Von der Banane zum grünen Kredit
Serie. Die EU regelt nicht nur die Krümmung von importiertem Obst. Sie hat auch die Grundlage für nachhaltige Veranlagungskriterien geschaffen, an der sich die Finanzbranche orientieren muss.
Wien. Für Unternehmen geht es dieser Tage eher ums wirtschaftliche Überleben als um grüne Projekte. Und auch viele Privatanleger haben zurzeit andere Prioritäten. „Schon in naher Zukunft wird das Thema aber wieder in den Vordergrund rücken“, sagt Laurenz Schwitzer, Partner und Finanzrechtsexperte bei Schönherr. Die Klimaziele, die lange Zeit vor allem auf der politischen und völkerrechtlichen Ebene diskutiert wurden, seien nämlich im realpolitischen Geschehen angekommen – spätestens durch das Pariser Klimaschutzabkommen und den „Green Deal“der EU.
Bis 2050 soll die Europäische Union klimaneutral werden, lautet das ehrgeizige Ziel. „Wenn man das ernst nimmt, wird ein gewaltiger Finanzierungsbedarf entstehen“, sagt Schwitzer. Nach Schätzungen der Europäischen Investitionsbank (EIB) werden 260 Mrd. Euro pro Jahr nötig sein, um dieses Ziel zu erreichen – und dies ist ohne den Finanzmarkt nicht zu stemmen.
Kapitalflüsse grüner machen
Eine Billion Euro ist im EU-Budget für den Green Deal vorgesehen, auch die EIB, die sich als künftige „Klimabank“der EU definiert, will eine Billion Euro dafür lockermachen. Durch gewisse Überschneidungen zwischen beiden Töpfen ergebe sich insgesamt ein Finanzierungsvolumen von 1,7 bis 1,8 Billionen Euro, sagt Schwitzer. Was aber längst nicht reichen wird. Vielmehr gelte es, ganz generell die Kapitalflüsse so auszurichten, dass das Geld nur in grüne Aktivitäten fließt.
Die EIB nimmt dabei ihre Transformation zur Klimabank durchaus ernst: Bereits ab 2021 will sie keine Projekte mehr fördern, die fossile Brennstoffe nützen, es sei denn, die CO2-Emissionen werden zu hundert Prozent kompensiert. Und schon ab 2025 sollen 50 Prozent der EIB-Finanzierungen ausschließlich grünen“„ Aktivitäten vorbehalten sein.
Aber was kann man darunter verstehen? Das wird oft uneinheitlich definiert. Anbieter von Finanzprodukten wie auch Anleger können sich bestenfalls an den bereits
verfügbaren Nachhaltigkeitsratings und Gütesiegeln orientieren. Durch die sogenannte Taxonomieverordnung der EU (2020/285) soll sich jedoch auch das bald ändern.
Diese ist heuer im Juni beschlossen worden, schrittweise ist sie ab Jänner 2022 anzuwenden und definiert erstmals EU-weit einheitliche Kriterien, wann eine Wirtschaftsaktivität und damit auch ein Investment als nachhaltig gilt. „Grüne Elemente werden klassifiziert und quantifiziert“, sagt
Schwitzer. Nachhaltigkeit wird dadurch in gewisser Weise messbar.
Detaillierte Offenlegung
Generell darf eine Wirtschaftstätigkeit laut dem neuen Regulativ nur dann als nachhaltig bezeichnet werden, wenn sie eines oder mehrere der folgenden Umweltziele wesentlich fördert: Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung bzw. Verminderung der Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme. Dabei darf kein anderes Umweltziel erheblich beeinträchtigt werden. Darüber hinaus sind soziale Mindeststandards zu erfüllen.
Konkretisiert wird all das durch eine Vielzahl von Kriterien in der Verordnung selbst sowie durch technische Bewertungsmaßstäbe, die von der EU-Kommission auszuarbeiten sind. Finanzprodukte, die sich nachhaltig nennen, beispielsweise Investmentfonds, müssen dann detailliert offenlegen, wie und in welchem Umfang ihre Veranlagungen diese Kriterien erfüllen. Noch sei das nicht per se bindend, „aber es wird zur über allem stehenden Klassifizierung werden“, sagt Schwitzer. Die Taxonomie werde damit zum Eckpfeiler für Ökolabels ebenso wie für Nachhaltigkeitsberichte, grüne Kredite oder Anleihen.
Zu beachten sei, dass tatsächlich einzelne Aktivitäten und nicht ganze Wirtschaftszweige klassifiziert werden, betont der Jurist. So ist etwa der Bau eines Wasserspeicherkraftwerks nicht schon per se ein grünes Projekt, sondern es wird z. B. darauf geachtet, woher der Zement kommt. Andererseits könnte selbst ein Erdöl verarbeitender Betrieb Aktivitäten setzen, die zur Verwirklichung der Umweltziele beitragen und damit die Vorgaben erfüllen.