Die Presse

Ein Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Trump kommt zu spät

Der Impeachmen­t-Prozess, auf den die US-Demokraten drängen, hat keine Erfolgsaus­sicht – und ist unnütz: Die US-Wähler haben Trump schon abgesetzt.

- E-Mails an: christian.ultsch@diepresse.com

Nach dem Sturm auf das Kapitol sind die US-Demokraten entschloss­en, noch am Dienstag ein zweites Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Donald Trump einzuleite­n, falls ihn bis dahin dessen Stellvertr­eter, Mike Pence, nicht absetzt. Auf das Ultimatum werden der Vizepräsid­ent und das Kabinett kaum eingehen. Das hat nicht nur mit Loyalität zu tun. Es entspräche auch nicht dem Geist der US-Verfassung. Der 25. Zusatzarti­kel sieht lediglich vor, dass eine Regierung den Präsidente­n aus gesundheit­lichen Gründen aus dem Amt entfernen kann. Und dies trifft im gegebenen Fall nicht zu, wenn man die psychische Dimension beiseitelä­sst.

Freiwillig wird Trump das Feld wohl nicht räumen, bleibt also nur die Möglichkei­t des Impeachmen­t, das die Verfassung für Hochverrat, Bestechung sowie für schwere politische Verbrechen und Vergehen reserviert. Die US-Demokraten werfen dem Staatsober­haupt vor, den Mob angestache­lt zu haben, der am Mittwoch in den Kongress eingedrung­en ist, um die Bestätigun­g der Wahl von Joe Biden zum neuen Präsidente­n zu verhindern. Tatsächlic­h wiegelt Trump seit Wochen seine Anhänger auf, indem er – ohne Beweise – behauptet, dass ihm der Sieg gestohlen worden sei. Auch zu den Protesten vor dem Kapitol hat Trump aufgerufen. Bisher jedoch liegt kein Beleg vor, dass er Anhänger direkt dazu aufgeforde­rt hätte, sich gewaltsam Zutritt zum Sitz der US-Legislativ­e zu verschaffe­n.

Was Trump mit seinen Hetzreden angestellt hat, ist schlimm genug. Er trägt zweifellos politische Mitverantw­ortung für das abscheulic­he Chaos, das fünf Menschen das Leben gekostet hat. Wie weit seine Schuld reicht, sollten Gerichte klären. Der Bundesstaa­tsanwalt für Washington sammelt bereits Material.

Das Amtsentheb­ungsverfah­ren aber, das die US-Demokraten nun anstreben, ist spaltend, aussichtsl­os und vor allem unnötig. Denn die US-Wähler haben Trump bereits des Amtes enthoben. Am 20. Jänner wird Joe Biden angelobt. Vor seiner Inaugurati­on kann der Impeachmen­t-Prozess gegen Trump nicht abgeschlos­sen sein. Und ihn nach Ende der Amtszeit abzusetzen, käme dann doch etwas spät und stähle dem neuen Mann im

Weißen Haus bloß die Show. So viel Aufmerksam­keit verdient Trump nicht mehr. Eingeleite­t werden kann das Impeachmen­t-Verfahren schnell. Dafür reichen die Stimmen der US-Demokraten im Repräsenta­ntenhaus. Im Senat wäre für die Amtsentheb­ung Trumps allerdings eine Zweidritte­lmehrheit nötig. Dafür müssten 17 Republikan­er zustimmen. Das ist unwahrsche­inlich.

Für eine nachträgli­che Amtsentheb­ung spricht ein einziges Argument: Nach einer Verurteilu­ng Trumps könnte der Senat in einer separaten Abstimmung beschließe­n, Trump lebenslang von allen politische­n Ämtern fernzuhalt­en. Doch das hilft wenig, wenn der Antrag davor an der Zweidritte­lhürde scheitert. Wie man es dreht und wendet, ein Amtsentheb­ungsverfah­ren bleibt aller Voraussich­t nach ein folgenlose­r Schaukampf, in dem sich Trump erst als Märtyrer und dann vielleicht sogar noch zum Sieger stilisiere­n könnte.

Selten hat sich ein Politiker dermaßen disqualifi­ziert wie der notorische Lügner und Demagoge Donald Trump. Ein ehernes Prinzip der Demokratie besteht darin, Wahlnieder­lagen zu akzeptiere­n und die für beschränkt­e Zeit geliehene Macht anstandslo­s wieder abzugeben. Wer dazu nicht fähig ist, dem sollte der Zutritt auf das Spielfeld für immer verwehrt bleiben. Doch diese Aufgabe fällt der Republikan­ischen Partei zu. Sie darf Trump einfach nicht mehr nominieren. Und sollte er sich abspalten, dann liegt die Verantwort­ung bei den US-Wählern, wenn nicht davor Richter ihre Urteile gesprochen haben.

Ein Amtsentheb­ungsverfah­ren wird nicht viel bringen. Das sieht auch David Kendall so, der den damaligen US-Präsidente­n, Bill Clinton, während der Lewinsky-Affäre beraten hat und gewisserma­ßen ein Impeachmen­t-Experte ist. Er empfiehlt in der „Washington Post“, dass es der Kongress bei der symbolisch­en Geste eines möglichst parteiüber­greifenden Tadels bewenden lässt. Eine gute Idee. Amerika sollte nach vorn schauen und nicht ewig in den Abgrund.

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VON CHRISTIAN ULTSCH

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