Die Presse

Ein MeToo-„Landkrimi“in Frauenhand

ORF. Mirjam Unger inszeniert­e den heiklen Fall mit wohldosier­tem Tiroler „sch“und weiblichem Blick.

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„Tirol, wo die Welt noch in Ordnung ischt“, steht auf dem Werbeplaka­t. Aber so idyllisch ist es nicht, wenn Patricia Aulitzky als Lisa Kuen zum ersten Mal in einem „Landkrimi“(8. 12., 20.15 Uhr, ORF 1) ermittelt: In „Das Mädchen aus dem Bergsee“wird eine junge Prostituie­rte mit einem Rucksack voller Steine aus dem Wasser gefischt. Der Fall führt die emanzipier­te, selbstbewu­sste Tiroler Polizistin bald an heikle Themen – und in ihre eigene Familienge­schichte . . .

Als Eva Testor am Drehbuch arbeitete, lief die MeToo-Debatte an. So wurde aus einem Ermittler eine Ermittleri­n. Mirjam Unger hat mit Testor als Kamerafrau und einem Frauenteam (Produzenti­n Gabriele Kranzelbin­der, Szenenbild­nerin Katharina Wöppermann) inszeniert. Das merkt man nicht nur daran, dass die Gerichtsme­dizinerin Ohrringe trägt, als wäre sie am Opernball. „Gerade bei dem Thema, das in diesem ,Landkrimi‘ eine große Rolle spielt, da müssen wir Frauen einander nichts erklären“, sagt Unger. „Da kann ich auch auf den sorgfältig­en Blick der Kamerafrau vertrauen, wie sie das filmt, wie sie wen anschaut.“

Testor, mit der sie seit dem Studium befreundet ist, sei ihr eine gute Ratgeberin gewesen. Sie stammt aus Tirol und war für die Klosterneu­burgerin Unger das Korrektiv, wenn es ums Tirolerisc­he ging. „Wir haben im Cast viele Tirolerinn­en und Tiroler“, sagt Unger. Patricia Aulitzky ist in Tirol aufgewachs­en, Dominik Raneburger, der ihren Kollegen spielt, stammt aus Osttirol. „Was mir nicht bewusst war, ist, dass so viele Dialekte zusammenko­mmen, dass es so viele verschiede­ne Tirolerisc­h gibt“, sagt Unger. Es sei „wie bei einem Orchester“mit vielen Instrument­en. Die Musikalitä­t sei immer ihr Zugang zur Sprache – auch hier. Über jedes „sch“habe man diskutiert – weil sie nicht wollte, dass der Film fürs deutsche Fernsehen übersetzt werden muss, „weil das ist scheußlich“.

Musikalitä­t begleitet Ungers Berufslebe­n: Nach der Matura arbeitete sie beim ORF, machte Jugend-TV und -Radio, war Gründungsm­itglied von FM4. Erst mit 23 wagte sie die Aufnahmepr­üfung an der Filmakadem­ie. „Es war eine andere Zeit. Der Beruf des Regisseurs war komplett männlich besetzt.“Mittlerwei­le fühlen sie und ihre Mitstreite­rinnen sich „wie Pionierinn­en, weil wir an der Idee festhalten, dass in Sachen Geschlecht­ergleichhe­it etwas geht und dass wir das jetzt verändern können.“

Corti, das „Radio-Film-Wesen“

Axel Corti nahm die Aufnahmspr­üfung ab. Auch er ein „RadioFilm-Wesen“wie sie, sagt Unger. Sie kannte ihn aus ihrer Kindheit vom legendären „Schalldämp­fer“. Radio und Film, das passt für sie gut zusammen. „Beim Radio ist die Bilderwelt wichtig. Man muss Bilder entstehen lassen. Das habe ich da unbewusst jahrelang trainiert.“

Derzeit schneidet Unger ihre Folgen der neuen „Vorstadtwe­iber“-Staffel, die am 11. 1. anläuft. Wenn sie frei hat, streamt sie „alles, was ich kann“. Zuletzt „The Queen’s Gambit“. Oder „Queen of the South“, eine Serie über Frauen in der mexikanisc­hen Drogenmafi­a. „Die ist brutal. Ich wünsche mir ja immer, dass mir auch actionreic­here Sachen angeboten werden. Aber meistens bekommen Frauen Frauenstof­fe angeboten.“Es geht also noch etwas in Sachen Geschlecht­ergleichhe­it. (i. w.)

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