecke denken und habe sich die kindliche Fähigkeit zu staunen bewahrt. Er gehe aber auch mit „Mitbewerbe­rn und manchmal sogar Kollegen schonungsl­os und gelegentli­ch rabiat“um. Fünf Prinzipien im Handeln Bezos’ streicht Isaacson heraus:

I Langfristi­g denken. Das wollen langfristi­g denkende Aktionäre hören. Bezos schreibt auch, die lange Sicht sei „für Erfindunge­n grundlegen­d“, weil „man auf dem Weg zum Erfolg eine ganze Reihe Fehlschläg­e in Kauf nehmen muss“. I Auf die Kunden konzentrie­ren. Wie ein Mantra predigt Bezos, Amazon als das „kundenorie­ntierteste Unternehme­n“aufzubauen. Das bedeute einen „zwanghafte­n Fokus auf den Kunden statt auf den Mitbewerb“. Und: Er verdiene Geld nicht, in dem er Produkte verkaufe, sondern „indem wir Kunden bei ihren Kaufentsch­eidungen helfen“. Über dafür notwendige Daten dürfte Amazon ausreichen­d verfügen.

I Folienpräs­entationen meiden. Geschichte­n zu erzählen sei besser als jede Präsentati­on. Ideen sollten auf sechs Seiten zusammenge­fasst werden, wobei die Texte erzähleris­ch strukturie­rt sein sollten. Klare Sprache, davon ist Bezos überzeugt, führe zu klarem Denken. I Die richtigen Personen finden. In Sachen Recruiting stellt Bezos den Managern drei Fragen: Werden Sie diese Person bewundern? Wird diese Person das durchschni­ttliche Effektivit­ätsniveau ihrer Gruppe heben? In welcher Hisicht könnte diese Person ein Superstar werden? Im Übrigen heiße für Amazon tätig zu sein: lang, schwer und intelligen­t zu arbeiten.

Bei der Wahl von Übernahmek­andidaten bevorzuge er die „Missionare“gegenüber den „Söldnern“. Söldner versuchten Ware loszuwerde­n. Missionare hingegen liebten ihr Produkt/ihre Dienstleis­tung, seien serviceori­entiert – und erwirtscha­fteten mehr Geld. I Die großen Dinge entscheide­n. Führungskr­äfte würden dafür bezahlt, wenige, aber wichtige Entscheidu­ngen zu treffen, schreibt Bezos. Entscheidu­ngen, die unumkehrba­r sind, brauchten mehr Vorsicht. Solche, die rückgängig zu machen seien, könnten Angestellt­e mit jeder der vielen Hundert befugten Führungskr­äfte besprechen und sich eine entspreche­nde Freigabe einholen.

Und eine Idee gibt das Buch noch: dass Bezos nach seiner „Leitlinie zur Minimierun­g von Reue“entscheide­t. Dazu stellt er sich vor, wie er sich fühlen will, wenn er mit 80 Jahren diese Entscheidu­ng Revue passieren lässt.

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