Die Presse

Tests in Maßen statt in Massen

Analyse. Nach den ersten drei Tagen zeichnet sich eine niedrige Beteiligun­g ab. Der Grund dafür dürfte neben dem chaotische­n Start vor allem das unglücklic­he Timing der Testungen sein.

- VON KÖKSAL BALTACI

Nach den ersten Tagen zeichnet sich eine niedrige Beteiligun­g ab. Der Grund dafür dürfte vor allem das Timing sein.

Wien. Die seit Freitag angebotene­n freiwillig­en Massentest­s werden von der Bevölkerun­g bisher nicht in dem Ausmaß angenommen, wie es die Behörden erhofft hatten und wie es für die Sinnhaftig­keit einer solchen Aktion notwendig wäre.

In Wien etwa meldeten sich am Freitag und Samstag jeweils 24.000 Personen an, die Kapazitäte­n an den drei Standorten (Stadthalle, Messe, Marx-Halle) sind aber für 150.000 Menschen pro Tag ausgelegt. Auch am Sonntag blieb der große Zustrom aus. Angesichts dieser Entwicklun­g änderte die Stadt noch am Samstagabe­nd die Teilnahme-Regeln. Seit Sonntag dürfen in der Messe Wien angemeldet­e Personen ihre Familienmi­tglieder mitbringen. Bisher war das nicht möglich.

Auch in den anderen Bundesländ­ern, die am Wochenende mit den Massentest­s begonnen haben – Tirol, Vorarlberg und Salzburg etwa – blieben die Tests weit hinter den Erwartunge­n zurück. Die Gründe dürften vielfältig sein.

Schlechtes Timing. Erklärtes Ziel der Massentest­s ist es, infizierte Menschen ohne Beschwerde­n zu finden und zu isolieren – sowie deren enge Kontaktper­sonen, die eine Testung nicht verweigern dürfen und selbst bei einem negativen Ergebnis zehn Tage lang zur Heimquaran­täne verpflicht­et sind. Sie alle müssten also entweder in der Vorweihnac­htszeit oder – falls das Contact Tracing länger dauert – vielleicht sogar über Weihnachte­n allein (bzw. mit den im selben Haushalt lebenden Personen) zu Hause bleiben. In der Slowakei und in Südtirol, wo die Beteiligun­g jeweils sehr hoch ausfiel, wurden die Massentest­s Anfang sowie Mitte November durchgefüh­rt, Weihnachte­n war also nie in Gefahr.

Zudem kann dort nicht von einer freiwillig­en Teilnahme gesprochen werden, da die Restriktio­nen für Verweigere­r teilweise einer Quarantäne gleichkame­n.

Keine Belohnung. Abgesehen von der kostenlos und relativ unkomplizi­ert erlangten Gewissheit, negativ oder positiv zu sein, gibt es für Personen, die sich testen lassen, keinerlei Belohnung – und somit auch keinen Anreiz. Denn nicht viele rechnen nach drei Wochen harten Lockdowns mit kaum Kontakten damit, sich irgendwo angesteckt zu haben – vor allem dann, wenn sie keine Symptome zeigen. Zudem besteht ein (wenn auch nur sehr geringes) Restrisiko, sich beim Warten auf den Test zu infizieren.

Pannen bei der Anmeldung. Die anfänglich­en Probleme bei der Online-Anmeldung – am Sonntag kam es in Salzburg erneut zu Pannen bei der Anmeldung zu den Massentest­s im Bildungsbe­reich – sowie die fehlende Möglichkei­t, sich telefonisc­h einen Termin zu vereinbare­n, dürften bei einigen auch dazu beigetrage­n haben, auf einen Test zu verzichten. Zum Vergleich: Bei der Gratis-Grippeimpf­ung der Stadt Wien erfolgte jede fünfte Anmeldung telefonisc­h.

Widersprüc­hliche Aussagen. Tatsächlic­h standen die Massentest­s in Österreich von Anfang an unter keinen guten Vorzeichen. Nachdem sie Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) angekündig­t hatte, wurde ihre Sinnhaftig­keit von manchen Gesundheit­sexperten wiederholt infrage gestellt – insbesonde­re dann, wenn sie nur einmal stattfinde­n sollten, schließlic­h handle es sich dabei nur um eine Momentaufn­ahme. Darüber hinaus warnten Labormediz­iner vor Tausenden falsch positiven (mit anschließe­ndem Kontroll-Test mittels PCR-Verfahren) oder falsch negativen Ergebnisse­n, was viele verunsiche­rt haben dürfte.

Nicht zuletzt vermittelt­en auch manche Landeshaup­tleute sowie Gesundheit­slandesrät­e bei öffentlich­en Auftritten nicht den Eindruck, als seien sie überzeugt vom Nutzen der Massentest­s, sondern würden sie nur deswegen durchführe­n, weil die Bundesregi­erung sie angeordnet hat.

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[ picturedes­k.com ] Der große Ansturm auf die Massentest­s (im Bild die Wiener Stadthalle als einer von drei Standorten) blieb bisher aus.

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