Kontakt zu Infiziertem von Polizei geleugnet?
Vorwurf. Aus Furcht vor Ausfällen sollen Mitarbeiter zum Lügen beim Contact Tracing animiert worden sein.
Wien. Erst hatte nur eine Person an der Dienststelle Corona. Nun sollen es deutlich mehr sein. Das wäre in diesen Zeiten nicht weiter bemerkenswert, ginge es nicht um die Polizei. Und stünde nicht der Vorwurf im Raum, dass der Dienststellenleiter angeordnet habe, keinesfalls der Gesundheitsbehörde zu melden, wer mit der erstbetroffenen Person beruflich Kontakt hatte.
Ebendies sei aber passiert, wie der „Presse“aus Wiener Polizeikreisen berichtet wurde. Von offizieller Stelle konnten die Vorwürfe am Montag weder bestätigt noch dementiert werden. Man werde der Sache aber nun nachgehen. Doch worum geht es in dem Fall genau?
Die Vorwürfe betreffen eine Dienststelle im 15. Wiener Bezirk. Wie bei Coronafällen üblich, hatte die Gesundheitsbehörde die erstinfizierte Person dazu aufgerufen, ihre Kontaktpersonen zu nennen. Also auch jene Kollegen, mit denen sie zusammen Dienst versah. Der Leiter der Polizeidienststelle soll darauf aber zum Ausdruck gebracht haben, dass er das nicht wolle. Man würde nämlich in Personalnöte kommen, wenn all die betroffenen Polizisten danach in Quarantäne gehen müssten.
Nachdem die Daten der anderen Beamten nicht angegeben worden sind, soll es aber nun an der Dienststelle gleich mehrere Coronafälle geben. Und dadurch erst recht einen Personalmangel, der über die Dienststelle hinaus für Diskussionen unter Wiener Polizisten sorgt.
Die Frage, wie viele Beamte im von den Vorwürfen betroffenen Gebiet aktuell an Corona erkrankt sind, konnte die Landespolizeidirektion Wien am Montag nicht beantworten. Auch die Vorwürfe selbst seien bisher nicht bekannt gewesen, der Sachverhalt werde aber „umgehend an die zuständige Stelle zur Überprüfung weitergeleitet“.
Polizei: Klare Richtlinien
Grundsätzlich gebe es klare Richtlinien für den Umgang mit dem Virus, sagt die Polizei. Es werde unterschieden, ob jemand im Dienst oder außerhalb seines Diensts, also von zu Hause aus, Symptome meldet. „Im Dienst wird der Betroffene abgesondert. In beiden Fällen wird umgehend eine Testung des Beamten angefordert“, erklärte die Landespolizeidirektion. „Im Fall eines positiven Ergebnisses gelten die Bestimmungen der Gesundheitsbehörden. Dies umfasst natürlich auch die Bekanntgabe von Kontaktpersonen“, wird betont.
Pikant sind die Vorwürfe gegen die Polizei, weil es im Alltag gerade ihre Aufgabe ist, Coronasünder aufzuspüren. Sollten die Vorwürfe stimmen, könnten aber den verantwortlichen Beamten selbst strafrechtliche Konsequenzen drohen, wie Professor Hubert Hinterhofer von der Universität Salzburg erklärt.
Das Strafgesetzbuch kennt sowohl die „fahrlässige Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten“(Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätze) als auch die vorsätzliche Gefährdung (bis drei Jahre Haft). Wenn nun der Chef einen infizierten Mitarbeiter anweise, keine Kontaktpersonen zu nennen, könnte sogar das Vorsatzdelikt verwirklicht sein, meint Hinterhofer.
Bei beiden Tatbeständen sei es nicht nötig nachzuweisen, dass spätere Infektionen tatsächlich auf die erste an der Dienststelle betroffene Person zurückgehen, sagt Hinterhofer. Tatsächlich könnten sich die anderen Polizisten ja auch im privaten Kreis angesteckt haben. Es reiche für das strafrechtliche Delikt aber bereits, wenn man eine mögliche Gefährdung durch Corona herbeiführt, indem man die Kontaktpersonen verschweigt. Und ebendiese als Polizisten danach weiter ihren Dienst versehen, wie der Jus-Professor sagt.
Nicht auf den Chef hören
Auch als infizierter Mitarbeiter sollte man dem Druck eines Vorgesetzten, der Behörde Kontakte zu verschweigen, nicht nachkommen. Sonst können einem selbst rechtliche Probleme drohen. Sogar, wenn der Vorgesetzte im öffentlichen Dienst eine Weisung gibt, Kontaktdaten zu unterschlagen, sollte man sich der Idee widersetzen. Gegen das Strafrecht verstoßende Weisungen sind nämlich nicht zu befolgen.
Arbeit wartet auf die Polizei indes, wenn es um Coronasünder bei den Demos geht. Mehr als 300 Anzeigen wurden österreichweit nach Covid-Demos am Wochenende wegen Verletzung der Sicherheitsregeln erstellt.