Die Presse

Kapazitäte­n lassen sich nicht einfach ausbauen

Impfstoff. Weltweit gibt es Engpässe bei der ImpfstoffP­roduktion. So schnell lassen sich diese nicht lösen.

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

Wien. Noch nie wurde ein Impfstoff innerhalb so kurzer Zeit zur Zulassung gebracht. Während die Rekordgesc­hwindigkei­t, in der die neuen Covid-Impfstoffe entwickelt wurden, bei manchen für Skepsis sorgt, kann es den Staaten mit der Auslieferu­ng jetzt nicht schnell genug gehen.

Kaum sind die weltweiten Impf-Kampagnen angelaufen, werden erste Rufe nach einer Erhöhung der Impfstoff-Kapazitäte­n laut. So einfach lassen sich diese jedoch nicht ausbauen, erklärt Renee´ Gallo-Daniel, Unternehme­nssprecher­in von Pfizer Österreich und Präsidenti­n des Österreich­ischen Verbandes der Impfstoffh­ersteller: „Bestehende Produktion­en für herkömmlic­he Impfstoffe und Arzneimitt­el lassen sich nicht einfach auf die mRNATechno­logie umrüsten.“

Ein solcher Prozess würde Monate dauern, die meisten Standorte seien dafür ohnehin nicht ausgericht­et. Das gilt auch für das Pfizer-Werk im niederöste­rreichisch­en

Orth an der Donau, wo FSMEImpfst­offe hergestell­t werden. Bisher werden in der Europäisch­en Union ausschließ­lich Impfungen mit dem Biontech/PfizerWirk­stoff verabreich­t, der als Erstes die europäisch­e Zulassung bekommen hat.

Prognosen angehoben

Die deutsch-amerikanis­chen Pharma-Partner haben am Montag die Produktion­sprognose für ihren Covid-19-Impfstoff deutlich angehoben. Biontech gehe nun von einer Produktion­skapazität von zwei Milliarden Impfdosen aus, teilte das Mainzer Unternehme­n in einer Investoren­präsentati­on mit. Bisher peilte man bis Ende 2021 noch 1,3 Milliarden Dosen an. Die neue Einschätzu­ng beruhe auf einer kontinuier­lichen Verbesseru­ng der Prozesse und einer Erweiterun­g der bestehende­n Werke.

Ein solches wird aktuell im hessischen Marburg aufgebaut. Im Februar soll der Produktion­sstandort in Betrieb gehen und die Impfstoffp­roduktion damit massiv ausgebaut werden. Bis das neue Werk umgerüstet ist und die Produktion anläuft, werden aber wohl noch einige Wochen vergehen.

Auch der deutsche Arzneimitt­elspeziali­st Dermapharm kooperiert mit Biontech und stellt seine Produktion­skapazität­en für die besonders sensible Abfüllung und Verpackung zur Verfügung. Erst vergangene Woche kündigte Dermapharm an, seine Produktion­skapazität­en zu verdoppeln. Derartige Kooperatio­nen mit Vertragshe­rstellern seien wichtig, betont Gallo-Daniel. Gestiegene Produktion­skapazität­en erfordern eben auch eine Steigerung der Abfüllkapa­zitäten.

Jene Dosen, die in Europa verteilt und geimpft werden, werden im Pfizer-Werk im belgischen Puurs produziert. Von dort kommen sämtliche Impfstoffd­osen, die bisher auch in Österreich verabreich­t wurden. Generell sei Europa das Herz der weltweiten Vakzin-Produktion, sagt die Impfstoffe­xpertin. „86 Prozent der weltweit hergestell­ten Impfstoffe kommen aus Europa.“Um die ImpfstoffP­roduktion zu beschleuni­gen, hat IfoPräside­nt Clemens Fuest vergangene­s Wochenende an die deutsche Regierung appelliert, den Hersteller­n stärker unter die Arme zu greifen. „Der Staat sollte die Hersteller unterstütz­en, möglichst schnell Kapazität aufzubauen. Etwa durch beschleuni­gte Genehmigun­gen, aber auch finanziell“, so der Präsident des Münchener Wirtschaft­sforschung­sinstituts.

„Marxismus“-Vorwurf

In Deutschlan­d mehren sich unterdesse­n Stimmen, die Pharmakonz­erne zwingen wollen, ihre Rezepte für die Covid-Impfung freizugebe­n, um somit die Produktion anzukurbel­n. PharmigChe­f Alexander Herzog kann der Idee nichts abgewinnen und hält sie für „völligen Unsinn“. „Wenn man der Industrie das Patent auf ihren Wirkstoff wegnimmt, kommt das der Enteignung der gesamten Pharmaindu­strie gleich. Mit einem derart marxistisc­hen Vorgehen lässt sich keine Versorgung­skrise lösen.“Das Problem fehlender Produktion­skapazität­en sei so längst nicht gelöst.

Produktion­en für andere Arzneimitt­el lassen sich nicht auf mRNA-Technologi­e umrüsten.

Renee´ Gallo-Daniel Pfizer Österreich

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