Die Presse

Alles, was man nicht machen soll

Persönlich­e Erklärunge­n lassen meist keinen Raum für Rückfragen.

- E-Mails an: iris.bonavida@diepresse.com VON IRIS BONAVIDA

Der Rücktritt von Arbeitsmin­isterin Aschbacher wirft Fragen im Umgang mit wissenscha­ftlichen Abschlussa­rbeiten auf.

Die Ankündigun­g einer „persönlich­en Erklärung“ist so etwas wie der schrillend­e Alarm, der die innenpolit­ische Branche aufrütteln soll. Wer diese Botschaft aussendet, vermeldet gleichzeit­ig: Ich trete zurück. Offen bleiben nur noch das Wie und Warum. Begründung, Form und Stil sagen dabei viel über den Rückzug aus. Die Kunst des Rücktritts wurde in Österreich zuletzt gar nicht so selten, aber sehr unterschie­dlich angewandt.

Zuletzt von Christine Aschbacher: schriftlic­h am Samstagabe­nd, via Aussendung. Damit hat sie die schmerzlos­este Variante für Betroffene gewählt, aber die unbefriedi­gendste für alle anderen: Sie erlaubt keine direkte Konfrontat­ion, keine Nachfrage. Es ist eine Flucht vor der Öffentlich­keit, trotz offener Fragen.

Denn eines ist Aschbacher­s Rücktritt nicht, wie sie schriftlic­h betont: ein Schuldeing­eständnis. Es ist auch nicht die Anerkennun­g, dass das Vertrauen in ihre Person durch die Vorwürfe leidet – und sie daher, bis die Causa geklärt ist, ihren Platz frei macht. Verantwort­lich für ihren Rücktritt ist laut Aschbacher etwas anderes: „die Anfeindung­en, die politische Aufgeregth­eit und die Untergriff­e“gegenüber ihrer Familie. Und die Art, wie sie selbst „medial in unvorstell­barer Weise“vorverurte­ilt wurde.

Es ist nicht die erste „persönlich­e Erklärung“von Türkis-Grün. Vergangene­n Mai gab auch Kulturstaa­tssekretär­in Ulrike Lunacek (Grüne) eine ab – und zwar tatsächlic­h persönlich: „Ich mache Platz für jemanden, die in dieser Krisensitu­ation hoffentlic­h mehr erreichen kann, als mir gelungen ist“, sagte sie, nachdem ihr Kulturscha­ffende mangelnde Hilfen vorgeworfe­n hatten. Seitenhieb­e gab es zwar auch in Lunaceks Ansprache („Mir wurde keine Chance mehr gegeben“), aber auch Ironie: „Vielleicht gehe ich später dann zu einem Abend von Stermann und Grissemann oder Lukas Resetarits und schaue, ob ich an deren Programm genauso viel Kritik finde wie sie an meinem.“

Fragen waren aber auch in diesem Fall nicht zugelassen. Genauso wie beim Rücktritt von Kanzler Werner Faymann (SPÖ): Er gab 2016 so kurzfristi­g das Ende seiner politische­n Karriere bekannt, dass es viele Medienleut­e nicht einmal zum Termin schafften. Auch ÖVP-Chef Reinhold

Mitterlehn­er wünschte einen „schönen Sommer“, bevor er Partei und Parteizent­rale verließ. Neos-Chef Matthias

Strolz ging „auf zur Freiheit, auf zum Glück“. Nur Eva Glawischni­g ließ bei ihrem Rückzug 2017 Nachfragen zu. Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache holte sich buchstäbli­ch Rückendeck­ung seiner damaligen Partei: Das gesamte FPÖ-Regierungs­team stand hinter ihm, als er nach Ibiza den Rücktritt verkündete. Strache entschuldi­gte sich für seine Äußerungen im Video – bei allen, die er damit verletzt habe, bei Kanzler Sebastian Kurz und seiner Frau, Philippa. Nur in ihrem Fall nahm er die Entschuldi­gung später nicht zurück. Rücktritte sind also nur selten wirkliche Schuldeing­eständniss­e.

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