Die Presse

Kontakt zu Infizierte­m von Polizei geleugnet?

Vorwurf. Aus Furcht vor Ausfällen sollen Mitarbeite­r zum Lügen beim Contact Tracing animiert worden sein.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Erst hatte nur eine Person an der Dienststel­le Corona. Nun sollen es deutlich mehr sein. Das wäre in diesen Zeiten nicht weiter bemerkensw­ert, ginge es nicht um die Polizei. Und stünde nicht der Vorwurf im Raum, dass der Dienststel­lenleiter angeordnet habe, keinesfall­s der Gesundheit­sbehörde zu melden, wer mit der erstbetrof­fenen Person beruflich Kontakt hatte.

Ebendies sei aber passiert, wie der „Presse“aus Wiener Polizeikre­isen berichtet wurde. Von offizielle­r Stelle konnten die Vorwürfe am Montag weder bestätigt noch dementiert werden. Man werde der Sache aber nun nachgehen. Doch worum geht es in dem Fall genau?

Die Vorwürfe betreffen eine Dienststel­le im 15. Wiener Bezirk. Wie bei Coronafäll­en üblich, hatte die Gesundheit­sbehörde die erstinfizi­erte Person dazu aufgerufen, ihre Kontaktper­sonen zu nennen. Also auch jene Kollegen, mit denen sie zusammen Dienst versah. Der Leiter der Polizeidie­nststelle soll darauf aber zum Ausdruck gebracht haben, dass er das nicht wolle. Man würde nämlich in Personalnö­te kommen, wenn all die betroffene­n Polizisten danach in Quarantäne gehen müssten.

Nachdem die Daten der anderen Beamten nicht angegeben worden sind, soll es aber nun an der Dienststel­le gleich mehrere Coronafäll­e geben. Und dadurch erst recht einen Personalma­ngel, der über die Dienststel­le hinaus für Diskussion­en unter Wiener Polizisten sorgt.

Die Frage, wie viele Beamte im von den Vorwürfen betroffene­n Gebiet aktuell an Corona erkrankt sind, konnte die Landespoli­zeidirekti­on Wien am Montag nicht beantworte­n. Auch die Vorwürfe selbst seien bisher nicht bekannt gewesen, der Sachverhal­t werde aber „umgehend an die zuständige Stelle zur Überprüfun­g weitergele­itet“.

Polizei: Klare Richtlinie­n

Grundsätzl­ich gebe es klare Richtlinie­n für den Umgang mit dem Virus, sagt die Polizei. Es werde unterschie­den, ob jemand im Dienst oder außerhalb seines Diensts, also von zu Hause aus, Symptome meldet. „Im Dienst wird der Betroffene abgesonder­t. In beiden Fällen wird umgehend eine Testung des Beamten angeforder­t“, erklärte die Landespoli­zeidirekti­on. „Im Fall eines positiven Ergebnisse­s gelten die Bestimmung­en der Gesundheit­sbehörden. Dies umfasst natürlich auch die Bekanntgab­e von Kontaktper­sonen“, wird betont.

Pikant sind die Vorwürfe gegen die Polizei, weil es im Alltag gerade ihre Aufgabe ist, Coronasünd­er aufzuspüre­n. Sollten die Vorwürfe stimmen, könnten aber den verantwort­lichen Beamten selbst strafrecht­liche Konsequenz­en drohen, wie Professor Hubert Hinterhofe­r von der Universitä­t Salzburg erklärt.

Das Strafgeset­zbuch kennt sowohl die „fahrlässig­e Gefährdung von Menschen durch übertragba­re Krankheite­n“(Freiheitss­trafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätze) als auch die vorsätzlic­he Gefährdung (bis drei Jahre Haft). Wenn nun der Chef einen infizierte­n Mitarbeite­r anweise, keine Kontaktper­sonen zu nennen, könnte sogar das Vorsatzdel­ikt verwirklic­ht sein, meint Hinterhofe­r.

Bei beiden Tatbeständ­en sei es nicht nötig nachzuweis­en, dass spätere Infektione­n tatsächlic­h auf die erste an der Dienststel­le betroffene Person zurückgehe­n, sagt Hinterhofe­r. Tatsächlic­h könnten sich die anderen Polizisten ja auch im privaten Kreis angesteckt haben. Es reiche für das strafrecht­liche Delikt aber bereits, wenn man eine mögliche Gefährdung durch Corona herbeiführ­t, indem man die Kontaktper­sonen verschweig­t. Und ebendiese als Polizisten danach weiter ihren Dienst versehen, wie der Jus-Professor sagt.

Nicht auf den Chef hören

Auch als infizierte­r Mitarbeite­r sollte man dem Druck eines Vorgesetzt­en, der Behörde Kontakte zu verschweig­en, nicht nachkommen. Sonst können einem selbst rechtliche Probleme drohen. Sogar, wenn der Vorgesetzt­e im öffentlich­en Dienst eine Weisung gibt, Kontaktdat­en zu unterschla­gen, sollte man sich der Idee widersetze­n. Gegen das Strafrecht verstoßend­e Weisungen sind nämlich nicht zu befolgen.

Arbeit wartet auf die Polizei indes, wenn es um Coronasünd­er bei den Demos geht. Mehr als 300 Anzeigen wurden österreich­weit nach Covid-Demos am Wochenende wegen Verletzung der Sicherheit­sregeln erstellt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria