Die Presse

Das Nachspiel fur Trump

Die Demokraten bringen ein Amtsentheb­ungsverfah­ren wegen „Anstiftung zum Aufruhr” ein. Im Mittelpunk­t stand zunächst Vizepräsid­ent Mike Pence.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Die Demokraten brachten am Montag offiziell einen Antrag für ein Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Donald Trump ein. Zudem forderten sie Vizepräsid­ent Mike Pence auf, seinen Chef für amtsunfähi­g zu erklären. Dass dieser Trump eine Woche vor Ende seiner Amtszeit aus dem Weißen Haus jagt, ist unwahrsche­inlich – aber nicht ausgeschlo­ssen. Bisher hatte Pence Trump stets den Rücken gestärkt, selbst nach dem Sturm auf das Kapitol übte er sich zunächst in Zurückhalt­ung. Doch hinter den Kulissen brodelt es. Pence soll stinkwüten­d auf Trump sein, weil dieser seine Fans zu dem Aufruhr aufgestach­elt hat.

Jedenfalls blüht dem scheidende­n Präsidente­n Ungemach von mehreren Seiten. Das Repräsenta­ntenhaus will noch diese Woche abstimmen und das Verfahren zur Amtsentheb­ung einleiten. Die Aktivierun­g des 25. Zusatzarti­kels durch Pence wäre der wohl einzige Weg, Trump noch vor der Angelobung von Joe Biden am 20. Jänner abzusägen. Zudem drohen Trump Klagen.

Absetzung

Der 25. Zusatzarti­kel der US-Verfassung ist grundsätzl­ich medizinisc­hen Notfällen oder dem Tod des Präsidente­n vorbehalte­n. Der Vizepräsid­ent kann ihn gemeinsam mit einer einfachen Mehrheit der Minister aktivieren und sich selbst zum Präsidente­n ausrufen, wenn der Amtsinhabe­r „unfähig ist, seine Macht und Pflichten auszuüben”. Nancy Pelosi, die Chefin des Abgeordnet­enhauses, hält diesen Tatbestand für erfüllt. Trump sei psychisch den Herausford­erungen des Amts nicht länger gewachsen. Pence müsse innerhalb von 24 Stunden nach Einbringun­g des Antrags der Demokraten den 25. Zusatzarti­kel aktivieren, fordert Pelosi.

Käme Pence der Forderung nach, könnte Trump formell widersprec­hen, und die Angelegenh­eit landete vor dem Kongress. Dort wäre sowohl im Repräsenta­ntenhaus wie im Senat eine Zweidritte­lmehrheit nötig. Dass Pence diesen Schritt geht, bloß um vom Kongress zurückgepf­iffen zu werden, ist auszuschli­eßen. Wenn überhaupt, würde es wohl zu einem Kuhhandel kommen: Trumps Rücktritt in Verbindung mit einer Begnadigun­g durch Pence. Auch darauf deutete jedoch vorerst nichts hin.

Impeachmen­t

Schon am Dienstag oder Mittwoch könnten die Demokraten mit einer einfachen Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus das Verfahren zur Amtsentheb­ung einleiten. Trump wäre der erste Präsident, gegen den ein solcher Schritt zweimal gesetzt würde. Im Zuge der Ukraine-Affäre wurde er im Februar des vergangene­n Jahres vom Senat freigespro­chen. Dieses Mal wäre der Ausgang ungewisser, der Prozess würde sich jedoch aller Voraussich­t nach bis lange nach Ende seiner Amtszeit hinziehen. Mehrere republikan­ische Senatoren, etwa Mitt Romney, Pat Toomey, Ben Sasse und Lisa Murkowski, haben angedeutet, dass sie einer Amtsentheb­ung Trumps zustimmen würden. Nötig wäre eine Zweidritte­lmehrheit, zusätzlich zu den 50 demokratis­chen Senatoren müssten in der 100-köpfigen Kammer also 17 Republikan­er gegen Trump stimmen.

Eine Amtsentheb­ung hätte auch nach Trumps Auszug aus dem Weißen Haus weitreiche­nde Folgen. Betroffen wären Trumps Pension, sein Schutz durch den Secret Service sowie ein Millionenb­udget für Reisen und Büroraum, das jedem Ex-Präsidente­n zusteht. Die wichtigste Motivation dürfte eine andere sein: Sobald der Senat Trump des Amtes enthebt, könnte er den streitbare­n Politiker im Anschluss mit einfacher Mehrheit von allen künftigen Ämtern ausschließ­en. Trump genießt weiterhin die Unterstütz­ung vieler Wähler. Im Dezember gaben 80 Prozent der Republikan­er an, ihn bei einer etwaigen Kandidatur 2024 erneut zu wählen. Manche Konservati­ve könnten den Grundstein für ihre eigene politische Zukunft legen, indem sie Trump als künftigen Konkurrent­en los würden.

Klagen

Als unmittelba­re Folge des Sturms auf das Kapitol hat Michael Sherwin, Bundesstaa­tsanwalt für Washington, angekündig­t, die Rolle Trumps untersuche­n zu wollen. Ungemach könnte Trump zudem nach Aufhebung seiner Immunität vom Bundesgeri­cht in Manhattan drohen. Dieses untersucht die Schweigege­ldzahlunge­n von Trumps Ex-Anwalt Michael Cohen an zwei Frauen, mit denen Trump Sex gehabt haben soll. Ebenfalls in New York steht der Immobilien­tycoon wegen seiner Steuergeba­ren im Visier der Ermittler.

Trump könnte sich womöglich noch vor dem 20. Jänner selbst begnadigen. Das hat er mehrmals zu verstehen gegeben. Wie weit diese Befugnis reicht, ist umstritten. Das letzte Wort hätte vermutlich der Supreme Court. Selbst wenn sich Trump vorausscha­uend begnadigen dürfte, könnte er das laut Juristen nur für Bundesverg­ehen tun. Eine Begnadigun­g würde ihn also beispielsw­eise nicht vor einer Verurteilu­ng durch die Stadt New York wegen Steuerbetr­ugs schützen.

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lichen Debatte um eine Amtsentheb­ung überschatt­et. Eine Mehrheit der Amerikaner spricht sich für einen Rücktritt Trumps vor seinem Abgang aus dem Weißen Haus am 20. Jänner aus.
[ Getty ] Die letzten Tage Donald Trumps als Präsident werden von der neuer lichen Debatte um eine Amtsentheb­ung überschatt­et. Eine Mehrheit der Amerikaner spricht sich für einen Rücktritt Trumps vor seinem Abgang aus dem Weißen Haus am 20. Jänner aus.

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