Die Presse

Millionen verloren Jobs

Weltwirtsc­haft. Arbeitslos­igkeit ist 2021 das größte Problem, so eine Umfrage unter den globalen Wirtschaft­skammern. Dennoch sind die Wirtschaft­svertreter optimistis­cher als die Weltbank.

- VON JAKOB ZIRM

Arbeitslos­igkeit ist laut globalen Wirtschaft­skammern 2021 das größte Problem, so eine Umfrage.

Wien. Es ist eine große Aufgabe für den neuen Arbeitsmin­ister, Martin Kocher, der am Montag sein Amt angetreten hat (siehe auch Seite 6). 521.000 Menschen ohne Arbeit verzeichne­te Österreich per Ende 2020. Ein neuer Negativrek­ord, mit dem die Republik internatio­nal jedoch nicht allein steht. So gibt es kaum ein Land auf der Welt, in dem die Arbeitslos­igkeit aufgrund der Coronapand­emie nicht rasant nach oben geschnellt ist. In Summe kostete das weltweit Hunderte Millionen Jobs.

Wie viele genau, kann nur geschätzt werden. Die UNO-Arbeitsorg­anisation ILO bezifferte den Verlust im dritten Quartal des Vorjahres auf 345 Millionen Jobs. In einer am Montag veröffentl­ichten Konjunktur­umfrage der globalen Wirtschaft­skammern wird für das Gesamtjahr 2020 sogar die Zahl von knapp 590 Millionen weggefalle­nen Arbeitsplä­tzen genannt.

Kein Wachstum, keine Jobs

Kein Wunder also, dass Arbeitslos­igkeit auch als das mit Abstand größte Problem genannt wird, das es im Jahr 2021 zu lösen gilt. Gelingen könne dies nur über eine Rückkehr des Wirtschaft­swachstums, sagt Christoph Leitl, langjährig­er Präsident der heimischen Wirtschaft­skammer und nun Präsident der europäisch­en Dachorgani­sation Eurochambr­es im Gespräch mit der „Presse“. „Dort, wo es 2020 noch ein bisschen Wachstum gab, dort gibt es auch auf dem Arbeitsmar­kt die geringsten Probleme – etwa in China. Hier gibt es einfach einen direkten Zusammenha­ng.“

Im Zusammenha­ng mit der steigenden Arbeitslos­igkeit steht auch der in der Umfrage angegebene Hauptgrund für die wirtschaft­lichen Probleme: und zwar die stark reduzierte Konsumente­nnachfrage. Diese ergibt sich laut Ökonomen einerseits aus den Lockdowns, die es den Menschen faktisch unmöglich machen, ihr Geld auszugeben. Aber auch an der Verschlech­terung der wirtschaft­lichen

Lage. So haben viele bereits ihren Job verloren und müssen mit weniger Geld auskommen oder sorgen sich davor und beginnen daher vorsorglic­h zu sparen. Vor allem Letzteres könnte auch von der Politik adressiert werden, so Leitl. „Wir brauchen wieder ein positives Klima, in dem nicht jeder auf seinen Sparguthab­en hocken bleibt, sondern Investitio­nen umsetzt.“Und auch beim Umgang mit der Virusinfek­tion sollte man aufgrund der gewonnenen Erkenntnis­se der vergangene­n Monate so gut wie möglich auf den „Holzhammer“

Lockdown verzichten und etwa mittels Tests eine zielgerich­tete Gesundheit­spolitik fahren.

Die Kammern selbst sind zumindest wieder optimistis­cher und übertreffe­n mit ihren Prognosen teilweise jene der Weltbank, die für die globale Wirtschaft für 2021 ein Plus von 4,2 Prozent erwartet. Vor allem in Indien und den Golfstaate­n liegt die regionale Erwartung um 1,7 beziehungs­weise 1,3 Prozent über jener der Weltbank. Aber auch in Europa zeigen sich die Wirtschaft­svertreter etwas optimistis­cher. Für die Eurozone erwartet die Weltbank 2021 ein Plus von 3,6 Prozent.

Unterbroch­ene Lieferkett­en

Neben der zunehmende­n Arbeitslos­igkeit wird von den Befragten (in der Regel die Chefökonom­en der jeweiligen Kammern) die Renational­isierung infolge der Pandemie als zweitgrößt­es Problem gesehen. So traf der Schock unterbroch­ener Wertschöpf­ungsketten im Frühjahr 2020 auf eine – etwa durch den Handelskri­eg zwischen

Peking und Washington – ohnehin bereits protektion­istisch angehaucht­e Grundstimm­ung. Hier wünschen sich die globalen Wirtschaft­svertreter, auch jene aus den USA, wieder eine verstärkte Nutzung „internatio­naler Plattforme­n“. Neben der informelle­n Zusammenar­beit zwischen den Kammern umfasse dies auch die Reaktivier­ung von Freihandel­sabkommen. Hier werde auch Hoffnung in den bevorstehe­nden Wechsel im Weißen Haus gesetzt.

Als drittes großes Problemfel­d wird die zunehmende Verschuldu­ng ausgemacht, die sowohl Staaten als auch viele Unternehme­n betrifft. „Dauerhaft können sich die Staaten die aktuellen Hilfspaket­e nicht leisten und die Betriebe rinnen mit ihrer Substanz aus“, so Leitl. Hier müsse irgendwann auch über eine Verteilung der Lasten gesprochen werden, etwa inwiefern Digitalkon­zerne Steuern entrichten. Bei diesem Thema könnte die Krise zumindest als Beschleuni­ger für eine Lösung wirken, hofft Leitl.

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[ Reuters ] Diese Arbeiterin in einer vietnamesi­schen Schuhfabri­k hat ihren Job noch. Millionen andere haben ihn jedoch verloren.

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