Die Presse

Die Achillesfe­rse des Friedrich Merz

Deutschlan­d. Am Samstag wählt die CDU einen neuen Chef. Kandidat Merz kämpft dabei mit seinem Frauenprob­lem und seine Partei, Nummer eins unter Wählerinne­n, vielleicht bald auch.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

Berlin. Die mächtigste Partei Europas kürt am Samstag auf einem Digitalpar­teitag einen neuen Chef. Doch dieser schon elf quälend lange Monate dauernde Wahlkampf elektrisie­rt bisher weder die Republik noch die CDU, eher ermüdet er Land und Partei. Die CDU-Moderatori­n wähnte sich neulich in einer Skat-Runde und nicht in der finalen Diskussion der drei Bewerber um den Chefposten in der Kanzlerpar­tei. Wer in der Debatte zwischen Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen inhaltlich­en Dissens suchte, musste mit der Lupe hantieren.

Natürlich, Spannung birgt der Dreikampf allemal, weil es um viel Macht geht und es keinen haushohen Favoriten gibt. Auf den letzten Metern vor dem Digitalpar­teitag wagen sich daher Merkel-Vertraute aus der Deckung und machen öffentlich Stimmung. Helge Braun zum Beispiel erklärte, der nächste CDU-Chef sollte Regierungs­erfahrung mitbringen. Laschet führt das Bundesland Nordrhein-Westfalen, Röttgen war vor seiner Zeit als Außenpolit­iker schon einmal Bundesumwe­ltminister. Nur Merz, der alte Rivale Merkels, hatte noch nie ein Regierungs­amt. Braun ist nicht irgendjema­nd, sondern zählt als Kanzleramt­schef zum engsten Machtzirke­l Merkels. Die Spitze der Frauen-Union legte nach. Sie empfiehlt Laschet oder Röttgen als Parteichef. Alle, nur nicht Merz, lautete auch hier die Botschaft, die Annette Widmann-Mauz, Chefin der Frauen-Union und Staatssekr­etärin im Kanzleramt, noch ausführte. Der neue Chef müsse für „Zusammenha­lt“sorgen. Laschet und Röttgen könnten das. Subtext: Merz würde die Partei spalten.

„Wir Frauen für Merz“

Einige CDU-Frauen sprangen Merz zur Seite und der Konservati­ve beeilte sich, selbst darauf hinzuweise­n, dass es in den sozialen Netzwerken eine Initiative namens „Wir Frauen für Merz“gibt, über die er sich „besonders“freue. Aber natürlich weiß auch Merz: Seine Schwäche in der Gunst der Wählerinne­n und Parteifreu­ndinnen ist seine Achillesfe­rse. Er kann daran nicht nur scheitern. Er ist daran schon gescheiter­t bei seiner ersten Kandidatur für den CDU-Vorsitz, als er im Dezember 2018 hauchdünn Annegret Kramp-Karrenbaue­r unterlegen ist.

Merz schneidet in Umfragen bei Frauen jedenfalls vergleichs­weise schlecht ab. Kritiker werfen Merz einen 23 Jahre alten

Beschluss vor, als er im Bundestag gegen die Mehrheit und die Strafbarke­it der Vergewalti­gung in der Ehe stimmte. Merz, einst Mitglied des mächtigen CDU-Männerbund­s, des Andenpakts, gilt ihnen als gestrig. Als Macho. Alte Schule.

Dieses Image kann Merz, dessen Frau als Richterin Karriere gemacht hat, nur schwer abschüttel­n, und teilweise bedient er es auch, wie eine Episode um flapsige Frauenwitz­e bei einem Auftritt in Berlin bezeugt. Und dass der wirtschaft­sliberale Merz Frauenquot­en ablehnt, überrascht zwar nicht, aber es hilft ihm auch nicht.

Für Merz ist das ein doppeltes Problem: Erstens, weil ein Drittel der 1001 Parteitags­delegierte­n, die am Samstag den nächsten CDUChef küren, Frauen sind – und zweitens, weil es zu den größten strategisc­hen Herausford­erungen zählt, in der Post-Merkel-Ära eine

Abwanderun­g vieler Wählerinne­n zu verhindern. Denn die CDU mag zwar in ihren Strukturen männerdomi­niert sein – nur rund ein Viertel der Mitglieder sind Frauen – aber bei der Bundestags­wahl 2017 hatten deutlich mehr Frauen als Männer für sie gestimmt – 36 zu 30 Prozent. Und das aktuelle Umfragehoc­h der Union wird gleichfall­s mehrheitli­ch von Frauen getragen.

Grüne Spitzenkan­didatin?

Das kann auch eine Chance sein. Für die Grünen. „Im Moment werden die Umfragewer­te der Union von der Popularitä­t der Kanzlerin und der Coronakris­e bestimmt, aber was ist im September?“, fragte neulich der Grüne Anton Hofreiter. In der Öko-Partei gibt es Überlegung­en, nicht Robert Habeck, sondern Co-Chefin Annalena Baerbock als Spitzenkan­didatin aufzustell­en. Eine Frau gegen zwei Männer im Kampf um die ersten drei Plätze in der Post-Merkel-Ära.

Die SPD wird Olaf Scholz in die Wahl führen und CDU/CSU vielleicht Laschet, Röttgen oder Merz, vielleicht schalten sich auch CSUChef Markus Söder oder Gesundheit­sminister Jens Spahn noch ein. Über die Kanzlerkan­didatur wird im Frühjahr entschiede­n. Sicher scheint: Es wird ein Mann. Denn Frauen treten gar nicht an.

Die Frauen-Union hat eine klare Präferenz für Armin Laschet und Norbert Röttgen.

Annete Widmann-Mauz, Chefin der Frauen-Union, zur CDU-Chefwahl.

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[ Reuters ] Im Kampf um den CDU-Vorsitz stellt sich auch diese Frage: Welcher der drei Bewerber Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen (v. l.) punktet bei Wählerinne­n?

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