USA. Brandmarkung der vom Iran unterstützten Bürgerkriegspartei erschwert humanitäre Hilfe im Jemen.
Leitartikel von Christian Ultsch:
Ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump kommt zu spät
Istanbul. Es war ein Fanal für die neue Regierung im Jemen, die kurz davor aus Saudiarabien gelandet war: Zum Jahreswechsel hatte ein Anschlag der Houthis 25 Tote am Flughafen der Hafenstadt Aden gefordert. Nun folgte die diplomatische Vergeltung aus Washington. Außenminister Mike Pompeo erklärte die Houthis zur Terrorgruppe, was indes alles noch schlimmer machen könnte. Seit sechs Jahren herrscht schon Bürgerkrieg im Jemen, seit fünf Jahren mischt Saudiarabien in dem Konflikt mit, der das ärmste Land der arabischen Welt verwüstet und mehr als 100.000 Menschen getötet hat.
Am Montag setzte Pompeo auch Kuba erneut auf die Terrorliste. Die Aktion zielte freilich auch auf den künftigen US-Präsidenten, Joe Biden. Es ist ein Versuch, Biden, dessen Ausgleich mit dem Iran – dem wichtigsten Unterstützer der Houthis –, bereits von Beginn an zu torpedieren. Hilfsorganisationen befürchten eine Katastrophe. Wegen der US-Entscheidung drohen ihnen künftig Strafen, wenn sie mit den Houthis die Lieferung von Lebensmitteln und Medikamenten in den Machtbereich der Rebellen vereinbaren.
Es droht schlimme Hungersnot
Schon jetzt sind 80 Prozent der 30 Millionen Bewohner des Jemen auf Hilfslieferungen angewiesen. UN-Generalsekretär Antonio´ Guterres sagte kürzlich, im Jemen drohe die weltweit schlimmste Hungersnot seit Jahrzehnten. Die beteiligten Staaten sollten alles unterlassen, was die Lage weiter verschlimmere. Pompeo machte die Houthis für zahlreiche Terroranschläge sowie Angriffe in Saudiarabien und auf die Schifffahrt verantwortlich. Abdul-Malik al-Houthi, Anführer der Rebellen, und zwei führende Mitglieder wurden offiziell zu Terroristen erklärt.
Dass die Houthis brutale Gewalt anwenden und auch Zivilisten nicht schonen, hätte schon vor Jahren zur Klassifizierung als Terroristen führen können. Dass Pompeo dies einen Tag vor Bidens Amtsantritt am 20. Jänner in Kraft setzen will, gehört zur Strategie der Trump-Regierung, den neuen Präsidenten auf eine harte Linie in der Iran-Politik festzulegen: Wenn Biden diese und andere Entscheidungen ohne Gegenleistungen der Iraner rückgängig machen sollte, würde ihm das in den USA als Schwäche ausgelegt.
„Trump hinterlässt bewusst viele Baustellen für Biden, um ihm die Hände zu binden“, meint Dirk Kunze, Regionaldirektor der Friedrich-Naumann-Stiftung für Nahost und Nordafrika. „Biden muss vieles erst einmal abräumen, um mit dem Iran Gespräche aufnehmen zu können.“Pompeo trage sein politisches Spiel auf dem Rücken der hungernden Menschen im Jemen aus, sagen Kritiker. „Eine schreckliche Nachricht“sei die Entscheidung des US-Außenministers, schrieb Nahostexpertin Annelle Sheline von der US-Denkfabrik Quincy Institute auf Twitter. „Menschen werden deswegen sterben.“Auch Kunze warnt: „Das Leid der Menschen im Machtbereich der Houthis wird zunehmen.“
Schlag für die Wirtschaft
Die Houthis, die gegen die von den Saudis unterstützte Regierung von Präsident AbdRabbu Mansour Hadi kämpfen, kontrollieren die Hauptstadt Sanaa und große Gebiete im Norden und im Westen des Jemen. Ohne ihre Zustimmung können Hilfsorganisationen im Machtbereich der Rebellen nicht arbeiten. Wegen der US-Entscheidung drohen zudem neue Probleme für Importe in den Jemen, denn die Firmen riskieren US-Strafen. Ohne Ausnahmegenehmigungen aus Washington stehe „ein weiterer vernichtender Schlag“für die ohnehin stark geschwächte Wirtschaft des Jemen bevor, erklärte der Jemen-Direktor der Hilfsorganisation Norwegischer Flüchtlingsrat, Mohamed Abdi.
Die USA versprechen, sie wollten die humanitären Folgen ihrer Entscheidung zumindest teilweise ausgleichen. Washington werde mit der UNO und den Hilfswerken zusammenarbeiten, erklärte das US-Außenamt. Die USA hatten im Vorjahr Hilfsgüter für 630 Millionen Dollar in den Jemen geliefert, mehr als jedes andere Land.
Als Antwort auf Pompeo erklärten die Rebellen, sie behielten sich das Recht vor, auf den Beschluss zu „antworten“. Eine von Saudiarabien angeführte Allianz hat es seit 2015 trotz militärischer Überlegenheit und moderner westlicher Waffen nicht geschafft, die Houthis zu besiegen. Präsident Donald Trump hatte sich im Jemen-Krieg voll hinter Saudiarabien gestellt und Waffen an das Königreich geliefert, doch Biden will die saudische Regierung dazu bewegen, den Konflikt zu beenden. Das wird für die künftige US-Regierung nun noch schwieriger, als es ohnehin schon gewesen wäre, glaubt Nahostexpertin Sheline: Pompeos Entscheidung zementiere im Jemen den Eindruck, Amerika wolle, „Jemeniten verhungern lassen“.