Trotz Affäre: Verjährung von Plagiaten kommt
Hochschule. Der Rücktritt der Arbeitsministerin wirft Fragen im Umgang mit wissenschaftlichen Abschlussarbeiten auf.
Wien. Es passierte zur Unzeit. Nur noch wenige Tage läuft die Begutachtungsfrist zur ohnehin höchst umstrittenen türkis-grünen Reform des Universitätsgesetzes. Sie sollte mitunter eine Verjährung von Plagiaten bringen. Just in diesem Moment musste die Arbeitsministerin, Christine Aschbacher (ÖVP), wegen besonders schwerer Plagiatsvorwürfe zurücktreten.
Sowohl die Diplomarbeit als auch die Dissertation der Politikerin sind, wie Plagiatsjäger Stefan Weber sagte, „eine Fundgrube von allem, was man nicht machen soll“. Das ist an den Hochschulen aber offenbar niemandem aufgefallen. Ist das ein Einzelfall? Oder gibt es hier ein grundsätzliches Problem? Und was muss sich in Zukunft ändern? Eine Suche nach Antworten.
1 Wie konnten die Arbeiten an den Hochschulen durchgehen?
Die Antwort auf diese Frage müssen die Fachhochschule Wiener Neustadt, an der die Diplomarbeit mit einem „Sehr gut“beurteilt wurde, und die Technische Uni Bratislava, die den PhD-Titel verliehen hat, geben. Beide Hochschulen haben Prüfverfahren eingeleitet.
Viel mehr war von der FH auf Nachfrage nicht zu erfahren. Als die Arbeit 2006 abgegeben worden war, hatte man noch keine Software, um die Diplomarbeit auf Plagiate zu überprüfen, argumentiert Kurt Koleznik, der Generalsekretär der Fachhochschulen. Mittlerweile sei die automatische Textüberprüfung aber „State of the Art“. Falsche Zitate, Grammatikfehler und mangelnde Deutschkenntnisse hätten aber wohl auch dem Betreuer auffallen müssen. Auch hier müsse man, wie Koleznik sagt, Konsequenzen „in Erwägung ziehen“.
Die erst im Mai des Vorjahres eingereichte Dissertation wurde in Bratislava mithilfe des staatlichen Antiplagiatssystems überprüft. Dabei gab es laut der Tageszeitung „Denn´ık N“nur eine Übereinstimmung von 1,15 Prozent mit anderen Texten. Allerdings wurde die Arbeit vorwiegend mit slowakischen Texten abgeglichen. Aschbacher hat ihre Doktorarbeit aber auf Deutsch geschrieben.
2 Wann genau liegt bei einer Abschlussarbeit ein Plagiat vor?
Grundsätzlich spricht man von einem Plagiat, wenn Texte, Inhalte oder Ideen in wissenschaftlichen Arbeiten übernommen und als eigene ausgegeben werden. Die Passagen können wörtlich oder leicht abgeändert wiedergegeben worden sein. Ein Grenzwert, wie viele Textgleichheiten es maximal geben darf, existiert nicht. Es muss eine Erschleichungsabsicht naheliegen.
„An den Rändern ist aber schwer abzugrenzen, ob ein Plagiat in Erschleichungsabsicht erfolgte“, sagt Peter Lieberzeit, Experte und Studienpräses an der Universität Wien. Es gebe hier Ermessensspielraum. Nicht immer sei ganz klar, ob es sich um ein unsauberes Zitieren an manchen Stellen handelt oder um einen tatsächlichen Täuschungsvorsatz.
3 Kann einem ein Plagiat also auch zufällig passieren?
Das ist extrem unwahrscheinlich, sagt der Experte. „Wenn man in Kenntnis der guten wissenschaftlichen Praxis nach bestem Wissen und Gewissen gearbeitet hat, ist die Wahrscheinlichkeit, dass man durch Zufall ein Plagiat produziert, derartig gering, dass man sich diesbezüglich keine Sorgen machen muss.“
Allgemein gültige Aussagen zu Plagiaten sind aber grundsätzlich schwierig zu treffen. Entscheidend ist nämlich nicht nur die wissenschaftliche Praxis in der jeweiligen Fachrichtung, sondern auch die Entstehungszeit der Arbeit. Denn auch die Standards haben sich im Laufe der Zeit verändert.
4 Wie werden Arbeiten heutzutage auf Plagiate überprüft?
Mittlerweile wird laut Wissenschaftsministerium an allen Hochschulen Software zur Überprüfung einsetzt. Dennoch will man sich die Prozesse noch einmal genau ansehen.
Die größte Universität des Landes, die Uni Wien, lässt seit 2009 über alle Abschlussarbeiten zwei Programme zur Erkennung von Textgleichheiten laufen. Zeigen sich dabei Ungereimtheiten, wird die Studienprogrammleitung informiert. Je nach Schwere des Verstoßes muss die Arbeit entweder überarbeitet werden, oder sie wird negativ beurteilt und der Studierende muss eine völlig neue Arbeit verfassen.
5 Welche Konsequenzen drohen bei lange zurückliegenden Plagiaten?
Hat jemand in seiner Abschlussarbeit nachweislich abgeschrieben und sich den akademischen Grad damit erschlichen, dann wird die Hochschule die Beurteilung für nichtig erklären. Das wiederum hat die Aberkennung des Titels zur Folge. Plagiieren sei, wie Lieberzeit sagt, also „kein Kavaliersdelikt“.
6 Wie viele Titel wurden in den vergangenen Jahren aberkannt?
Österreichweite Zahlen dazu gibt es nicht. An der Uni Wien wurden in den vergangenen 15 Jahren 50 Verfahren deswegen eingeleitet. In 26 Fällen führten diese zur Aberkennung eines Grades.
7 Wird die Verjährung von Plagiaten tatsächlich kommen?
Danach sieht es aus. Sowohl ÖVP als auch Grüne halten daran fest. Nach 30 Jahren sollen Plagiate verjähren. „Lebenslang ist in Österreich nur die Strafe für Mord. Und zwischen Mord und Plagiat gibt es doch einen Unterschied“, sagte Eva Blimlinger, die grüne Wissenschaftssprecherin, kürzlich.