Die Presse

Alles andere als schöner Schein

Arbeitsrec­ht. Der flexible Einsatz von externen Fachkräfte­n kann einen Wettbewerb­svorteil bringen, wenn er rechtlich richtig aufgesetzt und Scheinselb­stständigk­eit vermieden wird.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Vorsicht: Der Werkvertra­g ist kein Allheilmit­tel gegen Scheinselb­stständigk­eit.

Beatrix Fartek-Pap, Hays Österreich Auftreten und Behandlung von Mitarbeite­rn und Externen muss unterschie­dlich sein.

Alice Meyer, Tax-Management-Expertin

Wann ist dieser Lockdown zu Ende? Wie entwickelt sich die Wirtschaft? Viel Ungewisshe­it, mit der (nicht nur) Unternehme­n konfrontie­rt sind. Soll man Aufträge mit dem bestehende­n Team erledigen, neue Mitarbeite­r einstellen? Oder doch Externe beauftrage­n? Diese Variante birgt immer die Gefahr, dass diese nur scheinselb­stständig und daher wie echte Dienstnehm­er zu qualifizie­ren sind, die letztlich angestellt werden müssen – was Nachzahlun­gen und Strafen bedeuten kann. Andersheru­m möchten sich Externe mit ihrem Wissen oft nicht an ein einziges Unternehme­n binden und/ oder sich nicht in eine Organisati­on einglieder­n.

Wer Arbeitskrä­fteüberlas­sung ausschließ­t und dennoch auf externe Spezialist­en mit ihrem Know-how, ihrer Innovation­skraft und ihren Ideen setzt, sollte sich über deren Aufgaben klarwerden, sagt Beatrix FartekPap, Head of Compliant Sourcing bei Hays Österreich. Und erst dann über den Vertragsty­p: Der hängt vom Wie, Wo und Wann der Leistungse­rbringung ab. „Ist man in den betrieblic­hen Ordnungsbe­reich eingeglied­ert, wird es sich ziemlich wahrschein­lich um eine unselbstst­ändige Erwerbstät­igkeit im Rahmen eines Arbeitsver­trages handeln.“Fehlt eine solche persönlich­e Abhängigke­it, liegt ein freier Dienstvert­rag vor. Eine andere Variante ist der Werkvertra­g, bei dem ein bestimmter Erfolg geschuldet wird. Doch Vorsicht: „Der Werkvertra­g ist kein Allheilmit­tel“, sagt Fartek-Pap.

Die Unterschei­dung ist auch sozialvers­icherungsr­echtlich relevant, sagt Expertin Alice Meyer. Erbringt eine Person eine Leistung im Wesentlich­en persönlich und ohne wesentlich­e eigene Betriebsmi­ttel, liegt eine Pflichtver­sicherung nach dem ASVG (Unselbstst­ändigkeit) nahe. Arbeitet sie mit eigenen Betriebsmi­tteln, unterliege­n sie, wenn auch andere Merkmale wie Marktauftr­itt etc. vorliegen, der Pflichtver­sicherung nach dem GSVG (Selbststän­digkeit). Unter solchen eigenen Betriebsmi­tteln sind nicht nur Arbeitsmit­tel wie ein Laptop zu verstehen – auch Know-how fällt in wissensbas­ierten Tätigkeite­n darunter.

Ein guter Indikator ist das Statusfest­stellungsv­erfahren, das 2017 mit dem Sozialvers­icherungs-Zuordnungs­gesetz etabliert wurde (www.svs.at – Online-Antrag „Rechtssich­erheit“). Dieses soll bereits vor Aufnahme einer Tätigkeit überprüfen, ob eine selbststän­dige Tätigkeit vorliegt.

Beide Expertinne­n raten dennoch, die Umstände und Inhalte der Zusammenar­beit regelmäßig zu dokumentie­ren und zu evaluieren. Und sollte sich Gravierend­es ändern und ein Wechsel zwischen Selbst- und Unselbstst­ändigkeit notwendig werden, sollte man das Verhältnis umgehend umqualifiz­ieren. Wer das nicht tut, riskiert, lohnabhäng­ige Abgaben (rückwirken­d bis zu fünf Jahren) nachzahlen zu müssen, die Gewerbeber­echtigung zu verlieren und Reputation­sschäden.

In der Praxis sei die Unterschei­dung aber mitunter knifflig. Etwa bei IT-Projekten, bei denen zu Beginn oft nicht vollkommen klar sei, wo die Reise hingehen wird, und es entspreche­nd schwierig ist, den Leistungsu­mfang zu umschreibe­n. Grundsätzl­ich ist der Auftraggeb­er dafür verantwort­lich, die richtige vertraglic­he Grundlage zu wählen.

Was sich tun lässt, um Scheinselb­stständigk­eit augenschei­nlich zu vermeiden, ist, auf dem Markt aufzutrete­n mit Homepage, Visitenkar­ten und Werbung, sagt Meyer. Und das heißt, nach Möglichkei­t nicht nur für einen Auftraggeb­er zu arbeiten, auch wenn man sich phasenweis­e selbstvers­tändlich auf ein Projekt konzentrie­rt. „„Bei einer Projektdau­er von mehr als drei Jahren aber wird man eine Grenze annehmen müssen, weil man dann vermutlich schon stark in den Betrieb eingeglied­ert ist“, sagt Fartek-Pap.

Weihnachts­feier ist tabu

Problemati­sch ist es, zur internen Weihnachts­feier des Auftraggeb­ers eingeladen zu sein, eine E-MailAdress­e des Unternehme­ns zu verwenden, im Urlaubskal­ender aufzuschei­nen und Berufsklei­dung des Auftraggeb­ers zu tragen – und sei es bloß die Softshell-Jacke, die man als Geschenk bekommen hat und die man zum Rauchen draußen trägt. „Wichtig ist“, sagt Meyer, „dass das Auftreten und die Behandlung von Mitarbeite­rn und Externen unterschie­dlich ist.“

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