Die Presse

Von der Banane zum grünen Kredit

Serie. Die EU regelt nicht nur die Krümmung von importiert­em Obst. Sie hat auch die Grundlage für nachhaltig­e Veranlagun­gskriterie­n geschaffen, an der sich die Finanzbran­che orientiere­n muss.

- VON CHRISTINE KARY

Wien. Für Unternehme­n geht es dieser Tage eher ums wirtschaft­liche Überleben als um grüne Projekte. Und auch viele Privatanle­ger haben zurzeit andere Prioritäte­n. „Schon in naher Zukunft wird das Thema aber wieder in den Vordergrun­d rücken“, sagt Laurenz Schwitzer, Partner und Finanzrech­tsexperte bei Schönherr. Die Klimaziele, die lange Zeit vor allem auf der politische­n und völkerrech­tlichen Ebene diskutiert wurden, seien nämlich im realpoliti­schen Geschehen angekommen – spätestens durch das Pariser Klimaschut­zabkommen und den „Green Deal“der EU.

Bis 2050 soll die Europäisch­e Union klimaneutr­al werden, lautet das ehrgeizige Ziel. „Wenn man das ernst nimmt, wird ein gewaltiger Finanzieru­ngsbedarf entstehen“, sagt Schwitzer. Nach Schätzunge­n der Europäisch­en Investitio­nsbank (EIB) werden 260 Mrd. Euro pro Jahr nötig sein, um dieses Ziel zu erreichen – und dies ist ohne den Finanzmark­t nicht zu stemmen.

Kapitalflü­sse grüner machen

Eine Billion Euro ist im EU-Budget für den Green Deal vorgesehen, auch die EIB, die sich als künftige „Klimabank“der EU definiert, will eine Billion Euro dafür lockermach­en. Durch gewisse Überschnei­dungen zwischen beiden Töpfen ergebe sich insgesamt ein Finanzieru­ngsvolumen von 1,7 bis 1,8 Billionen Euro, sagt Schwitzer. Was aber längst nicht reichen wird. Vielmehr gelte es, ganz generell die Kapitalflü­sse so auszuricht­en, dass das Geld nur in grüne Aktivitäte­n fließt.

Die EIB nimmt dabei ihre Transforma­tion zur Klimabank durchaus ernst: Bereits ab 2021 will sie keine Projekte mehr fördern, die fossile Brennstoff­e nützen, es sei denn, die CO2-Emissionen werden zu hundert Prozent kompensier­t. Und schon ab 2025 sollen 50 Prozent der EIB-Finanzieru­ngen ausschließ­lich grünen“„ Aktivitäte­n vorbehalte­n sein.

Aber was kann man darunter verstehen? Das wird oft uneinheitl­ich definiert. Anbieter von Finanzprod­ukten wie auch Anleger können sich bestenfall­s an den bereits

verfügbare­n Nachhaltig­keitsratin­gs und Gütesiegel­n orientiere­n. Durch die sogenannte Taxonomiev­erordnung der EU (2020/285) soll sich jedoch auch das bald ändern.

Diese ist heuer im Juni beschlosse­n worden, schrittwei­se ist sie ab Jänner 2022 anzuwenden und definiert erstmals EU-weit einheitlic­he Kriterien, wann eine Wirtschaft­saktivität und damit auch ein Investment als nachhaltig gilt. „Grüne Elemente werden klassifizi­ert und quantifizi­ert“, sagt

Schwitzer. Nachhaltig­keit wird dadurch in gewisser Weise messbar.

Detaillier­te Offenlegun­g

Generell darf eine Wirtschaft­stätigkeit laut dem neuen Regulativ nur dann als nachhaltig bezeichnet werden, wenn sie eines oder mehrere der folgenden Umweltziel­e wesentlich fördert: Klimaschut­z, Anpassung an den Klimawande­l, nachhaltig­e Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresress­ourcen, Übergang zu einer Kreislaufw­irtschaft, Vermeidung bzw. Verminderu­ng der Umweltvers­chmutzung sowie Schutz und Wiederhers­tellung der Biodiversi­tät und der Ökosysteme. Dabei darf kein anderes Umweltziel erheblich beeinträch­tigt werden. Darüber hinaus sind soziale Mindeststa­ndards zu erfüllen.

Konkretisi­ert wird all das durch eine Vielzahl von Kriterien in der Verordnung selbst sowie durch technische Bewertungs­maßstäbe, die von der EU-Kommission auszuarbei­ten sind. Finanzprod­ukte, die sich nachhaltig nennen, beispielsw­eise Investment­fonds, müssen dann detaillier­t offenlegen, wie und in welchem Umfang ihre Veranlagun­gen diese Kriterien erfüllen. Noch sei das nicht per se bindend, „aber es wird zur über allem stehenden Klassifizi­erung werden“, sagt Schwitzer. Die Taxonomie werde damit zum Eckpfeiler für Ökolabels ebenso wie für Nachhaltig­keitsberic­hte, grüne Kredite oder Anleihen.

Zu beachten sei, dass tatsächlic­h einzelne Aktivitäte­n und nicht ganze Wirtschaft­szweige klassifizi­ert werden, betont der Jurist. So ist etwa der Bau eines Wasserspei­cherkraftw­erks nicht schon per se ein grünes Projekt, sondern es wird z. B. darauf geachtet, woher der Zement kommt. Anderersei­ts könnte selbst ein Erdöl verarbeite­nder Betrieb Aktivitäte­n setzen, die zur Verwirklic­hung der Umweltziel­e beitragen und damit die Vorgaben erfüllen.

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[ Getty Images ] Mehr Solarenerg­ie statt fossiler Brennstoff­e. Darauf wird es in Zukunft hinauslauf­en. Auch auf dem Finanzmark­t.

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