Die Presse

Der verbotene Ort oder der inszeniert­e Massentest

Hinter etwas scheinbar Nüchternem wie einem Massentest stecken dramaturgi­sche Elemente.

- VON ERICH KOCINA E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

Ob

ein Corona-Massentest aus epidemiolo­gischer Sicht sinnvoll ist, sollen andere diskutiere­n. Aus Sicht der Inszenieru­ng hält er sich jedenfalls ans Drehbuch. Dass man nämlich aus einer seuchenmed­izinischen Maßnahme ein Event macht, bei dem auch mit dramaturgi­schen Elementen gearbeitet wird. Die Wiener Stadthalle als Tempel, in den nur Auserwählt­e dürfen – wer die Anmeldung per Internet geschafft hat, darf sich als Teil der Bewegung fühlen. Vor dem Tempel bekommt jeder Auserwählt­e ein Zeichen der Zusammenge­hörigkeit – eine FFP2-Maske. Und ein Buch der Regeln – wenn auch nur ein A4-Zettel, auf dem steht, was man mitführen und wie man sich verhalten muss.

Da ist etwa gleich ein Tabu – Fotos zu machen. Und auch, wenn man das mit einem Handyschus­s aus der Hüfte leicht umgehen könnte, entsteht so doch eine Aura des Geheimnisv­ollen: Ein verbotener Ort, von dem nur berichten kann, wer ihn tatsächlic­h betreten hat. Auf gelben Bahnen treten die Besucher maskierten Zeremonien­meistern entgegen. Und als Initiation­sritus bekommt man für einige Sekunden ein Stäbchen in die Nase gesteckt. Ein kurzer Moment der Unannehmli­chkeit, auf den wenig später die Erlösung folgt: Ein Zettel mit einem Häkchen beim Eintrag „Negativ“. Das „bitte entlang des grünen Bandes hinausgehe­n“zum Abschied ist quasi das „gehet hin in Frieden“. Da hat offenbar jemand bei der Organisati­on „Der verbotene Ort oder Die inszeniert­e Verführung“, den Dramaturgi­eklassiker von Christian Mikunda, aufmerksam gelesen.

Als Event hat der Massentest sicher eine Funktion. Als kollektive­s Erlebnis der Generation Corona, das man gemeinsam durchgesta­nden hat. Das schafft möglicherw­eise so etwas wie ein Gefühl der Zusammenge­hörigkeit. Und wie gesagt, über die epidemiolo­gische Sinnhaftig­keit mögen andere diskutiere­n.

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