,, Wir wollen in den Massenmarkt gehen"
Theresa Imre setzt mit ihrer Onlineplattform auf regionale Lebensmittel und trifft damit den Corona-Zeitgeist. Die Jungunternehmerin über ihre ambitionierten Pläne, schwierige Zeiten und die männerdominierte Gründerszene. Interview.
Die Presse: Sie führen einen digitalen Bauernmarkt. Was kann man sich darunter vorstellen?
Theresa Imre: Wir arbeiten mit Klein- und Familienbetrieben zusammen. Das, was man bei uns bekommt, kriegt man so eigentlich in keinem Supermarkt. Bei uns gibt es frisches Gemüse, Eier oder Fleisch, das bekommst du so nicht im klassischen Handel. Wir nützen ganz einfach die Digitalisierung und bringen den klassischen Bauernmarkt eben ins Internet. Vor allem vermarkten wir online.
Es gibt viele vergleichbare Initiativen. Was unterscheidet Sie von den anderen?
Wir wollen zeigen, dass man direkt bei den Betrieben einkaufen kann, und haben dafür ein Kreislauf-Logistiksystem aufgebaut. Ja, es gab schon davor viele ähnliche Initiativen, aber allen hat bisher ein
smarter und massentauglicher Logistikweg gefehlt. Wir wollen die Produzenten, also die Landwirte, und die Kunden direkt zusammenführen. Das war anfangs mühsam, wir mussten viel in Logistik investieren. Begonnen haben wir als reiner Marktplatz, also als reiner Vermittler zwischen Bauern und Kunden. Beim aktuellen Modell übernehmen wir auch die Logistik. Wir nehmen die Ware sozusagen selber in die Hand.
Mit wem müssen Sie sich um Marktanteile streiten?
Biokistl wie etwa von Adamah sind nicht unsere direkten Konkurrenten. Wir sind eher Partner in gleicher Mission. Alles, was abseits der Supermärkte ist, liegt im Promillebereich. Die Supermärkte sind viel eher unsere Konkurrenz, weil sie den Preis und die Verkaufsmuster bestimmen. Wir wollen uns dem auch preislich annähern. Auch Amazon ist in einem gewissen Bereich unser Konkurrent. Denn die bestimmen die Erwartungshaltung der Kunden. Wenn wir uns mit denen messen, muss das auch unser Anspruch in Sachen Convenience sein.
Ihre Kernzielgruppe ist wahrscheinlich trotzdem noch überschaubar, oder?
Uns ist bewusst, dass unsere Produkte noch ein bisschen teurer sind als Bioprodukte im Supermarkt. Wir wollen aber nicht zur Boboplattform werden. Unser Ziel ist es, nicht nur die Bildungsschicht zu erreichen, sondern auch die breite Masse, die sich noch nicht mit der Herkunft ihrer Lebensmittel beschäftigt. Die erreicht man mit dem Preis. Um den Preis zu drücken, braucht man bei einem Logistikkonzept ganz einfach größere Mengen. Für einen Bauern zahlt es sich nicht aus, fünf Liter Milch irgendwohin zu bringen, bei 500 Litern schaut das schon anders aus. Das Ziel ist also, in den Massenmarkt zu gehen.
Sie haben mit Ihrem Angebot doch sicher von Corona profitiert?
Corona war ein totaler Katalysator für uns. Das hat uns in der Finanzplanung ein paar Jahre vorangebracht. Dieses Jahr werden wir mehr als zwei Millionen Euro Umsatz machen, vergangenes Jahr waren es gerade einmal 90.000. Da bleibt zwar noch kein Gewinn. Wir sind aber auf einem guten Weg, nächstes Jahr break even zu sein – zwei Jahre früher als geplant.
Corona also als Glücksfall für das Unternehmen?
Wir haben vor einem Jahr unser Logistikzentrum eröffnet. Wir haben zusätzlich zum Gemüsekistl auch frische Milch- und Fleischprodukte dazugenommen. Man kann sagen, wir waren zufällig zum richtigen Zeitpunkt gut vorbereitet.
Gab es im Lockdown nie Lieferengpässe?
Das haben wir Gott sei Dank nie gehabt. Familie und Freunde haben alle mitgeholfen. Das waren im Frühjahr ein paar sehr intensive Wochen, dann haben wir die normalen Prozesse wieder anpassen können, jetzt funktioniert das auch.
