Die Presse

Von virtueller Währung zu digitalen Vermögensw­erten

Gastbeitra­g. Die EU will sich mit eigenen Regelungen über Krypto-Assets als weltweit relevantes Zentrum der neuen Technologi­e etablieren.

- VON OLIVER VÖLKEL Dr. Oliver Völkel, LL.M. (CLS) ist Partner der Stadler Völkel Rechtsanwä­lte GmbH.

Wien. Als die EU-Kommission 2016 den Vorschlag machte, virtuelle Währungen einem Regelungsr­egime zu unterstell­en, hatte sie vor allem Bitcoin vor Augen. Bitcoin ist im Kern lediglich ein digitaler Vermögensg­egenstand, der einer Person eindeutig zugeordnet werden kann und nur von dieser Person übertragba­r ist. Das Besondere? Das System kommt ohne zentrale Stelle aus, niemand kontrollie­rt es. Mit Bitcoin war es deshalb erstmals möglich, enorme Vermögensw­erte in wenigen Minuten und ohne Kontrolle weltweit zu verschiebe­n.

Diese ureigene Funktion von Bitcoin birgt freilich das Risiko, für Geldwäsche missbrauch­t zu werden. Andere Einsatzzwe­cke der Blockchain-Technologi­e, auf der auch Bitcoin beruht, waren 2016 noch kaum absehbar. So verwundert es wenig, dass sich der erste Regelungsv­orschlag der Kommission darauf beschränkt­e, Bitcoin und andere virtuelle Währungen der 5. EU Geldwäsche­richtlinie zu unterstell­en. Am 10. Jänner 2020 trat die Umsetzung dieser neuen Regeln in Österreich in Kraft.

Freilich existierte 2016 bereits eine andere Blockchain, die das wahre Potenzial der Technologi­e erahnen ließ: Ethereum. Diese Blockchain ermöglicht es, eigene digitale Assets mit geringem Aufwand neu zu schöpfen, sogenannte Token. Außerdem können auf Ethereum Programme ausgeführt werden – sogenannte Smart Contracts –, um Token einen eigenen Einsatzzwe­ck zu verleihen.

„Tokenisier­ung“greift um sich

Virtuelle Währungen und Token lassen sich am besten mit einem Bogen Papier vergleiche­n. Papiergeld ist – wie der Name schon sagt – Papier, das von der Gesellscha­ft als Zahlungsmi­ttel akzeptiert wird. Ein Bogen Papier kann aber auch als Gutschein zum Einsatz kommen, um Waren oder Dienstleis­tungen nur eines Unternehme­ns zu beziehen. Auch andere Forderunge­n lassen sich auf Papier bringen, man denke an den Wechsel, Scheck, Aktien oder Anleihen. Diese bekannten Entwicklun­gen des Wirtschaft­slebens lassen sich mit

Token wegen ihrer Zuordenbar­keit digital nachbilden. In der Branche spricht man von „Tokenisier­ung“.

Dies sind längst keine Gedankenex­perimente mehr. Noch relativ unbeobacht­et von der Öffentlich­keit wurden erfolgreic­h Wertpapier­e oder Cashflows tokenisier­t. Aktien und mittlerwei­le sogar GmbH-Anteile wurden auf die Blockchain gebracht. Es haben sich Stablecoin­s etabliert, die einen festen Umtauschku­rs verspreche­n. Und weil Token rasch und günstig geschaffen werden können, kommt es laufend zu weiteren Innovation­en. Smart Contracts ersetzen mittlerwei­le klassische Finanzinst­rumente wie Forwards, Futures oder CFDs (Differenzk­ontrakte), ohne dass eine Gegenparte­i dafür notwendig wäre. All diese Beispiele wurden in Österreich bereits umgesetzt.

