Ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump kommt zu spät
Der Impeachment-Prozess, auf den die US-Demokraten drängen, hat keine Erfolgsaussicht – und ist unnütz: Die US-Wähler haben Trump schon abgesetzt.
Nach dem Sturm auf das Kapitol sind die US-Demokraten entschlossen, noch am Dienstag ein zweites Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump einzuleiten, falls ihn bis dahin dessen Stellvertreter, Mike Pence, nicht absetzt. Auf das Ultimatum werden der Vizepräsident und das Kabinett kaum eingehen. Das hat nicht nur mit Loyalität zu tun. Es entspräche auch nicht dem Geist der US-Verfassung. Der 25. Zusatzartikel sieht lediglich vor, dass eine Regierung den Präsidenten aus gesundheitlichen Gründen aus dem Amt entfernen kann. Und dies trifft im gegebenen Fall nicht zu, wenn man die psychische Dimension beiseitelässt.
Freiwillig wird Trump das Feld wohl nicht räumen, bleibt also nur die Möglichkeit des Impeachment, das die Verfassung für Hochverrat, Bestechung sowie für schwere politische Verbrechen und Vergehen reserviert. Die US-Demokraten werfen dem Staatsoberhaupt vor, den Mob angestachelt zu haben, der am Mittwoch in den Kongress eingedrungen ist, um die Bestätigung der Wahl von Joe Biden zum neuen Präsidenten zu verhindern. Tatsächlich wiegelt Trump seit Wochen seine Anhänger auf, indem er – ohne Beweise – behauptet, dass ihm der Sieg gestohlen worden sei. Auch zu den Protesten vor dem Kapitol hat Trump aufgerufen. Bisher jedoch liegt kein Beleg vor, dass er Anhänger direkt dazu aufgefordert hätte, sich gewaltsam Zutritt zum Sitz der US-Legislative zu verschaffen.
Was Trump mit seinen Hetzreden angestellt hat, ist schlimm genug. Er trägt zweifellos politische Mitverantwortung für das abscheuliche Chaos, das fünf Menschen das Leben gekostet hat. Wie weit seine Schuld reicht, sollten Gerichte klären. Der Bundesstaatsanwalt für Washington sammelt bereits Material.
Das Amtsenthebungsverfahren aber, das die US-Demokraten nun anstreben, ist spaltend, aussichtslos und vor allem unnötig. Denn die US-Wähler haben Trump bereits des Amtes enthoben. Am 20. Jänner wird Joe Biden angelobt. Vor seiner Inauguration kann der Impeachment-Prozess gegen Trump nicht abgeschlossen sein. Und ihn nach Ende der Amtszeit abzusetzen, käme dann doch etwas spät und stähle dem neuen Mann im
Weißen Haus bloß die Show. So viel Aufmerksamkeit verdient Trump nicht mehr. Eingeleitet werden kann das Impeachment-Verfahren schnell. Dafür reichen die Stimmen der US-Demokraten im Repräsentantenhaus. Im Senat wäre für die Amtsenthebung Trumps allerdings eine Zweidrittelmehrheit nötig. Dafür müssten 17 Republikaner zustimmen. Das ist unwahrscheinlich.
Für eine nachträgliche Amtsenthebung spricht ein einziges Argument: Nach einer Verurteilung Trumps könnte der Senat in einer separaten Abstimmung beschließen, Trump lebenslang von allen politischen Ämtern fernzuhalten. Doch das hilft wenig, wenn der Antrag davor an der Zweidrittelhürde scheitert. Wie man es dreht und wendet, ein Amtsenthebungsverfahren bleibt aller Voraussicht nach ein folgenloser Schaukampf, in dem sich Trump erst als Märtyrer und dann vielleicht sogar noch zum Sieger stilisieren könnte.
Selten hat sich ein Politiker dermaßen disqualifiziert wie der notorische Lügner und Demagoge Donald Trump. Ein ehernes Prinzip der Demokratie besteht darin, Wahlniederlagen zu akzeptieren und die für beschränkte Zeit geliehene Macht anstandslos wieder abzugeben. Wer dazu nicht fähig ist, dem sollte der Zutritt auf das Spielfeld für immer verwehrt bleiben. Doch diese Aufgabe fällt der Republikanischen Partei zu. Sie darf Trump einfach nicht mehr nominieren. Und sollte er sich abspalten, dann liegt die Verantwortung bei den US-Wählern, wenn nicht davor Richter ihre Urteile gesprochen haben.
Ein Amtsenthebungsverfahren wird nicht viel bringen. Das sieht auch David Kendall so, der den damaligen US-Präsidenten, Bill Clinton, während der Lewinsky-Affäre beraten hat und gewissermaßen ein Impeachment-Experte ist. Er empfiehlt in der „Washington Post“, dass es der Kongress bei der symbolischen Geste eines möglichst parteiübergreifenden Tadels bewenden lässt. Eine gute Idee. Amerika sollte nach vorn schauen und nicht ewig in den Abgrund.