Wie lief das Geschäft vor Corona?
Das war manchmal wirklich zäh. Es hat von Anfang an von vielen Bauern eine große Nachfrage nach einem neuen Vertriebssystem gegeben, und ich habe immer gewusst, dass unsere Idee Sinn ergibt. Uns hat aber lang der finanzielle Hebel gefehlt, das umzusetzen. Jetzt, da wir interessant werden, kann ich mir aussuchen, wessen Geld ich annehme. Vor Corona hatten wir 150 Bestellungen pro Woche, aber auch da waren ja schon einige Mitarbeiter zu bezahlen. Aktuell haben wir mehr als 1000 Bestellungen pro Woche und insgesamt etwa 12.000 Kunden. Das ist jetzt eine ganz andere Dimension.
Sie haben Markta 2016 mit Mitte 20 gegründet. Junge Frauen sind eindeutig unterrepräsentiert in der Gründerszene. Wie geht es Ihnen damit?
Eine Frau zu sein hat immer eine Rolle gespielt. Einerseits kann das ein enormer Vorteil sein, weil man als Frau schnell einmal angesprochen wird, da es in der Wirtschaft eben mehr Frauen braucht. Das kommt mir sicher auch zugute. Gleichzeitig ist es schon eine wahnsinnig männerdominierte
Szene. Nur drei Prozent des Venture Capitals gehen an frauengeführte Teams. Es fehlt auch an Frauenvorbildern. Das gibt mir noch mehr Rückenwind, weil viele Frauen auf mich zukommen. Man kennt 1000 Techstars, aber eben kaum Frauen. Bevor ich Markta gegründet habe, habe ich vier Jahre in der Unternehmensberatung gearbeitet – da habe ich gemerkt, dass auch in der Wirtschaft alle nur mit Wasser kochen und dass man einfach anfangen muss mit den Dingen.
Sollten sich das mehr Frauen trauen?
Auf jeden Fall. Wir müssen uns als Frauen immer noch in einem patriarchalisch geprägten System behaupten. In der Wirtschaft geht es oft um Dinge wie Status. Das ist vor allem eine männlich geprägte Denke. Unsere Wirtschaft belohnt es, wenn man sich laserscharf auf ein Thema fokussiert, Frauen haben hingegen oft mehr das Gesamte im Blick. Ich glaube aber, dass sich die Wirtschaft momentan stark wandelt.
Inwiefern?
Ich glaube, dass sich die Finanzierungslandschaft massiv ändern wird. Mit den neuen VentureCapital-Fonds werden Nachhaltigkeitskriterien immer wichtiger. Auch der europäische Green New Deal ist ein Boost in Richtung nachhaltiger Finanzierungen. Und letztlich muss der Hebel von der Finanzwelt ausgehen – das ist der Treiber.
Wie haben Sie das Projekt zu Beginn finanziert?
Ein Drittel konnte ich mithilfe von Krediten selbst aufstellen, zu einem Drittel haben mich Familie, Freunde und Bekannte unterstützt. Und zu einem Drittel haben wir uns über Förderungen finanziert. Das war ein wichtiger Hebel für uns. Ich habe früher in der Förderberatung gearbeitet, darum wusste ich, wie man das bestmöglich nutzen kann.
Bei jeder Gründung gibt es auch schwierige Phasen. Haben Sie einmal überlegt, alles hinzuschmeißen?
Manchmal war ich schon an meinen Grenzen. Im Sommer 2019 habe ich extrem viel Arbeit reingesteckt. Da war ich teilweise überfordert, da kratzt man schon am Burn-out. Die größte Aufgabe war, mit mir selber klarzukommen. Da kommt man nur wieder raus, wenn man an sich selbst arbeitet.
Können Sie heute gut davon leben?
Ja und nein. Ich habe persönlich das Glück, dass ich mit wenig auskomme, das befreit. Ich fühle mich erfüllter, wenn ich das mache, was mir Spaß macht, als mehr zu verdienen. Mit Geld hat man jedenfalls mehr Spielraum, seine Überzeugungen durchzubringen. Das gibt einem die Möglichkeit, die Dinge größer zu denken.