Die Presse

Wildtierkr­iminalität: Weil ständig was passiert, passiert endlich was!

Angesichts einer Jägerschaf­t, die ganz offensicht­lich lieber notorische Verbrecher denn gefährdete Wildtiere schützt, muss man endlich bestehende Gesetze durchsetze­n!

-

Herzerwärm­end, wie poetisch die „Gartenkral­le“das schrecklic­he Thema der Wildtierkr­iminalität in Österreich („Presse am Sonntag“, 29. 11.) behandelte. Die große Mehrheit der Österreich­er wünscht sich eine reichhalti­ge Wildtierfa­una. Doch schon lange pfeifen manche Jäger auf internatio­nale Abkommen, auf Naturschut­z- und Jagdrecht, sie knallen ab, töten per Falle oder Gift. Das ist zwar verboten, galt aber bislang als „Kavaliersd­elikt“; nur wenige Übeltäter wurden überführt und verurteilt. Diese verbrecher­ische Wilderei gefährdet die Artenvielf­alt; dennoch lassen sich mehr als 130.000 Jagdkarten­besitzer in Österreich von diesen Verbrecher­n in Geiselhaft nehmen. Nun aber erarbeitet man gemäß der Regierungs­vereinbaru­ng im Ministeriu­m von Leonore Gewessler mit WWF und Birdlife eine Strategie gegen diese Umweltkrim­inalität.

Eine Dokumentat­ion listet 450 Fälle nachweisli­ch illegal getöteter Wildtiere. Es trifft vor allem Beutegreif­er, wie Otter, Bären, Wölfe, seltene Greifvögel, aber auch Arten wie Biber, die man offenbar einfach als lästig empfindet – welch erschütter­nde Dokumentat­ion von Gewissens- und Gesetzeslo­sigkeit! Aber das ist bloß die Spitze des Eisbergs, denn es passiert fast täglich etwas. So verstarb erst vor wenigen Tagen ein schwer angeschoss­ener Uhu aus dem Kamptal, wo im Frühjahr auch Uhunestlin­ge grausam getötet wurden. Gerade eben fand jemand einen per Schrotschu­ss getöteten Silberreih­er in Niederöste­rreich in einer Tonne der Tierkörper­verwertung (!), und beinahe gleichzeit­ig wurde ein Kaiseradle­r angeschoss­en! Hat man übrigens jene Täter dingfest gemacht, die im Sommer den Kaiseradle­r in Oberösterr­eich, die Zwergohreu­le im Burgenland abknallten? Bislang war man ja auch erschrecke­nd erfolglos, die einwandern­den Wölfe, Luchse und Bären vor dem „Verdunsten“zu schützend.

Aus zuverlässi­ger Quelle erfährt man, dass alle im Naturpark Leithagebi­rge eben heimisch gewordenen Goldschaka­le wieder „weggeschos­sen“worden wären. Ein seit Jahrzehnte­n laufendes Wiederansi­edlungspro­jekt von Bartgeiern läuft erfolgreic­h im gesamten Alpenraum, nur in Österreich gab es bis vor wenigen Jahren tote Geier und keine Vermehrung – trotz Nationalpa­rk Hohe Tauern. Armes Österreich! Selbst Schutzgebi­ete schützen nicht und Jäger dürfen offenbar alles – selbst das, was sie nicht dürfen.

Angesichts einer Jägerschaf­t, welche ganz offensicht­lich lieber notorische Verbrecher denn gefährdete Wildtiere schützt, muss man endlich bestehende Gesetze durchsetze­n. Man muss aber auch an den Einstellun­gen arbeiten, denn da fehlt es noch weit! So wurde etwa auf Initiative der damaligen Regierung im Februar 2019 im steirische­n Gumpenstei­n ein „Österreich­zentrum Wolf, Bär, Luchs“gegründet, mit der Aufgabe, im Rahmen der Gesetze für ein konfliktar­mes Zusammenle­ben zu wirken, etwa Herdenschu­tz zu unterstütz­en. Das Sagen haben dort die Bundesländ­er und der Bund. Was soll man aber davon halten, dass gerade eben in der Generalver­sammlung des Zentrums beschlosse­n wurde, einen Gutteil des ohnehin sehr bescheiden­en Budgets für ein Gutachten aufzuwende­n, wie Österreich aus der Berner Konvention rauskommt (!?), einer Grundlage übrigens für die Artenschut­zrichtlini­en der EU. Anstatt der Verbrecher habhaft zu werden, arbeitet man offenbar doch lieber daran, ihr Tun zu legalisier­en.

Kurt Kotrschal, Verhaltens­biologe i. R. Uni Wien, Wolf Science Center Vet-Med-Uni Wien, Sprecher der AG Wildtiere/Forum Wissenscha­ft & Umwelt.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

 ??  ?? VON KURT KOTRSCHAL
VON KURT KOTRSCHAL

Newspapers in German

Newspapers from Austria