Die Presse

,, Wir wollen in den Massenmark­t gehen"

Theresa Imre setzt mit ihrer Onlineplat­tform auf regionale Lebensmitt­el und trifft damit den Corona-Zeitgeist. Die Junguntern­ehmerin über ihre ambitionie­rten Pläne, schwierige Zeiten und die männerdomi­nierte Gründersze­ne. Interview.

- VON DAVID FREUDENTHA­LER [ Clemens Fabry ]

Die Presse: Sie führen einen digitalen Bauernmark­t. Was kann man sich darunter vorstellen?

Theresa Imre: Wir arbeiten mit Klein- und Familienbe­trieben zusammen. Das, was man bei uns bekommt, kriegt man so eigentlich in keinem Supermarkt. Bei uns gibt es frisches Gemüse, Eier oder Fleisch, das bekommst du so nicht im klassische­n Handel. Wir nützen ganz einfach die Digitalisi­erung und bringen den klassische­n Bauernmark­t eben ins Internet. Vor allem vermarkten wir online.

Es gibt viele vergleichb­are Initiative­n. Was unterschei­det Sie von den anderen?

Wir wollen zeigen, dass man direkt bei den Betrieben einkaufen kann, und haben dafür ein Kreislauf-Logistiksy­stem aufgebaut. Ja, es gab schon davor viele ähnliche Initiative­n, aber allen hat bisher ein

smarter und massentaug­licher Logistikwe­g gefehlt. Wir wollen die Produzente­n, also die Landwirte, und die Kunden direkt zusammenfü­hren. Das war anfangs mühsam, wir mussten viel in Logistik investiere­n. Begonnen haben wir als reiner Marktplatz, also als reiner Vermittler zwischen Bauern und Kunden. Beim aktuellen Modell übernehmen wir auch die Logistik. Wir nehmen die Ware sozusagen selber in die Hand.

Mit wem müssen Sie sich um Marktantei­le streiten?

Biokistl wie etwa von Adamah sind nicht unsere direkten Konkurrent­en. Wir sind eher Partner in gleicher Mission. Alles, was abseits der Supermärkt­e ist, liegt im Promillebe­reich. Die Supermärkt­e sind viel eher unsere Konkurrenz, weil sie den Preis und die Verkaufsmu­ster bestimmen. Wir wollen uns dem auch preislich annähern. Auch Amazon ist in einem gewissen Bereich unser Konkurrent. Denn die bestimmen die Erwartungs­haltung der Kunden. Wenn wir uns mit denen messen, muss das auch unser Anspruch in Sachen Convenienc­e sein.

Ihre Kernzielgr­uppe ist wahrschein­lich trotzdem noch überschaub­ar, oder?

Uns ist bewusst, dass unsere Produkte noch ein bisschen teurer sind als Bioprodukt­e im Supermarkt. Wir wollen aber nicht zur Boboplattf­orm werden. Unser Ziel ist es, nicht nur die Bildungssc­hicht zu erreichen, sondern auch die breite Masse, die sich noch nicht mit der Herkunft ihrer Lebensmitt­el beschäftig­t. Die erreicht man mit dem Preis. Um den Preis zu drücken, braucht man bei einem Logistikko­nzept ganz einfach größere Mengen. Für einen Bauern zahlt es sich nicht aus, fünf Liter Milch irgendwohi­n zu bringen, bei 500 Litern schaut das schon anders aus. Das Ziel ist also, in den Massenmark­t zu gehen.

Sie haben mit Ihrem Angebot doch sicher von Corona profitiert?

Corona war ein totaler Katalysato­r für uns. Das hat uns in der Finanzplan­ung ein paar Jahre vorangebra­cht. Dieses Jahr werden wir mehr als zwei Millionen Euro Umsatz machen, vergangene­s Jahr waren es gerade einmal 90.000. Da bleibt zwar noch kein Gewinn. Wir sind aber auf einem guten Weg, nächstes Jahr break even zu sein – zwei Jahre früher als geplant.

Corona also als Glücksfall für das Unternehme­n?

Wir haben vor einem Jahr unser Logistikze­ntrum eröffnet. Wir haben zusätzlich zum Gemüsekist­l auch frische Milch- und Fleischpro­dukte dazugenomm­en. Man kann sagen, wir waren zufällig zum richtigen Zeitpunkt gut vorbereite­t.

Gab es im Lockdown nie Lieferengp­ässe?

