„Wir haben in Georgia gewonnen“
USA. Bei der ersten Massenkundgebung seit seiner Niederlage gegen Joe Biden beklagte Trump weiter angeblichen Wahlbetrug. Die Senatsstichwahl in dem Bundesstaat geriet zur Nebensache.
Valdosta. Eigentlich hätte es an diesem Abend gar nicht so sehr um Donald Trump gehen sollen. Sondern um den US-Senat. Die Republikaner. Und um eine Wahl, die erst kommt. Doch der Noch-Präsident der Vereinigten Staaten nutzte seinen ersten öffentlichen LiveAuftritt vor Tausenden seiner Fans seit der Präsidentenwahl Anfang November, um sich einmal mehr über seine Niederlage gegen Joe Biden zu beklagen, Betrugsvorwürfe zu wiederholen und in Siegesfantasien zu schwelgen. Die entscheidende Stichwahl um zwei Senatssitze in dem Bundesstaat am 5. Jänner, die über nichts geringeres als die Mehrheit in der Kongresskammer entscheidet, geriet damit zur Nebensache.
„Ihr wisst, wir haben in Georgia gewonnen“, rief Donald Trump seinen jubelnden Anhängern auf der Rollbahn des Regionalflughafens von Valdosta entgegen, ungeachtet der Tatsache, dass die Behörden dort wie auch in anderen Bundesstaaten den Sieg Bidens – in Georgia mit einem knappen Vorsprung von 12.000 Stimmen – klar bestätigt hatten. „Sie haben betrogen und unsere Präsidentenwahl gefälscht, aber wir werden dennoch gewinnen!“
Druck auf den Gouverneur
Schon im Vorfeld der mehr als anderthalbstündigen Rede hatte Trump kein Hehl daraus gemacht, worum es ihm in Georgia gehen würde: Seine Niederlage in dem Bundesstaat aufzuheben. Noch vor seinem Auftritt rief er nach übereinstimmenden US-Medienberichten deshalb den republikanischen Gouverneur, Brian Kemp, an. Trumps Forderung: Kemp solle eine Sondersitzung des Parlaments einberufen und die Abgeordneten dazu bewegen, das Wahlergebnis zu seinen Gunsten zu kippen. Dieser lehnte ab. „Euer Gouverneur könnte das sehr leicht stoppen, wenn er wüsste, was zur Hölle er tut“, wetterte Trump in seiner Rede unter Buhrufen der Menge.
Zunächst eher pflichtschuldig rief Trump zur Wiederwahl der beiden republikanischen Senatoren David Perdue und Kelly Loeffler auf. Sie müssen sich in den Stichwahlen in Georgia den Demokraten Jon Ossoff und Raphael Warnock stellen. Es dauerte mehr als eine Stunde, bis er die beiden republikanischen Kandidaten der „wahrscheinlich wichtigsten Stichwahl des Kongresses in der amerikanischen Geschichte“auf die Bühne bat.
Trump-Kandidatur 2024?
Bei den Wahlen am 3. November konnten sich die Republikaner bisher 50 der 100 Sitze in der Parlamentskammer sichern. Sollte es den Demokraten gelingen, die beiden Sitze in Georgia zu gewinnen, gäbe es im Senat ein Patt. Dann hätte die gewählte Vizepräsidentin Kamala Harris, die zugleich Präsidentin des Senats ist, bei Stimmengleichheit das letzte Wort – und die Demokraten de facto die Mehrheit.
Trump, der nicht zuletzt wegen seines Managements der CoronaPandemie in der Kritik steht, brachte indes indirekt eine mögliche Kandidatur in vier Jahren ins Spiel, sollte er seine Niederlage gegen Biden juristisch nicht verhindern können. Er werde das Weiße Haus jetzt „zurückgewinnen“, sagte er. „Und dann im Jahr 2024 – und hoffentlich muss ich dann nicht kandidieren – werden wir das Weiße Haus wieder zurückgewinnen.“Die Amtszeit des Präsidenten ist auf zwei Perioden mit je vier Jahren begrenzt, die nicht aufeinander folgen müssen.
Keinen Zweifel ließ er jedoch daran, dass er weiter juristisch gegen die Ergebnisse der Wahl in umkämpften Bundesstaaten vorgehen werde – bis zum Supreme Court in Washington, dem höchsten Gericht der USA. Für seine Behauptung, bei der Präsidentenwahl seien Hunderttausende illegale Stimmen abgegeben worden, hat Trump nie Beweise vorgelegt.
Selbst US-Justizminister William Barr – ein Trump-Verbündeter – hatte vor kurzem eingeräumt, dass es keine Belege für massiven Wahlbetrug gebe, der zu einem anderen Ergebnis führen würde. In Washington wird bereits spekuliert, der Präsident könnte Barr deshalb noch vor dem Ende seiner Amtszeit entlassen. Die zuständigen USBehörden stuften die Wahl am 3. November als die sicherste in der amerikanischen Geschichte ein.
Der US-Präsident wird nicht direkt gewählt, sondern durch die Wahlleute in den 50 US-Bundesstaaten und dem Hauptstadtbezirk Washington bestimmt. In der Regel bekommt der Wahlsieger in einem Bundesstaat die dortigen Wahlleute zugesprochen. Nach den bisherigen Ergebnissen kommt Biden auf 306 Wahlleute, Trump auf 232. Wahlgewinner ist, wer mindestens 270 Wahlleute gewinnt. Biden soll am 20. Jänner vereidigt werden. (ag./raa)