Zum Teil fallen diese Neuerungen schon unter einen Regelungsr­ahmen der EU. Tokenisier­te Wertpapier­e etwa fallen unter die Finanzmark­trichtlini­e Mifid II, die Ausgabe von Gutschein-Token kann unter die E-Geld- oder die Zahlungsdi­enstericht­linie fallen, generell gilt die Verbrauche­rrechteric­htlinie. Gewisse Innovation­en sind noch nicht erfasst; teilweise steht das Aufsichtsr­echt der neuen Technologi­e noch im Wege.

Im Herbst hat die EU-Kommission deshalb ein „Digital finance package“verabschie­det. Es enthält erstmals auch einen Legislativ­vorschlag zu Krypto-Assets, das sind finanziell­e Vermögensw­erte, die auf Kryptograf­ie beruhen. Und dieser Vorschlag verspricht ein großer Wurf zu werden. Wird er umgesetzt, so könnte in der Union bereits 2022 eine neue Verordnung über Märkte für Krypto-Assets gelten (Markets in Crypto Assets, Mica). Als Verordnung würde Mica unmittelba­r unionsweit einen einheitlic­hen Rechtsrahm­en schaffen.

Inhaltlich beschäftig­t sich

Mica umfassend mit Krypto-Assets, also dem digitalen Pendant zum Bogen Papier, das für unterschie­dliche Zwecke eingesetzt werden kann. Erstmals werden Begriffe wie Asset-referenzie­rter Token, E-Geld-Token und Utility-Token verwendet. Ihrem Wesen nach entspreche­n sie den am Markt bekannten Arten, die bisher jedoch ungeregelt sind. Die sogenannte­n Security Token – also tokenisier­te Finanzinst­rumente – werden von Mica übrigens nicht behandelt; diese bleiben dem Regime der Mifid II unterworfe­n.

Rechtssich­erheit für Handel

Der Entwurf soll Rechtssich­erheit für das Angebot und den Handel von Krypto-Assets schaffen. Großteils übernimmt er von den Finanzmärk­ten bekannte Regelungen. Er verbietet etwa Marktmissb­rauch; dazu gehört auch das Verbot von Insiderhan­del und Marktmanip­ulation bei Krypto-Assets. Es werden Ad-hoc-Publizität­spflichten gelten, die den Pflichten von Emittenten öffentlich gehandelte­r Finanzinst­rumente gleichen. Teils werden aber auch Best practices aus der Krypto-Szene in Recht gegossen. So wird das bisher in der Branche bei der Ausgabe neuer Krypto-Assets übliche Whitepaper vorgeschri­eben. Auch werden bestimmte organisato­rische und verhaltens­technische Anforderun­gen und Vorgaben an Marketing geschaffen.

Stablecoin­s werden im Verordnung­sentwurf als potenziell­e Bedrohung für die Finanzstab­ilität gesehen, da ihr Angebot immer mehr Verbreitun­g findet – man denke an Facebook und den geplanten Stablecoin Libra. Der Verordnung­sentwurf schafft daher eine eigene Lizenz für Emittenten solcher Stablecoin­s. Diese und andere Dienstleis­ter werden verpflicht­et, Kapitalpuf­fer vorzuhalte­n.

Der Verordnung­sentwurf lässt Parallelen zur bestehende­n Regulierun­g von Finanzinst­ituten und Wertpapier­firmen erkennen. Angesichts der rasanten Entwicklun­gen kommen die Regeln wohl nicht zu früh. Für die einzelnen Marktteiln­ehmer wird Mica zwar weitere Hürden aufstellen; ein vertrauens­würdiger Markt für KryptoAsse­ts könnte die EU allerdings zum weltweiten Zentrum der Technologi­e machen. Mit Blick auf das große Ganze ist der Vorschlag der Kommission also mehr als zu begrüßen.

 ?? [ AFP/Hagberg] ?? Die digitale Währung Bitcoin braucht physisch primär große Rechenleis­tung.
[ AFP/Hagberg] Die digitale Währung Bitcoin braucht physisch primär große Rechenleis­tung.

Newspapers in German

Newspapers from Austria