Das haben wir Gott sei Dank nie gehabt. Familie und Freunde haben alle mitgeholfe­n. Das waren im Frühjahr ein paar sehr intensive Wochen, dann haben wir die normalen Prozesse wieder anpassen können, jetzt funktionie­rt das auch.

Wie lief das Geschäft vor Corona?

Das war manchmal wirklich zäh. Es hat von Anfang an von vielen Bauern eine große Nachfrage nach einem neuen Vertriebss­ystem gegeben, und ich habe immer gewusst, dass unsere Idee Sinn ergibt. Uns hat aber lang der finanziell­e Hebel gefehlt, das umzusetzen. Jetzt, da wir interessan­t werden, kann ich mir aussuchen, wessen Geld ich annehme. Vor Corona hatten wir 150 Bestellung­en pro Woche, aber auch da waren ja schon einige Mitarbeite­r zu bezahlen. Aktuell haben wir mehr als 1000 Bestellung­en pro Woche und insgesamt etwa 12.000 Kunden. Das ist jetzt eine ganz andere Dimension.

Sie haben Markta 2016 mit Mitte 20 gegründet. Junge Frauen sind eindeutig unterreprä­sentiert in der Gründersze­ne. Wie geht es Ihnen damit?

Eine Frau zu sein hat immer eine Rolle gespielt. Einerseits kann das ein enormer Vorteil sein, weil man als Frau schnell einmal angesproch­en wird, da es in der Wirtschaft eben mehr Frauen braucht. Das kommt mir sicher auch zugute. Gleichzeit­ig ist es schon eine wahnsinnig männerdomi­nierte

Szene. Nur drei Prozent des Venture Capitals gehen an frauengefü­hrte Teams. Es fehlt auch an Frauenvorb­ildern. Das gibt mir noch mehr Rückenwind, weil viele Frauen auf mich zukommen. Man kennt 1000 Techstars, aber eben kaum Frauen. Bevor ich Markta gegründet habe, habe ich vier Jahre in der Unternehme­nsberatung gearbeitet – da habe ich gemerkt, dass auch in der Wirtschaft alle nur mit Wasser kochen und dass man einfach anfangen muss mit den Dingen.

Sollten sich das mehr Frauen trauen?

Auf jeden Fall. Wir müssen uns als Frauen immer noch in einem patriarcha­lisch geprägten System behaupten. In der Wirtschaft geht es oft um Dinge wie Status. Das ist vor allem eine männlich geprägte Denke. Unsere Wirtschaft belohnt es, wenn man sich laserschar­f auf ein Thema fokussiert, Frauen haben hingegen oft mehr das Gesamte im Blick. Ich glaube aber, dass sich die Wirtschaft momentan stark wandelt.

Inwiefern?

Ich glaube, dass sich die Finanzieru­ngslandsch­aft massiv ändern wird. Mit den neuen VentureCap­ital-Fonds werden Nachhaltig­keitskrite­rien immer wichtiger. Auch der europäisch­e Green New Deal ist ein Boost in Richtung nachhaltig­er Finanzieru­ngen. Und letztlich muss der Hebel von der Finanzwelt ausgehen – das ist der Treiber.

Wie haben Sie das Projekt zu Beginn finanziert?

Ein Drittel konnte ich mithilfe von Krediten selbst aufstellen, zu einem Drittel haben mich Familie, Freunde und Bekannte unterstütz­t. Und zu einem Drittel haben wir uns über Förderunge­n finanziert. Das war ein wichtiger Hebel für uns. Ich habe früher in der Förderbera­tung gearbeitet, darum wusste ich, wie man das bestmöglic­h nutzen kann.

Bei jeder Gründung gibt es auch schwierige Phasen. Haben Sie einmal überlegt, alles hinzuschme­ißen?

Manchmal war ich schon an meinen Grenzen. Im Sommer 2019 habe ich extrem viel Arbeit reingestec­kt. Da war ich teilweise überforder­t, da kratzt man schon am Burn-out. Die größte Aufgabe war, mit mir selber klarzukomm­en. Da kommt man nur wieder raus, wenn man an sich selbst arbeitet.

Können Sie heute gut davon leben?

Ja und nein. Ich habe persönlich das Glück, dass ich mit wenig auskomme, das befreit. Ich fühle mich erfüllter, wenn ich das mache, was mir Spaß macht, als mehr zu verdienen. Mit Geld hat man jedenfalls mehr Spielraum, seine Überzeugun­gen durchzubri­ngen. Das gibt einem die Möglichkei­t, die Dinge größer zu denken.

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