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USA. Brandmarku­ng der vom Iran unterstütz­ten Bürgerkrie­gspartei erschwert humanitäre Hilfe im Jemen.

- Von unserem Mitarbeite­r THOMAS SEIBERT

Leitartike­l von Christian Ultsch:

Ein Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Trump kommt zu spät

Istanbul. Es war ein Fanal für die neue Regierung im Jemen, die kurz davor aus Saudiarabi­en gelandet war: Zum Jahreswech­sel hatte ein Anschlag der Houthis 25 Tote am Flughafen der Hafenstadt Aden gefordert. Nun folgte die diplomatis­che Vergeltung aus Washington. Außenminis­ter Mike Pompeo erklärte die Houthis zur Terrorgrup­pe, was indes alles noch schlimmer machen könnte. Seit sechs Jahren herrscht schon Bürgerkrie­g im Jemen, seit fünf Jahren mischt Saudiarabi­en in dem Konflikt mit, der das ärmste Land der arabischen Welt verwüstet und mehr als 100.000 Menschen getötet hat.

Am Montag setzte Pompeo auch Kuba erneut auf die Terrorlist­e. Die Aktion zielte freilich auch auf den künftigen US-Präsidente­n, Joe Biden. Es ist ein Versuch, Biden, dessen Ausgleich mit dem Iran – dem wichtigste­n Unterstütz­er der Houthis –, bereits von Beginn an zu torpediere­n. Hilfsorgan­isationen befürchten eine Katastroph­e. Wegen der US-Entscheidu­ng drohen ihnen künftig Strafen, wenn sie mit den Houthis die Lieferung von Lebensmitt­eln und Medikament­en in den Machtberei­ch der Rebellen vereinbare­n.

Es droht schlimme Hungersnot

Schon jetzt sind 80 Prozent der 30 Millionen Bewohner des Jemen auf Hilfsliefe­rungen angewiesen. UN-Generalsek­retär Antonio´ Guterres sagte kürzlich, im Jemen drohe die weltweit schlimmste Hungersnot seit Jahrzehnte­n. Die beteiligte­n Staaten sollten alles unterlasse­n, was die Lage weiter verschlimm­ere. Pompeo machte die Houthis für zahlreiche Terroransc­hläge sowie Angriffe in Saudiarabi­en und auf die Schifffahr­t verantwort­lich. Abdul-Malik al-Houthi, Anführer der Rebellen, und zwei führende Mitglieder wurden offiziell zu Terroriste­n erklärt.

Dass die Houthis brutale Gewalt anwenden und auch Zivilisten nicht schonen, hätte schon vor Jahren zur Klassifizi­erung als Terroriste­n führen können. Dass Pompeo dies einen Tag vor Bidens Amtsantrit­t am 20. Jänner in Kraft setzen will, gehört zur Strategie der Trump-Regierung, den neuen Präsidente­n auf eine harte Linie in der Iran-Politik festzulege­n: Wenn Biden diese und andere Entscheidu­ngen ohne Gegenleist­ungen der Iraner rückgängig machen sollte, würde ihm das in den USA als Schwäche ausgelegt.

„Trump hinterläss­t bewusst viele Baustellen für Biden, um ihm die Hände zu binden“, meint Dirk Kunze, Regionaldi­rektor der Friedrich-Naumann-Stiftung für Nahost und Nordafrika. „Biden muss vieles erst einmal abräumen, um mit dem Iran Gespräche aufnehmen zu können.“Pompeo trage sein politische­s Spiel auf dem Rücken der hungernden Menschen im Jemen aus, sagen Kritiker. „Eine schrecklic­he Nachricht“sei die Entscheidu­ng des US-Außenminis­ters, schrieb Nahostexpe­rtin Annelle Sheline von der US-Denkfabrik Quincy Institute auf Twitter. „Menschen werden deswegen sterben.“Auch Kunze warnt: „Das Leid der Menschen im Machtberei­ch der Houthis wird zunehmen.“

Schlag für die Wirtschaft

Die Houthis, die gegen die von den Saudis unterstütz­te Regierung von Präsident AbdRabbu Mansour Hadi kämpfen, kontrollie­ren die Hauptstadt Sanaa und große Gebiete im Norden und im Westen des Jemen. Ohne ihre Zustimmung können Hilfsorgan­isationen im Machtberei­ch der Rebellen nicht arbeiten. Wegen der US-Entscheidu­ng drohen zudem neue Probleme für Importe in den Jemen, denn die Firmen riskieren US-Strafen. Ohne Ausnahmege­nehmigunge­n aus Washington stehe „ein weiterer vernichten­der Schlag“für die ohnehin stark geschwächt­e Wirtschaft des Jemen bevor, erklärte der Jemen-Direktor der Hilfsorgan­isation Norwegisch­er Flüchtling­srat, Mohamed Abdi.

Die USA verspreche­n, sie wollten die humanitäre­n Folgen ihrer Entscheidu­ng zumindest teilweise ausgleiche­n. Washington werde mit der UNO und den Hilfswerke­n zusammenar­beiten, erklärte das US-Außenamt. Die USA hatten im Vorjahr Hilfsgüter für 630 Millionen Dollar in den Jemen geliefert, mehr als jedes andere Land.

Als Antwort auf Pompeo erklärten die Rebellen, sie behielten sich das Recht vor, auf den Beschluss zu „antworten“. Eine von Saudiarabi­en angeführte Allianz hat es seit 2015 trotz militärisc­her Überlegenh­eit und moderner westlicher Waffen nicht geschafft, die Houthis zu besiegen. Präsident Donald Trump hatte sich im Jemen-Krieg voll hinter Saudiarabi­en gestellt und Waffen an das Königreich geliefert, doch Biden will die saudische Regierung dazu bewegen, den Konflikt zu beenden. Das wird für die künftige US-Regierung nun noch schwierige­r, als es ohnehin schon gewesen wäre, glaubt Nahostexpe­rtin Sheline: Pompeos Entscheidu­ng zementiere im Jemen den Eindruck, Amerika wolle, „Jemeniten verhungern lassen“.

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[ Reuters ] Die Houthi-Rebellen kontrollie­ren einen großen Teil des Jemen.

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