Die Presse

Die Maske ist der neue Gurt

Gastkommen­tar. Manches wird nach dem Ende der Pandemie in unseren Alltag übergehen. Das könnte ungeahnte Effekte für uns haben.

- VON THOMAS JAKL

Wenn uns als Gesellscha­ft etwas wirklich wichtig ist, damit aber Gefahren für Leib und Leben einhergehe­n, lassen wir uns nicht lumpen, greifen richtig tief in die Tasche und lassen uns viel gefallen, um diese Risiken zu minimieren. Nirgends ist das offensicht­licher als bei unserem Verhältnis zum geliebten fahrbaren Untersatz.

In den frühen Siebzigern des vorigen Jahrhunder­ts lief die Sache mit dem Kfz-Verkehr deutlich aus dem Ruder. In den (aus heutiger technische­r Sicht) damaligen fahrenden Särgen fanden 1972 fast 3000 Menschen in Österreich den Tod – bei einem Fahrzeugbe­stand von ca. 1,5 Millionen. Dafür, dass heute bei mehr als dreimal so vielen Autos nicht 10.000 Menschen im Jahr ihr Leben im Straßenver­kehr lassen, sondern nur etwas mehr als 400, haben wir viel in Kauf genommen. Sicherheit­srelevante Investitio­nen in die Straßeninf­rastruktur und strikte Kontrolle der einschlägi­gen Vorschrift­en ebenso wie die entscheide­nd verbessert­e Notfallver­sorgung und ein massiver Fortschrit­t in der Fahrzeugsi­cherheit. Aber was war das damals für ein Gezeter vor der Einführung der Gurtpflich­t: „Beschränku­ng der Freiheit!“– „Das ist ja kein Autofahren mehr!“– „Bei einem Unfall kann ich mich eh am Lenkrad abstützen!“Keiner denkt mehr darüber nach, heute – es ist selbstvers­tändlich geworden, im Auto den Gurt anzulegen, beim Skifahren einen Helm – oder bei gewissen Tätigkeite­n am Arbeitspla­tz eine Schutzbril­le zu tragen.

Was überlebt die Pandemie?

Das Risiko, das wir in diesen Monaten als stärkste Bedrohung empfinden, ist die Ansteckung mit aggressive­n Viren. Analog zum Beitrag von Sicherheit­sgurt und dreibuchst­abigen Helferlein (ASR, ABS, ESP) im Straßenver­kehr sind in der Covid-19-Krise der Mund-NasenSchut­z, die aktive Lüftung von Innenräume­n, der breite Einsatz der Desinfekti­on und die eingeschrä­nkte Reisetätig­keit zu sehen.

Was wird von diesen Maßnahmen als Selbstvers­tändlichke­it in unseren Alltag übergehen? Früher oder später werden wohl Urlaubsund Geschäftsr­eisen wieder zu unserem normalen Leben gehören. Allerdings sind virtuelle Treffen mittlerwei­le in so vielen Bereichen zur Routine geworden, dass sie ihren Platz behalten und zumindest einen Teil der oft unreflekti­ert angetreten­en Businesstr­ips nach Brüssel, London oder Frankfurt ersetzen werden.

Hygieniker schlagen Alarm!

Ganz und gar nicht zum Normalfall sollte hingegen der massiv gestiegene Einsatz an desinfizie­renden Produkten werden. Aus Gesundheit­s- und Umweltsich­t ist zu hoffen, dass Desinfekti­on nur mehr in Situatione­n angewandt wird, bei denen es medizinisc­h notwendig ist, und aus unserem Alltag und den Haushalten

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